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Was hilft gegen den Stau am Bau?

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Immer neue Rekordhöhen erreicht die Zahl der arbeitslosen Bauarbeiter. Schuld ist nicht nur die sinkende Nachfrage nach Bauleistung. Auch anderes hat sich geändert.

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Immer neue Rekordhöhen erreicht die Zahl der arbeitslosen Bauarbeiter. Schuld ist nicht nur die sinkende Nachfrage nach Bauleistung. Auch anderes hat sich geändert.

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Das Problem der Arbeitslosigkeit gab es in den ersten zehn Jahren nach Kriegsende auch. Die wichtigste Ursache dafür lag in den außerordentlich beschränkten Möglichkeiten der unmittelbaren Nachkriegszeit, die Voraussetzungen für eine Vollbeschäftigung zu schaffen, denn es mangelte praktisch fast an allem, was dazu notwendig gewesen wäre. Die Situation verschärfte sich mit der Heimkehr der Kriegsgefangenen, die den Arbeitsmarkt überschwemmten. Der Höhepunkt der Arbeitslosigkeit war im Jänner 1953 erreicht, als man 304.000 gemeldete Arbeitslose zählte.

Zu diesem Zeitpunkt gab es jedoch einen Ausweg: Es war die damals durch den Wohnhaus-Wiederaufbau-Fonds und . den Straßenbau stark in Aufschwung gekommene Bauwirtschaft — ein Aufschwung, der durch den Be-Schluß der Aufnahme des Autobahnbaues noch besonders verstärkt wurde.

Es ist nicht uninteressant, die arbeitsmarktpolitische Dimension in Erinnerung zu rufen, die gewissermaßen die Initialzündung für den Autobahnbau wurde. Bei einer Diskussion in ÖVP-Kreisen über die Arbeitslosigkeit wurde der Vorschlag, den Autobahnbau aufzunehmen, in erster Linie aus arbeitsmarktpolitischen und erst in zweiter Linie aus verkehrspolitischen Gründen gemacht. Das war im übrigen ein Parallelfall zum etwa 20 Jahre zurückliegenden Beschluß, die Großglockner-Hochalpenstraße und die Wiener Höhenstraße zu bauen. Auch dieser Beschluß wurde damals in erster Linie zum Zwecke der Arbeitsplatzbeschaffung und nicht des Verkehrs (Fremdenverkehrs) gefaßt.

Es ist nun im Vergleich zur heutigen Situation interessant, wie diese Baumaßnahmen finanziert wurden. Das Wohnhaus-Wiederaufbau-Fonds-Gesetz war ein Kreditgesetz: Der Bund räumte einen 100jährigen zinsenlosen Kredit ein; später wurden die Laufzeit verkürzt und Zinsen verlangt. Das Wesentliche an dieser Konstruktion bestand aber darin, daß Budgetmittel nur als Kredit in Anspruch genommen wurden und daher die Budgetsituation weiter nicht belastet wurde. Eine echte Budgetbelastung stellte und stellt der Bundeshochbau dar; hier ist der Bund der Eigentümer, der für die notwendigen Bauten aus eigenen Mitteln aufkommen muß.

Wieder anders war es beim Straßenbau. Damals waren alle Mineralölprodukte mit einem 20prozentigen Zuschlag, dem Mineralölsteuerzuschlag, belastet, und die daraus stammenden Geldmittel wurden zur Gänze dem Straßenbau zugeführt. Daß immer wieder Wünsche geäußert wurden, diesen Mineralölsteuerzuschlag zum Teil auch für andere

Budgetmittel zu verwenden, war zwar begreiflich, hatte aber lange Zeit keinen Erfolg.

Im Zusammenhang mit dem Problem der Arbeitsplatzbeschaffung darf auch nicht vergessen werden, daß der Straßenbau damals entsprechend dem zu dieser Zeit gültigen technischen Standard weit mehr Arbeitskräfte erforderte als heute.

Nun hat sich die Situation in dramatischer Weise geändert. Einerseits schlug die 1975 mit dem ersten Olpreisschock einsetzende weltweite Rezession natürlich auf Österreich zurück, und andererseits griff - aus welchen Gründen immer — eine kontinuierliche Budgetausweitung Platz, die schließlich zum gegenwärtigen Budgetdefizit wesentlich beitrug.

Für die Verringerung der Arbeitslosigkeit stehen nun auf dem Sektor des öffentlichen Bauwesens ungleich weniger Mittel als früher zur Verfügung — eine Situation, die durch die relativ und absolut steigenden Baukosten noch verschärft wird.

Dazu kommt noch etwas: In allen Sparten des öffentlichen Bauwesens — Straßen und Autobahnen sowie Bundesgebäude — ist der Bedarf zurückgegangen. So hat Österreich, auf den Kopf der Bevölkerung gerechnet, zum Beispiel das drittgrößte (nach Holland und Belgien) Autobahnnetz in Europa. Aber auch am Sektor der Bundesstraßen ist bereits so viel geschehen, daß die relative Quantität des natürlich noch immer Notwendigen ungleich kleiner ist als in den fünfziger Jahren.

Es darf auch nicht vergessen werden, daß die Umweltproblematik von heute bauhindernden Charakter hat. Besonders deutlich sieht man das etwa beim Kraftwerksbau; aber auch der Straßenbau ist davon betroffen. Man muß sich nur daran erinnern, wie seinerzeit etwa alle Gemeinden darauf erpicht waren, Ortsumfahrungen zu bekommen. Heute gibt es kaum mehr ein solches Projekt, das nicht zumindest auf den Widerstand der Bauern stößt.

Sicherlich ist noch ein bedeutendes Volumen an Autobahn-und Straßenbau gegeben. Aber seine Erfüllung wird weit weniger Arbeitsplätze schaffen können, als das ehedem der Fall gewesen ist.

Der Autor war von 1966 bis 1968 Vizekanzler und Bundesminister für Handel und Wiederaufbau und ist heute Vorsitzender des Aufsichtsrates der CA-BV.

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