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Was bringt der ÖGB-Kongreß?

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Über die Wünsche und Forderungen, die aus gewerkschaftlicher Sicht an den im September tagenden ÖGB-Bundeskon-greß herangetragen werden, hat die FURCHE bereits berichtet. Diesmal lassen wir Rupert Dollinger, Referent in der sozialpolitischen Abteilung der Bundeswirtschaftskammer und Bundesgeschäftsführer der Organisation „Junge Wirtschaft“, zu Wort kommen.

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Über die Wünsche und Forderungen, die aus gewerkschaftlicher Sicht an den im September tagenden ÖGB-Bundeskon-greß herangetragen werden, hat die FURCHE bereits berichtet. Diesmal lassen wir Rupert Dollinger, Referent in der sozialpolitischen Abteilung der Bundeswirtschaftskammer und Bundesgeschäftsführer der Organisation „Junge Wirtschaft“, zu Wort kommen.

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Für viele, die sich in den letzten Jahren von sozialistischer Politik überrascht fühlten, wäre das Überraschungsmoment ausgeblieben, wenn sie sich mit den Aussagen und Beschlüssen des jeweils vorangegangenen Bundeskongresses des österreichischen Gewerkschaftsbundes auseinandergesetzt hätten. „Was ÖGB-Kongresse gefordert haben, ist noch immer Wirklichkeit geworden“ schreibt Rupert Gmoser selbstbewußt in der jüngsten Ausgabe der „Solidarität“.

Die Divergenzen in der Atomfrage dürfen nicht darüber hinwegtäuschen: sozialistische Politik, vor allem Wirtschafts- und Sozialpolitik, wird zu überwiegendem Teil im ÖGB und auf seinen Bundeskongressen gemacht.

Ohne Prophet sein zu wollen, wird man rund zwei Wochen vor diesem Kongreß sagen können, daß er kein Forum für einen marktwirtschaftlich-liberalen Kurs in der Wirtschafts- und Sozialpolitik sein wird. Vielmehr ist zu erwarten (und zu befürchten), daß sich die Planer, die Intervenierer, die Dirigisten, die Demokratisierer, die Fondsadvokaten und Kommissionsliebhaber ein Stelldichein geben werden und es wäre verwunderlich, wenn „Vollbeschäftigung, Solidarität und eine humane, gesicherte Zukunft“ (das Motto des Bundeskongresses) anders erreicht werden könnten, als durch möglichst viel Demokratisierung, dirigistische Interventionen und neue Fonds und Kommissionen.

Der Titel ist klug gewählt. Wer wollte das nicht-Vollbeschäftigung,

Solidarität und eine humane, gesicherte Zukunft? Alle jenen, die es wagen werden, sich mit den Ergebnissen des Kongresses kritisch auseinanderzusetzen, werden mit dem Stigma behaftet sein, weil Kritik übend, Gegner dieser Zielsetzungen zu sein. Dieses Schicksal wird etwa jenen zuteil werden, die noch immer meinen, daß die private, mit dem Eigentumsverlust sanktionierte Inve-stitionsentscheiduhg des Unternehmers einer staatlich geplanten, kommissionierten vorzuziehen ist.

Denn alles deutet darauf hin, daß sich der Bundeskongreß für eine Umstellung der Investitionsfinanzierung auf ein System von Direktprämien aussprechen wird, was weitgehend einer Investitionslenkung gleichkommt. Der Vorwurf der Reaktion und der Ausbeutung wird auf jene herniederprasseln, die da meinen, daß wir uns eine Arbeitszeitverkürzung derzeit nicht leisten können, weil die damit verbundene Kostenerhöhung unsere Konkurrenzposition im In- und Ausland verschlechtert. Der Kongreß wird sich voraussichtlich für eine Urlaubsverlängerung (natürlich bei vollem Lohnausgleich) aussprechen. Ein Volk löst seine Probleme, indem es länger auf Urlaub geht - tu felix Austria!

