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Was bringt der „Swap”?

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Brasilien und Argentinien schockieren die internationale Finanzwelt. Sie wollen ihre Schulden nicht mehr ohne weiteres bezahlen. Der Schuldenswap könnte ein Ausweg sein.

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Brasilien und Argentinien schockieren die internationale Finanzwelt. Sie wollen ihre Schulden nicht mehr ohne weiteres bezahlen. Der Schuldenswap könnte ein Ausweg sein.

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Zur Erinnerung das Wesen des Schuldenswaps: Ein Unternehmen, das in einem Schuldnerland investieren möchte, kauft von einer Gläubigerbank dieses Landes eine Hartwährungsschuld (meist in Dollar). Dabei kommt wegen des Risikos der Einbringlichkeit dieser Schuld ein von Land zu Land sehr unterschiedlicher Abschlag (discount) in Anwendung, das heißt, es kann etwa eine 100-Millionen-Dollar-Forderung um vielleicht 70 Millionen Dollar erworben werden.

Diese Forderung von 100 Millionen Dollar wird nun von der investitionsfreudigen Unternehmung nach entsprechender Abmachung mit der Notenbank des Schuldnerlandes in die Währung dieses Landes „geswapt” („gedreht” oder einfach umgetauscht). Dabei kommt abermals ein gewisser Abzug in Anwendung, meist in Höhe von rund zehn Prozent. Unser Unternehmen bekommt daher für seine 100-Millionen-Dollar-Forderung beispielsweise Pesos im Wert von 90 Millionen Dollar.

Dennoch bleibt dem Unternehmen offenkundig immer noch ein ansehnlicher Gewinn (in unserem Beispiel rein rechnerisch 20 Millionen Dollar als Differenz zwischen den aufgewendeten 70 und den nun verfügbaren 90 Millionen Dollar). Das erklärt auch das Interesse international tätiger Unternehmen und Konzerne an derartigen Deals.

Hier ist nun ein psychologischer Gesichtspunkt besonders hervorzuheben: Während alle bisherigen Bemühungen zur Bewältigung der Schuldenkrise wie Umschul-dungsverfahren oder Zufuhren von „fresh money” — alles unter entsprechenden Auflagen seitens des Internationalen Währungsfonds (IWF) — immer nur unter Druck von außen (wiederum durch den IWF) und unter laut vernehmlichem Zähneknirschen der Betroffenen zustande kamen, können sich beim Schuldenswap alle Beteiligten als Gewinner fühlen.

Die Vorteile für die in einen Swap Involvierten sind:

• Der ausländische Investor kann sein Investitionsvorhaben zu günstigen Konditionen finanzieren. Auch Auflagen seitens des Schuldnerlandes können die Attraktivität des Geschäftes für ihn nicht schmälern. Im Gegenteil: Die Kooperation im Rahmen des Schuldenswaps mit den einheimischen Behörden, die selbst am Zustandekommen des Geschäfts interessiert sind, verschafft ihm unter Umständen Zugang zu Märkten, die ihm sonst verschlossen geblieben wären.

• Das Schuldnerland reduziert seine Auslandsschulden und die damit zusammenhängenden zukünftigen Schuldendienstverpflich-tungen. Gleichzeitig bekommt seine Wirtschaft die dringend benötigte Kapitalzufuhr aus dem Ausland. Damit verbunden ist die Hoffnung auf neue Arbeitsplätze, Import modernerer Technologie und Stärkung der Exportkraft. Sofern sich — und das ist ein weiterer ganz wichtiger Gesichtspunkt — auch Inländer als Investoren an einem solchen Swap beteiligen dürfen, läßt sich auch vormals aus dem Land gebrachtes Fluchtkapital repatriieren.

• Die ausländischen Gläubigerbanken bereinigen ihre Portefeuilles um dubiose Forderungen gemäß der Devise: Besser ein Ende mit Schrecken (mit einem gewissen Verlust) als ein Schrecken ohne Ende.

Noch vor zwei Jahren wäre die Vorstellung, daß man „faule” oder „angefaulte” lateinamerikanische oder sonstige Forderungen einfach auf einem speziellen Markt verkaufen könnte,' ziemlich unrealistisch erschienen. Heute ist der Handel mit solchen Guthaben angesichts obiger Vorteile bereits ganz normal geworden, wenn auch das Ausmaß in Anbetracht der weltweiten Gesamtschuld gering ist.

Auch die internationalen Organisationen beginnen, den Swap zu entdecken. Die International Fi-nance Corporation, eine Tochter der Weltbank, erwägt die Schaffung eines Spezialfonds zur Förderung des Schuldenswaps. Die Realisierung eines solchen Projekts würde die „Kapitalisierung der Schuld” institutionalisieren und damit weiter erleichtern.

Vorläufig hat der Swap die Schuldenproblematik allerdings nur marginal entschärfen können. Grenzen für die Operationen sind:

• Befürchtungen der Debitorenländer, den Kurswert der eigenen Schuld durch allzu große Nachfrage nach ihren Verpflichtungen in die Höhe zu treiben und damit das Interesse der Investoren zu schmälern.

• Derzeit besteht ein erheblicher Mangel an hinreichend attraktiven Investitionsprojekten.

• Probleme könnten sich auch ergeben, wenn es im Zuge des Ankaufs der Forderungen durch die Zentralbank des Schuldnerlandes zu einer Aufblähung der inländischen Geldmenge und damit einer Beschleunigung der Inflation — ohnehin eine der Hauptsorgen dieser Länder — kommt. Das muß aber nicht unausweichlich so sein: In dem Maß, in dem durch einen Schuldenswap Liquidität zugeführt wird, müßte die Notenbank entsprechend gegensteuern.

• Ein weiterer Engpaß könnte sich trotz aller Vorteile auch bei den Gläubigerbanken ergeben. Die Verluste, die sie beim Unter-pari-Verkauf von Forderungen realisieren, dürfen die Ertragskraft nicht übersteigen. Auf jeden Fall aber wird der Wertberichtigungsbedarf der Banken (FURCHE 31/1985) durch die Swap-Transaktionen wesentlich transparenter als zuvor.

Unter den an Schuldenswaps beteiligten Ländern dominieren bisher die europäischen und kleinere US-Banken, während die großen amerikanischen Banken eher nur als Vermittler tätig sind. Derzeit ist das Geschäft auf Lateinamerika konzentriert, obwohl auch Deals mit der Türkei und den Philippinen bekannt wurden. Für Argentinien, Brasilien, Chile, Mexiko und die Philippinen zusammen wird das bisherige Volumen auf fünf Milliarden Dollar geschätzt — bezogen auf die Schuldenstände dieser Länder nicht mehr als der sprichwörtliche Tropfen auf den heißen Stein.

Interessanter ist freilich das Swap-Potential für die Zukunft. Für die genannten fünf Länder halten Experten ein Volumen von 50 Milliarden Dollar im Lauf der nächsten zehn Jahre für realisierbar.

Natürlich hängt das böse Wort vom „Ausverkauf” in der Luft. Gegenüber der derzeitigen Situation, in der die Schuldnerländer an die 100 Milliarden Dollar pro Jahr allein an Zinsen an die Gläubiger überweisen müssen (wenn sie können), scheint der Schuldenswap im Lichte der hier beschriebenen Vorteile aber geradezu ein Fortschritt zu sein.

Der Autor ist Referent in der volkswirtschaftlichen Abteilung der Osterreichischen Nationalbank in Wien.

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