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Was erwartet sich Makarios von den Wiener Verhandlungen?

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In Zyperns zweigeteilter Hauptstadt Nikosia amtiert Präsident Makarios längst nicht mehr in dem neugotischen Hügelschlößchen, das er 1960 als Erbe des britischen Gouverneurs übernommen und nur um eine orthodoxe Hauskapelle erweitert hat. Beim Juli-Putsch des Jahres 1974 ist diese Residenz durch Granaten der zypriotischen Handlanger von Griechenlands damaliger Militärjunta in Trümmer geschossen worden. Seit seiner triumphalen Rückkehr findet man den Erzbischof-Präsidenten in einem nüchternen Bürohaus am südlichen Stadtrand. In dem Komplex sind jetzt auch die meisten anderen Behörden untergebracht, die früher über den weiten Park des alten Palais verstreut waren.

Hier arbeitet Makarios, nahezu den ganzen Tag und die halbe Nacht, an seinem Haupt- und Herzensanliegen: an der Lösung des Zypemproblems. Nachdem Aufruhr und Abkapselung der zypemtürkischen Stadtviertel und Dörfer schon seit 1963 die Lage auf den schönen Insel der Aphrodite verunsichert hatten, ist mit der türkischen Invasion vor drei Jahren, mit der Besetzung des ganzen Nordens der Insel und mit der Austreibung von rund 300.000 griechischen, armenischen und maronitischen Christen ein untragbarer Zustand geschaffen worden.

Die Zyperntürken wollten ihn allerdings in ihrem Sinne als „vollendete Tatsache“ gewertet wissen. Unter dem Führer der Minderheit, Raouf Denk- tasch, ist eine „Türkische Bundesrepublik Zypern“ in der Nordhälfte der Insel ausgerufen worden.

Man darf es Makarios glauben, wenn er jetzt mit bitterer Entschlossenheit davon spricht, bei seiner Februar-Begegnung mit Denktasch „bis an die äußerste Grenze der nur möglichen Zugeständnisse“ gegangen zu sein. Der Staats- und Kirchenchef, Jahrgang 1913, stammt aus einer Bergbau- emfamilie im südzypriotischen Troo- dos. Das Mitgefühl mit den von Haus und Hof gejagten Familien aus der türkischen Besatzungszone steht dem Realpolitiker im Bischofskleid ins Gesicht geschrieben.

Makarios ist heute bereit, den Zyemtürken, einem Fünftel der Gesamtbevölkerung, viel mehr zu geben, als er ihnen bei der bisher grundlegenden Verhandlungsrunde von 1968/69 in Aussicht gestellt hat: Nicht länger proportionale Vertretung in allen Behörden und Ämtern sowie die Einrichtung autonomer „Kantone“ für die türkischen Siedlungsgebiete, sondern einen eigenen Teilstaat. Dieser wird zusammen mit dem zypemgrie- chischen Teilstaat die neue „Bundesrepublik Zypern“ bilden.

Präsident Makarios ist dafür bekannt, daß er auch in den schlimmsten Situationen seinen Humor nicht zu verlieren pflegt. Als er während des zypriotischen Freiheitskampfes gegen die Briten im März 1956 nach den Seychellen verbannt wurde, war sein einziger Kommentar dazu: „Hier kann ich endlich einmal das Schwimmen lernen.“ So auch jetzt, wenn der Erzbischof scherzhaft meint, an Stelle einer „schweizerischen“ Lösung mit Kantonen werde Zypern nun eben eine „bundesdeutsche“ oder „österreichische“ als Staat, bestehend aus zwei Bundesländern, erhalten. Das nun zur Wiedervereinigung und Befriedung der Insel angestrebte Konzept erinnere aber vor allem an den Dualismus des österreichisch-ungarischen „Ausgleichs“ von 1867. Und mit einem noch tieferen Schmunzeln hinter seinem orthodoxen Klerusbart fügt Makarios hinzu, daß die Ungarn und die Türken ja schließlich „zentralasiatische Verwandte“ seien.

Von den Wiener Verhandlungen erwartet Makarios sich die Bestätigung und Ausarbeitung der Grundsätze, über die er sich schon in Nikosia mit Denktasch geeinigt hat. Auf keinen Fall könnten die Zypemgriechen von ihren drei wesentlichen Forderungen abrücken. Diese betreffen zunächst einmal den Abzug der türkischen Besatzungstruppen. Mit der Formel „Abzug aller’fremden Streitkräfte“ seien aber langfristig auch die Engländer gemeint, die zur Zeit noch zwei große Stützpunkte an der Südküste besitzen. Als zweiter Schritt muß dann die Rückkehr der Flüchtlinge aus dem Norden in ihre Heimat gewährleistet werden. Und drittens hat zwischen den beiden künftigen zypriotischen Bundesländern völlige Freizügigkeit der Bewegung, Niederlassung und Arbeitsaufnahme zu herrschen.

Gerade von dieser letzten Grundbedingung erhofft sich Makarios die langsame Wiederherstellung des demographischen Gleichgewichtes zwischen den Nationalitäten der Insel. Zur Zeit sind alle Zypemgriechen mit den anderen christlichen Gruppen im Süden zusammengepfercht Die weite Nordhälfte bewohnen die wenigen Zehntausend ansässiger Türken samt den 1975 auf Wunsch der Türkei, und nicht etwa Nikosias, dorthin umgesiedelten türkischen Bürgern von Pa- phos, Limassol und Lamaka. Diese sehnen sich ebenso nach ihren osma- nischen Vierteln im Süden zurück wie die griechischen Flüchtlinge nach ihren öl- und Orangenhainen im Norden.

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