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Was die Frauen wollen

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Sie wollen werden wie die Männer. Das ist die schlimmste — wenngleich auch falsche — Befürchtung vieler Männer und ihrer treuesten Dienerinnen gegenüber den so verabscheuten und gefürchteten Feministinnen. Kleinwinzige Emanzipationsbemühungen sind für viele die ersten untrügerischen Zeichen für beginnenden Bartwuchs auch bei den Frauen.

Fürchten sie die Umkehrung der Herrschaftsverhältnisse? Oder den Verlust der eigenen Macht? Fürchten sie den Zusammenbruch der christlich-abendländischen Ordnung? Oder haben sie Angst vor sich selbst?

Brauchen richtige Männer richtige Frauen, als zweite, als bessere Hälfte, um richtig funktionieren zu können in der von ihnen gemachten Welt? Und was richtig ist, wissen nur sie?

Bis die Feministinnen auftraten, schien der Auftrag für die Geschlechter sowie die Verteilung der Rollen klar zu sein: Der Mann regiert die Welt, er macht die Geschichte und lenkt die Geschicke der Erde. Bei ihm sind Verstand und Wille und Macht. Die Frau dient ihm in emotionaler Ergebenheit. Sie baut den privaten Raum, in dem allein Wärme, Liebe und Geborgenheit herrschen. Hier gibt ės keine Konkurrenz und keinen Leistungsdruck. Hier kann der Mensch (Mann) sich für den harten Kampf in der brutalen Wirklichkeit regenerieren.

Seit Urzeiten gilt dieses Muster. Das Christentum hat seinen Anteil daran bereits mit der patriarchalischen Interpretation der Sündenfallgeschichte geleistet. „Und doch steht dein Begehren nach deinem Manne, er aber wird herrschen über dich.“ Dieses Strafwort, das als Beschreibung des sündigen Zustandes zu verstehen ist, hat seine Wirkungsgeschichte quasi als Gebrauchsanweisung der Männer für die Frauen bis auf den heutigen Tag. Beispiele gäbe es genug.

Der Rollendruck belastet Männer und Frauen gleichermaßen, aber auf unterschiedliche Art. Es gibt Ärzte und Psychologen, die längst schon wissen, daß die nach außen demonstrierte Stärke vieler Männer innerlich nicht mehr vorhanden ist. Das macht sie krank. Wie verhängnisvoll die Spaltung in einen rationalen (sprich: männlichen) und einen emotionalen (sprich: weiblichen) Teil und die gleichzeitige Privatisierung und Abwertung des Weiblichen war, zeigt unsere gesellschaftliche Wirklichkeit für jeden, der Augen hat.

Rüstungswahn, Umweltzerstörung und die fortschreitende Entmenschlichung unserer Zivilisation sind auf der politischen Ebene die Auswirkungen des „Männlichkeitswahns“. Selbst in Teilbereichen, wenn es etwa um die Humanisierung der Arbeitswelt oder des Wohnbaus geht, fällt das einfache menschliche Bedürfnis, sich wohler zu fühlen, meist wirtschaftlichen und technischen Gesichtspunkten zum Opfer. Diese stehen höher in der Hierarchie der Werte, zumindest aber sind sie, wenn’s drauf ankommt, Sachzwänge, denen sich die Menschlichkeit noch allemal unterzuordnen hat.

Feministinnen wollen nicht werden wie die Männer. Das sollte deutlich genug gesagt sein. Sie wollen vielmehr eine Beteiligung der unterdrückten Hälfte der Menschheit am Weltgeschehen. Nicht um der Macht willen, aber weil die Welt heute alle Kräfte braucht. Mit einer bloßen Aufwertung der durch Jahrhunderte ins Abseits und in den Privatbereich gedrängten „weiblichen“ Werte ist es allerdings nicht getan. Ein solcher Versuch ist schon in der Romantik gescheitert.

Es geht um einen Austauschprozeß: „Weibliche Sensibilität“ ist auch etwas für Männer, genauso wie Frauen sich „männlichen Rationalismus“ aneignen müssen.

Die Verfasserin ist Redakteurin der „Linzer Kirchenzeitung 4.

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