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Was hat Haider gegen Deutschsprechende?

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Wenn viele Ausländerkinder in einer Klasse sind, leidet darunter der Unterrichtserfolg österreichischer Schüler. Diese Schlußfolgerung steht hinter der FPÖ-For-derung, den Anteil von Ausländerkindern pro Klasse in den Pflichtschulen auf maximal 30 Prozent zu drücken. Das löst nur kein einziges Problem.

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Wenn viele Ausländerkinder in einer Klasse sind, leidet darunter der Unterrichtserfolg österreichischer Schüler. Diese Schlußfolgerung steht hinter der FPÖ-For-derung, den Anteil von Ausländerkindern pro Klasse in den Pflichtschulen auf maximal 30 Prozent zu drücken. Das löst nur kein einziges Problem.

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24.763 der über 79.000 Kinder, die im heurigen Schuljahr Wiener Pflichtschulen besuchen, sind Ausländer: 31,11 Prozent im Schnitt, allerdings über die Bundeshauptstadt höchst unterschiedlich verteilt. Während etwa die Bezirke Liesing und Donaustadt nur einen Ausländeranteil von neun beziehungsweise zehn Prozent aufweisen, sind Ausländerkinder in anderen Bezirken - Rudolfsheim-Fünfhaus 56 Prozent, Margareten 55 Prozent, Ottakring 54 Prozent - in der Mehrheit. Das ist unmittelbare Folge der schlechten, aber „billigen" Wohnungen in diesen Bezirken.

„Sündenböcke" der Schulkrise

Allerdings - und das ist der falsche Ansatz dieser FPÖ-Forderung beim Anti-Ausländer-Begehren - sagt die Staatsbürgerschaft überhaupt nichts über die Deutschkenntnisse aus (siehe Graphik). Auf die aber kommt es an, wenn es auch Eltern um schulischen Erfolg geht.

□ Der Ausländeranteil liegt in den öffentlichen Volksschulen Wiens bei 27 Prozent, aber 88 Prozent aller Volksschüler sprechen problemlos Deutsch. Sechs von zehn ausländischen Volksschülern beherrschen also ihre zweite Muttersprache.

□ In den Wiener Hauptschulen ist der Ausländeranteil sogar höher, nämlich 38 Prozent. Aber sieben von zehn Ausländerkindern beherrschen - groß-

teils sogar sehr gut - die deutsche Sprache. Was hat Haider gegen Deutschsprechende?

Der höhere Ausländeranteil in den öffentlichen Häuptschulen Wiens hat außerdem sehr viel mit der Krise der Hauptschule - ein Problem in Ballungsräumen insgesamt - und relativ wenig mit Ausländerkindern zu tun. Während österreichische Eltern ihre Kinder, um dem Hauptschul-System der Leistungsgruppen auszuweichen, ohne Rücksicht auf Begabung in die Unterstufe einer Allgemeinbildenden höheren Schule stecken (60 Prozent der Wiener Volksschüler), fehlt den Eltern ausländischer Kinder ebenso diese System-Kenntnis wie vergleichbares Prestigedenken.

In Gesprächen mit Wiener Hauptschullehrern-eine ähnliche Meinung erfährt man aber auch in Vorarlberg, wo es nach der Bundeshauptstadt mit 18,8 Prozentden zweithöchsten Ausländeranteil bei Schülern gibt - bekommt man das Vorurteil, daß Ausländerkinder österreichische Schüler am Unterrichtserfolg hindern könnten, gleich widerlegt: Sehr viele Hauptschüler mit ausländischer Staatsbürgerschaft zählen für sie vielmehr längst „zu den Spitzenleistern, die problemlos ins Gymnasium gehen könnten". Somit berechtigt in der ersten Leistungsgruppe. Daß Eltern österreichischer Kinder, die keinen vergleichbaren Schulerfolg erzielen, auch die „Konkurrenz" der ausländischen Mitschüler im späteren Leben als Bedrohung vorausahnen, ist damit zumindest erklärbar.

Der Großteil der Elternschaft denkt da - und die Schüler sehen das ebenso fast deckungsgleich -, wie eine neue

Studie des Unterrichtsministeriums zeigt, durchaus realistisch: 74 Prozent sehen durch ausländische Kinder in den Klassen keine Auswirkungen auf den Schulerfolg ihrer Kinder, 14 Prozent sprechen sogar von einem positiven Einfluß. Sieben Prozent haben freilich Bedenken. Kühl kalkuliert: das sind wenigstens 400.000 Wahlberechtigte-nochohne dieOma und den Onkel.

Eine Plafond-Regelung, wie sie ein Anti-Ausländer-Begehren der FPÖ festschreiben will, wird jedoch weder die Hauptschule aus ihrer bildungspolitischen Krise führen noch österreichischen Schülern deswegen zu besseren Schulerfolgen verhelfen.

Das Beispiel Schule zeigt: Es geht gegen Ausländer. Auch wenn sie Jörg Haider am Telefon gar nicht mehr von Inländern unterscheiden könnte.

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