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Was bringt die kleine Wahlrunde?

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Nach einer relativ wahlarmen Periode seit Bruno Kreiskys letztem Wahltriumph rückt mm in manchen Ländern jener berüchtigte Zeitpunkt wieder näher, an dem als höchster Souverän ausschließlich der Wähler am Wort ist: Am 2. Oktober stehen im Burgenland Landtagswahlen, in Salzburg, Krems und Innsbruck Gemeinderatswahlen ins Haus. Nicht viel später, Anfang 1978, werden die Grazęr Bürger von sich reden machen, dann folgt der politische Kassasturz im roten Erbhof Wien.

Zweifellos wäre es nun etwas naiv, sich gleich auf die Suche nach allgemeinen Trends zu begeben und solcherart für die kommenden Regionalwahlen einen durch die Bank feststellbaren Rechts- oder Linkstrend anzukündigen: Gerade die Regionalwahlen der letzten fünf oder zehn Jahre haben sehr eindrucksvoll gezeigt, daß die Bundespolitik in nur sehr bescheidenem Maße für Erfolg oder Mißerfolg auf lokaler Ebene verantwortlich gemacht werden kann.

Für die Zukunft mag das bedeuten, daß auf Landesebene weiterhin die mit dem Ländeshauptmann-Bonus versehene Partei bei klarem Startvorteil auf den Wahlsieg rechnen darf. So auch im Burgenland.

Das Burgenland kann zwar insofern als Ausnahme hervorgehoben werden, als es in Österreich überhaupt das einzige Bundesland ist, in dem sich seit Kriegsende ein politischer Machtwechsel vollzogen hat: Das waT 1964, als Landeshauptmann Josef Lentsch einige Wochen vor der Wahl schwer erkrankte und nicht zuletzt deswegen sein sozialistischer Gegenspieler Hans Bögl das Rennen machte. Theodor Kery, der schon 1968 Bögl nachfolgte, ist es schließlich gelungen, die fast zufällig errungene Mehrheit im Lande zu einer soliden Bastion auszubauen.

Unter Kery wuchs die SPÖ im Burgenland von 48,2 auf 50,5 Prozent. Die ÖVP nahm von 47,3 auf 45,9 Prozent ab.

Wenn im September selbst Spitzenfunktionäre der Volkspartei im Burgenland eher halbherzig auf Stimmensuche gehen werden, so hat das mehrere Ursachen: Kery, der auch schon als Präsidentschaftskandidat der SPÖ „gespielt” worden ist, hat das Heft in der Hand; seine recht offensive Personalpolitik - etwa im Schulbereich - ist nur wenigen Landesbürgern ein Geheimnis. Zudem ist Franz Soronics nun einmal mit dem Image des Verlierers behaftet. Seine Spitzenkandidatur ist zwar in der derzeitigen Phase nicht im geringsten angefochten, doch zweifelt niemand daran, daß der für November geplante Landesparteitag wieder einmal ein Ort innerparteilicher Nabelbeschau wird. Möglicherweise wird es auch zu einer Neuwahl kommen.

Nach Buseks Sprung an die Wiener Spitze, nach der Weichenstellung für das Bacher-Erbe in Kärnten, wird im Herbst wohl das burgenländische Sorgenkind zur Diskussion stehen. Es ist zwar klar, daß Soronics nicht zum Alleinschuldigen für fehlende ÖVP- Erfolge gestempelt werden kann, doch kommt eine Partei in manchen Fällen um den Wechsel an der Spitze einfach nicht herum.

Daß Kery als großer Sieger aussteigen wird, ist auch deshalb keine Frage, weil die SPÖ mit der FPÖ gemeinsam eine neue Verfassung und Wahlordnung durchgeboxt hat: Die Mandatszahl wird von 32 auf 36 aufgestockt (derzeit: 16 SPÖ : 15 ÖPV : 1 FPÖ). Möglicherweise bekommen SPÖ und ÖVP je zwei der vier zusätzlichen Sitze, sollte aber der seit der letzten Wahl nur mit wenigen Stimmen abgesicherte FPÖ-Mann Richard Rezar - was sehr leicht möglich ist - durchfallen, könnte Kery auch davon profitieren.

Übrigens: Sehr „demokratisch” ist die neue Verfassung insofern,—als in Hinkunft jene Partei, die über mehr Stimmen verfügt, auch die Mehrheit in der Landesregierung bekommt. Lautete das Verhältnis bisher 3 : 3, werden nach der nächsten Wahl vier Regierungssitze der SPÖ und zwei der ÖVP „gehören” - und das bei nur geringfügigen Stimmendifferenzen.

Hoffen darf die Volkspartei hingegen bei der anlaufenden Gemeindewahlrunde in Salzburg, Innsbruck, Graz und Wien, aber auch bei den nur drei Wochen nach den Landtagswahlen stattfindenden burgenländischen Gemeinderatswahlen: Die kommunale Erhebung der Volkspartei in den letzten Monaten und Jahren war keine Eintagsfliege.

Der Grund dafür dürfte in der historischen Entwicklung der ÖVP zu suchensein: Bis 1970 war die Volkspartei mehr oder minder „Staatspartei”, die die Hauptverantwortung im Staate Österreich auf sich nahm, dabei auch sehr erfolgreich war, die aber die Kommunalpolitik zu den „minderwertigen” politischen Spielarten rechnete, sie für eine Art Gehschule lernfähiger Jung-Politiker hielt.

Das hat sich grundlegend geändert: Die ÖVP hat ihre theoretischen und praktischen Anstrengungen auf kommunalem Gebiet in dem Maße vervielfacht, in dem sie auf Bundesebene durch mißglückte Wahlgänge an Einfluß verlor.

Gesagtes gilt weniger für Innsbruck, wo die ÖVP mit Alois Lugger einen guten Mann der alten Schule an der Spitze hat, eher aber für Salzburg, wo die regierende SPÖ bei den letzten Wahlen 5,4 Prozent an ÖVP und FPÖ abgeben mußte. In Graz hat die SPÖ zuletzt gleich acht Prozent verloren: Hier haben Franz Hasiba (ÖVP) und Alexander Götz (FPÖ) alle Chancen, ihren Erfolg von 1973 zu wiederholen. Und ein Erhard Busek dürfte erst recht seine politischen Erfolge noch vor sich haben.

Die auf Bundesebene hin und wieder totgesagte Volkspartei hat alle Chancen, wertvolle Kraft aus ihrer kommunalpolitischen Arbeit zu schöpfen; mehr noch als bisher. Schließlich wäre dies besser, als sich der Schlange Kreisky gegenüber mit der Rolle des Kaninchens zufriedenzugeben.

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