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Was führt der ÖGB im Schilde?

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Vom 10. bis 15. September tagt in Wien der 9. Bundeskongreß des ÖGB. Paritätische Mitbestimmung sowie Lohn-und Steuerpolitik stehen im Vordergrund. Daß Notenbank-General Heinz Kienzl einen „Atomschlag“ in Vorbereitung hat, wird für eher unwahrscheinlich gehalten. Zur Bil-dungs-, Sozial- und Wirtschaftspolitik hat der ÖGB den Kongreß „begleitende Papiere“ vorbereitet, die nicht beschlossen werden sollen. Die Fraktion Christlicher Gewerkschafter (FCG) hat zu denselben Themen Konzepte für ihren Bundestag (8. und 9. September) ausgearbeitet. Nach diesen drei Sachbereichen wird die FURCHE auch noch über die Anträge an ÖGB-Kongreß und FCG-Bundestag berichten.

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Vom 10. bis 15. September tagt in Wien der 9. Bundeskongreß des ÖGB. Paritätische Mitbestimmung sowie Lohn-und Steuerpolitik stehen im Vordergrund. Daß Notenbank-General Heinz Kienzl einen „Atomschlag“ in Vorbereitung hat, wird für eher unwahrscheinlich gehalten. Zur Bil-dungs-, Sozial- und Wirtschaftspolitik hat der ÖGB den Kongreß „begleitende Papiere“ vorbereitet, die nicht beschlossen werden sollen. Die Fraktion Christlicher Gewerkschafter (FCG) hat zu denselben Themen Konzepte für ihren Bundestag (8. und 9. September) ausgearbeitet. Nach diesen drei Sachbereichen wird die FURCHE auch noch über die Anträge an ÖGB-Kongreß und FCG-Bundestag berichten.

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Bildungspolitik: Erwartungsgemäß traten in diesem Ausschuß die gravierendsten gesellschaftspolitischen Auffassungsunterschiede zu Tage. Geht es hier doch um weltanschauliche Reizthemen wie etwa die Gesamtschule. Im ursprünglichen Konzept des ÖGB wurden als Anliegen der Gewerkschaft die „gemeinsame Schule aller 10- bis 14jährigen“ (Gesamtschule) sowie „die Einführung und der Ausbau der Ganztagsschule“ apodiktisch verlangt.

Den Einwendungen der christlichen Gewerkschafter soll in der Endformulierung Rechnung getragen werden: Demnach soll nur ein grundsätzliches Bekenntnis zur Gesamtschule enthalten sein, außerdem wird eine Fortsetzung der Schulversuche auf diesem Gebiet befürwortet. Damit ist es den Gwerkschaftern der christlichen Fraktion doch gelungen, diesem Papier einen aus ihrer Sicht giftigen Zahn zu ziehen.

In der allgemeinen Diktion sind die unterschiedlichen Akzente von FCG und sozialistischer Fraktion im ÖGB nicht zu übersehen: Die Fraktion christlicher Gewerkschafter legt besonderen Wert auf die vorrangige Stellung- der Familie auch in der Bil-' dung, eine Schlüsselfunktion kommt den Begriffen wie Leistung und Verantwortung zu. In den Formulierungen des von sozialistischen Gewerkschaftern formulierten ÖGB-Papiers wird nachdrücklich auf den Zusammenhang von Bildungspolitik und Gewerkschaftsbewegung verwiesen: Bildungsarbeit müsse „zum Vorteil der Gewerkschaftsbewegung wirksam“ werden.

Was die Funktion der Familie betrifft, kommen die sozialistischen Gewerkschafter allerdings teilweise zur ähnlichen Einstellung wie die FCG. Der Wert der Familie wird durchaus nicht gering geschätzt. Im Gegensatz zur Argumentation der christlichen Gewerkschafter scheint dies jedoch darauf zurückzuführen zu sein, daß die Familie aus Gründen der Erreichung gewisser ökonomischer Grenzen (Finanzierbarkeit) neues Leben eingehaucht bekommen soll.

Die Bildungsfreistellung ist ein allgemein akzeptierter Forderungspunkt; die christlichen Gewerkschafter fordern Bildungsfreistellung für alle Arbeitnehmer, die Sozialisten im ÖGB wollen vorerst nur Gewerkschaftsfunktionäre (Betriebsräte und Jugendvertrauensräte) von dieser Einrichtung profitieren lassen.

