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Warum verlassen Frauen Kirche?

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Fast 100 Teilnehmer aus der Bundesrepublik Deutschland, aus der Schweiz, den Niederlanden und aus Österreich diskutierten bei der Konferenz der deutschsprachigen Pastoraltheologen im Wiener Büdungshaus Lainz vom 2. bis 5. Jänner 1982 zum Thema „Selbstverständnis von Frauen heute: Anfragen an Kirche und Pastoraltheologie".

Zusätzlich zu den ordentlichen Mitgliedern der Konferenz waren als Gäste auch Frauen- und Familienseelsorger, vor allem aber 39 Frauen aus den verschiedensten Tätigkeitsbereichen in der Kirche als Gesprächspartner eingeladen worden. Die Veranstaltung sollte sich mit der zunehmenden Distanzierung der Frauen von der Kirche und deren Ursachen in Kirche und Gesellschaft auseinandersetzen.

Im Einleitungsreferat sprach die evangelische Theologin Elisabeth Moltmann-Wendel, die als freie Publizistin in Tübingen lebt,. zu der Frage „Wie sehen Frauen sich selbst?", Moltmann-Wendel sieht die Ursachen für den Ausbruch der Frau aus ihrer traditionellen Rolle vor allem in der Demokratisierung und Individualisierung der Gesellschaft, in den neuen Verfügungsmöglichkeiten der Frauen über ihren eigenen Körper (Pille!) und in der im Rahmen der Minderheitenbewegungen entstandenen Frauenbewegung, die für eine Veränderung der wirtschaftlichen, sozialen und psychischen Situation der Frau eintritt.

Das durch Bibel und Kirche tradierte Bild der Frau — Hausfrau und Mutter oder Verführerin—erschwere den Frauen, zu sich selbst zu finden und ihre zum Teil nur anerzogene Rolle zugunsten einer Entwicklung der persönlich vorhandenen Begabungen und Fähigkeiten abzulegen.

Besonders im Bereich von Partnerschaft und Ehe, im beruflichen Bereich und bei der Gestaltung der Sexualität wirkten sich nach Meinung von Moltmann-Wendel die Bewußtseinsveränderungen bei den Frauen selbst am stärksten aus und hätten daher auch Konsequenzen für deren Haltung gegenüber der Lehre der Kirche.

Catharina J.M.Halkes, Dozentin für Feminismus und Christentum an der Theologischen Fakultät Nijmwegen/Niederlande, referierte über das Thema „Wie erfahren Frauen die Kirche?". Hal-kes unterscheidet zwischen mit der Kirche zufriedenen, angepaßten Frauen, mit der Kirche unzufriedenen Frauen, die diese bereits verlassen haben und jenen Frauen, die „aufständisch" sind und in der Kirche bleiben.

Die von Männern geleitete römische Institution knüpfe nicht beim Empfinden und Denken der Frauen an, sie stehe nicht mit ihnen im Dialog, sodaß viele Frauen die Hoffnung auf Veränderung aufgegeben hätten. Die Ansätze des Zweiten Vatikanums über das Selbstbewußtsein des Volkes Gottes ließen nach Meinung von Halkes noch hoffen, ebenso wie die Konzilsaussagen zu den verschiedenen Charismen, in denen sich ebenso wie im kirchlichen Amt der Heilige Geist artikuliere.

Die Theologin Gabriele Miller, Leiterin des Amtes für Kateche-tik in Tübingen, sprach über die Erwartungen der Frauen an die Pastoraltheologie. Miller kritisierte, daß Frauen auch heute noch vor allem Mitarbeiterinnen seien, deren noch so fundierte Sachkompetenz nicht mit der Kompetenz eines Amtsträgers konkurrenzfähig sei.

Die Pastoraltheologie als jene theologische Disziplin, die für die praktische Umsetzung theologischen Forschens zuständig sei, müsse ihrer Meinung nach auf Fehlentwicklungen hinweisen (wie sollten sich beispielsweise als weibliche Ministrantinnen abgelehnte Mädchen als Frauen in der Kirche zu Hause fühlen?).

Nach Diskussion der Referatsinhalte in Arbeitskreisen und der' Erfahrungen der weiblichen Gesprächspartner drängte sich verstärkt die Notwendigkeit eines Dialogs mit den Frauen in der Kirche auf.

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