Gespannt darf man auf die von der Gewerkschaft der Privatangestellten ventilierte Diskussion über die paritätische Mitbestimmung sein. Sicher ist, daß diese Forderung nicht von breiten Mitgliederkreisen, sondern von einer dünnen Funktionärselite getragen ist. Der einzelne Arbeitnehmer ist an der paritätischen Mitbestimmung nicht interessiert, weil er weiß, daß sie ihm nichts bringt. Der Gewerkschaft hingegen brächte sie etwas, nämlich einen enormen Machtzuwachs, und zur Macht hat der ÖGB immer ein ausgeprägtes Verhältnis gehabt.

Die paritätische Mitbestimmung könnte eine Belastung der ohnehin lädierten, weü ungleichgewichtig gewordenen Sozialpartnerschaft darstellen. Die Diskussion über dieses Thema wird daher ein Gradmesser dafür sein, inwieweit der ÖGB an der Aufrechterhaltung bzw. Wiederherstellung einer funktionierenden Sozialpartnerschaft interessiert ist.

Zweifel sind deshalb angebracht, weil der maßgebliche Verfechter der paritätischen Mitbestimmung, der Vorsitzende der Gewerkschaft der Privatangestellten, Alfred Daliinger, nie ein erklärter Freund der Sozialpartnerschaft war und außerdem damit spekulieren wird, daß die parlamentarische Behandlung dieses Themas innerhalb der ÖVP zu beträchtlichen Turbulenzen führen könnte, zumal sich die Fraktion Christlicher Gewerkschafter in ihrem jüngst verabschiedeten Grundsatzprogramm ebenfalls für die paritätische Mitbestimmung ausspricht.

1975 hat der Plan des damaligen volkswirtschaftlichen Referenten des ÖGB, Thomas Lachs, erheblich Staub aufgewirbelt,“ einen zentralen Vermögensbildungsfonds durch teilweise Abschöpfung der Abfertigungsrücklagen einzurichten. Hier verhält es sich ähnlich wie bei der paritätischen Mitbestimmung. Ein zentraler Fonds nützt dem einzelnen nichts, sondern vergrößert lediglich die gewerkschaftliche Macht.

Wer die Vorliebe der Gewerkschaften für Fonds, Zentralismus' und Lenkungsinstrumente kennt, kann sich ausrechnen, daß der Bundeskongreß den zentralen Fonds nicht fallenlassen wird.

Schlecht wäre der Bundeskongreß beraten, die klassenkämpferische Forderung Daliingers nach einer höheren Besteuerung der Selbständigen aufzugreifen. Hinter diesem Vorschlag steckt eine grenzenlose Demagogie.

Wer die bittere Lage so mancher Gewerbetreibender und so mancher Bauern kennt und sie mit dem durchschnittlichen Standard eines von Daliingers Privatangestellten vergleicht, kann das, was hier alles unter dem Titel Steuergerechtigkeit in die Diskussion geworfen wird, nur als maßlosen Zynismus bezeichnen.

Eine Organisation wie der ÖGB könnte sich, zumal die Wahlen ge^ schlagen sind, auch einmal ihrer Stärke bedienen, um sich auf das Wagnis der Unpopularität einzulassen: indem sie die aktuelle Situation nicht beschönigt, sich etwa zu der langfristig tristen Situation der Pensionsversicherungen äußert, deren Obmänner u. a. die Gewerkschafter Dailinger und Millendorfer sind; sich konkret mit dem Energiesparen auseinandersetzt, für das angeblich der Gewerkschafter Staribacher zuständig sein soll; sich mit der wiederum heraufdämmernden Spitalsmisere befaßt, für die der Gewerkschafter Sekanina als Präsident des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger mitverantwortlich ist; um nur einige Beispiele zu nennen.

Zu wünschen wäre auch, daß sich die Fraktion Christlicher Gewerkschafter bei diesem Bundeskongreß stärker profiliert und echte Alternativen zur sozialistischen Politik präsentiert, die auch einer Konsistenzprüfung mit marktwirtschaftlichen Grundsätzen standhalten.

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