Im Gegensatz zur FCG sieht die sozialistische Fraktion im ÖGB alle Bildurigsanstrengungen als Ausdruck der „dauernden und unausweichlichen Interessenkonflikte“ zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern an.

Wirtschaftspolitik: Das dem ÖGB-Bundeskongreß vorliegende Begleitpapier zur Wirtschaftspolitik enthält eine allgemeine Darstellung der wirtschaftlichen Entwicklung seit dem letzten Bundeskongreß (1975), Kapitel über Vollbeschäftigung durch gezieltes Wachstum bzw. durch mehr Stabilität sowie über eine gerechtere Einkommensverteilung, abschließend gibt es noch einen Teil „neue Wirtschaftsordnung“, der sich mit 3.-Welt-Problemen auseinandersetzt.

Erstaunlicherweise gab es in den Beratungen zu diesem Konzept keine nennenswerten grundsätzlichen Auseinandersetzungen zwischen sozialistischen und christlichen Gewerkschaftern, was teilweise auf die sehr allgemein gehaltenen Formulierungen weiter Passagen zurückzuführen sein dürfte. Wo es um die Schilderung der Entwicklung der letzten Jahre geht, ist das ÖGB-Wirtschaftspapier recht ausführlich. Nach der Kritik der FCG-Vertreter, die weniger schönen Zahlen über Budget- und Staatsschuldenentwicklung seien unerwähnt geblieben, haben die sozialistischen Gewerkschafter nun zugesagt, im endgültigen Papier diese Zahlen auch zu nennen.

Konzessionsbereit zeigten sich die Sozialisten auch in den Formulierungen zur Vermögensbildung: Ursprünglich war nur von einem „zentralen Fonds“ die Rede, jetzt kommt aber auf Wunsch der christlichen Gewerkschafter die Formulierung vom letzten Bundeskongreß in fast unveränderter Form wieder hinein. Demnach soll es in der Vermögensbildung ohne Wertung verschiedene Varianten geben.

Weniger konsenswillig zeigten sich die Sozialisten freilich in ordnungspolitischer Hinsicht. Die ständigen Angriffe auf das marktwirtschaftliche System werden den einen oder anderen FCGler dazu zwingen, sich in der Diskussion vor dem Bundeskongreß von diesen Passagen zu distanzieren.

Sozialpolitik: Besonderes Interesse wird den gewerkschaftlichen Aussagen zur Frage der weiteren „Verkürzung der Arbeitszeit“ entgegengebracht. Vom ÖGB wird eine weitere Verkürzung der Arbeitszeit als Beitrag zur Humanisierung der Arbeitswelt bezeichnet, die Arbeitszeitverkürzung müsse aber auf wirtschaftliche, soziale und beschäftigungspolitische Überlegungen Rücksicht nehmen^Der Verkürzung der Jahresarbeitszeit (Urlaubsverlängerung oder Bildungsfreistellung) und der Lebensarbeitszeit (Herabsetzung des Pensionsalters) wird Vorrang gegeben. Auf längere Sicht sei aber auch eine Verkürzung der Wochen- und Tagesarbeitszeit anzustreben.

Im Konzept der FCG nehmen die diesbezüglichen Wünsche schon klarere Konturen an: „... darf auf die Forderung nach Bildungsfreistellung für alle Arbeitnehmer, auf einen zusätzlichen Urlaub für Schichtarbeiter und Arbeiter unter Tag, auf mehr Urlaub für ältere Arbeitnehmer nicht vergessen werden.“

Das ÖGB-Papier erklärt aucH die klassische soziale Frage angesichts der „neuen sozialen Frage“ für noch nicht gelöst, soziale Grundrechte, darunter das Recht auf Arbeit, sollen in die Verfassung eingebaut werden, paritätische Mitbestimmung,

Gleichberechtigung der Frauen sowie Humanisierung der Arbeitswelt sind auch von der christlichen Fraktion allgemein akzeptierte Punkte. Die christliche Fraktion hat darüber hinaus eine Ablehnung der Leiharbeit und ein Nein zu einem Uberstundensystem, das am Rücken der Arbeitslosigkeit ausgetragen wird, in das'ÖGB-Konzept eingebracht.

Im Gegensatz zum ÖGB setzt sich die christliche Fraktion auch ausdrücklich für mehr Teilzeitarbeitsplätze und bessere Förderung der Familien (gestaffelte Familienbeihilfen nach Alter und Zahl der Kinder, Erziehungsbeihilfe bis zum 3. Lebensjahr des Kindes usw.) ein.

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