6885108-1979_24_05.jpg
Digital In Arbeit

Was der VP nottut

Werbung
Werbung
Werbung

Die ÖVP braucht in der jetzigen Situation mehr denn je geistige Unruhe. Unsere Partei wäre daher nicht gut beraten, würde sie auf jene beschwichtigenden Machthaber hören, die eine öffentliche Diskussion der Probleme als gefährlich und parteischädigend hinstellen möchten. Die wichtigste Maßnahme muß daher die ständige Ideologiediskussion sein.

Ideologiediskussion: Das Salzburger Programm der ÖVP von 1972 ist ausgezeichnet und bedarf keiner Renovierung, doch die Verantwortlichen verwenden dieses Instrument zu wenig als Werkzeug bei der Alltagsarbeit. Die ÖVP muß lernen, ihre Grundsätze in der Alltagssprache des „kleinen Mannes“ zu verkünden.

Organisationsreform: Man sollte von den beiden denkbaren Extremlösungen, nämlich der Fortentwicklung der „Bünde“ zu selbständigen Parteien oder ihrer völligen Auflösung, Abstand nehmen. Die Teilorganisationen sollen vielmehr zwecks Wahrnehmung partikulärer wirtschaftlicher Aufgaben beibehalten werden, haben aber überall den Vorrang der Gesamtpartei zu akzeptieren.

Dies müßte zunächst zu einem Umtausch der Mitgliedsbücher führen: Jene Mitglieder einer Teilorganisation, die Mitglied der ÖVP sein wollen, bekommen ein neues Mitgliedsbuch von der Partei direkt. Wer darüber hinaus noch Mitglied einer Teilorganisation sein will, muß dies gesondert erklären (und wahrscheinlich auch bezahlen).

Seit 1972, der Einführung der Direktmitgliedschaft zur ÖVP, ist die Zahl der Direktmitglieder wohl ständig gewachsen, doch ist sie im Vergleich zu den etablierten Teilorganisationen noch immer gering: wohl auch deshalb, weil die Direktmitglieder derzeit kaum eine organisatorische Plattform für eine Willensbildung haben.

Im Bereich der Interessensvertre-tungen (Kammern) sollen die Teilorganisationen unter Voranstellung des Markenzeichens „ÖVP“ kandidieren, in den unteren Parteiebenen, bis hinauf in 'die Bezirke sollen sie aber keine Organe unterhalten. Die Statutenreform muß außerdem dazu führen, daß in Zukunft sämtliche Organe der Partei (Vorstand, Leitung usw.) vom Parteitag auf Bundes-, Landes- und Bezirksebene direkt gewählt und nicht von den Teilorganisationen beschickt werden.

Kandidatenstellenplan: Die üblichen Stellenpläne der altetablierten Bünde, meist zugunsten des Wirtschafts- oder des Bauernbundes und völlig ohne Zuordnung von Kandidatenstellen für die jüngeren Teilorganisationen (Jugend, Frauen und Senioren), müssen verschwinden. In

Zukunft sollen nur- die tüchtigsten und beliebtesten Mitglieder der Partei erkoren werden - egal, welcher Berufsgruppe sie angehören.

Arbeitsgemeinschaften im Parlament: Im Parlamentsklub der ÖVP gibt es Arbeitsgemeinschaften des ÖAAB, des Bauern- und des Wirtschaftsbundes. Sie beraten getrennt die Tagesordnungspunkte der Plenarsitzungen, die anschließend im „großen Klub“ nochmals behandelt werden. Damit werden oft unnütz Zeit und Energie verschwendet. Noch viel schlimmer ist die psychologische Barriere, die damit zwischen den einzelnen Gruppen errichtet wird.

Derzeit sind die drei Vorsitzenden der Arbeitsgemeinschaften automatisch Stellvertreter des Klubobmannes. In Hinkunft sollten die Stellvertreter ohne Rücksichtnahme auf berufsständische Zugehörigkeit gewählt und die Arbeitsgemeinschaften aufgelöst werden.

Unvereinbarkeit: Zur Zeit gibt es schon fast eine „Präsidentenflut“ im Parlament: bei den Sozialisten die Gewerkschafts- und Arbeiterkammerpräsidenten, bei der ÖVP vorwiegend Präsidenten aus dem Bereich der Wirtschaft. Sie stehen in Ausschüssen und Unterausschüssen nur sehr beschränkt oder überhaupt nicht zur Verfügung.

Als Spitzenfunktionäre der Wirtschaft vertreten sie in den Massenmedien meist (wahrscheinlich zu Recht) den Standpunkt ihrer Kammer, der sich aber nicht immer mit der Auffassung der ÖVP decken muß. Aus diesem Grund sollten die Präsidenten von Bundeskammern, Landeskammern und die zugehörigen Generalsekretäre kein politisches Mandat übernehmen. .

Finanzierung: Primär ist die Finanzhoheit der Partei über die Mitgliedsbeiträge herzustellen. Darüber hinaus müssen auch die Finanzquellen der Bünde von der Partei koordiniert werden.

Kommunikation/Presse: Alle Bundesländer sollten mit einer länderweise mutierten parteieigenen Tageszeitung angesprochen werden. Diese soll gleichzeitig eine einheitliche politische Berichterstattung von Wien aus gewährleisten. An die Stelle des aufwendigen „Plus“ mit zuviel Hofberichterstattung sollte eine in der Aufmachung billigere Mitglieder-Monatszeitung treten.

Volkstümlichkeit: Die Mandatare und Funktionäre müssen in ihrem Verhalten dem Namen „Volks“-Par-tei gerecht werden. Sie müssen einfach reden und auch zuhören lernen. Schließlich wollen die Menschen auch emotional angesprochen werden. Gefühl und Herz wird man nur gewinnen, Wenn man aufrichtig, ehrlich und glaubwürdig ist.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung