7075340-1993_16_06.jpg
Digital In Arbeit

Was ist das Überlebender AUA wert?

19451960198020002020

Nach massiven Protesten der Belegschaft und auf Drängen der Politiker wurden die Pläne einer Fusion der Austrian Airlines mit KLM, SAS und Swissair wieder in Frage gestellt. Die AUA dürfen ihre Selbständigkeit nicht verlieren, wird jetzt gefordert. Sollen wir uns das wirklich leisten?

19451960198020002020

Nach massiven Protesten der Belegschaft und auf Drängen der Politiker wurden die Pläne einer Fusion der Austrian Airlines mit KLM, SAS und Swissair wieder in Frage gestellt. Die AUA dürfen ihre Selbständigkeit nicht verlieren, wird jetzt gefordert. Sollen wir uns das wirklich leisten?

Werbung
Werbung
Werbung

Aus den Konkurrenten von gestern sollten enge Partner für morgen werden. Worüberin den Vorstandsetagen der AUA jahrelang nicht einmal laut nachgedacht werden durfte, das sollte demnächst Wirklichkeit werden: Weil den europäischen Luftlinien eine übermächtige asiatische und amerikanische Konkurrenz im Nacken sitzt, suchen auch die Austrian Airlines einen besseren Stand. Nämlich unter einem gemeinsamen Dach mit der Schweizer Swissair, der niederländischen KLM und der skandinavischen SAS. Das Quartett will in Zukunft in einen gemeinsamenTopf wirtschaften, durch eine größtmögliche Zusammenarbeit Kosten und Personal einsparen, das Streckennetz besser auslasten und so in Europa als schlagkräftiger Mega-Carrier agieren. Den weitestgehenden Plänen zufolge hätte diese Zusammenarbeit 1997 in eine Fusion der vier gemündet, wodurch die Austrian Airlines ihre Eigenständigkeit verloren hätten.

Doch so schnell, wie sich das die Admirale der AUA vorgestellt haben, läuft die Sache nicht. Im Vorstand selbst herrscht Uneinigkeit, ein Teil der Besatzungsmitglieder protestierte lautstark gegen die Fusionspläne, und auch der Regierungschef als Vertreter des Mehrheitseigentümers Republik Österreich meldete auf einmal Bedenken an: „Ja" zur Zusammenarbeit mit anderen Fluglinien, „Nein" zur Fusionierung. Die nationale Eigenständigkeit dürfe nicht geopfert werden. Die rot-weiß-rote Schwanzflosse könne nicht so ohne weiteres im großen Topf einer großen Euro-Linie verschwinden. Die AUA müsse daher ihre Fusionspläne zurückschrauben und zumindest noch andere Kooperationsmöglichkeiten genau prüfen; eventuell mit Lufthansa, Lauda-Air und Tyrolean.

Das bemerkenswerteste Argument - auch deshalb, weil es vom Bundeskanzler persönlich vertreten wird - in dieser ganzen Diskussion lautet: Den Österreichern ist das Rot-Weiß-Rot der AUA ans Herz gewachsen, und deswegen müsse es erhalten bleiben. Ähnlich argumentierte Thomas Chorherr in der .Presse": Die nationale Fluggesellschaft sei den Österreichern nun einmal „lieb, wert und teuer" und darauf müsse man Rücksicht nehmen.

Was soll das heißen? Es kann wohl nur heißen: Der AUA-Vorstand darf seine Unternehmenspojitik nicht nur - wie der sprichwörtliche „ordentliche Kaufmann" - an betriebswirtschaftlichen Kriterien orientieren, also an schwarzen statt roten Bilanzzahlen. Er soll darüber hinaus noch anderen, nicht rein betriebswirtschaftlichen Zielen Rechnung tragen. Mit anderen Worten: Wieder einmal werden politische Gesichtspunkte geltend gemacht, die wichtiger sind als kaufmännische. Genau das hat aber jahrelang die Kritiker der „Politisierung der österreichischen Wirtschaft" von Peter M. Lingens bis zu Thomas Chorherr auf die Palme gebracht.

Natürlich gibt es diese Einflußnahme auch in anderen Bereichen. Die Österreichischen Bundesbahnen sollen nicht nur rentabel wirtschaften, sondern beispielsweise auch noch den Österreichern Anschlüsse an das Schienennetz bereitstellen, auch wenn sich das im Einzelfall nicht rentiert.

Und was geschieht in solchen Fällen? Das Unternehmen bekommt die nach betriebswirtschaftlichen Rentabilitätskriterien „unökonomischen", aber aus Gründen des Allgemeininteresses verlangten Mehrleistungen aus Mitteln der öffentlichen Hand vergütet.

In dieser Sichtweise wäre es ja nur logisch, wenn der AUA-Vorstand dem Bundeskanzler sagen würde: Nun gut, wir verzichten auf eine mögliche Fusion, weil die Nation die rot-weißroten Heckflossen auch in Zukunft am Himmel sehen will. Übernimmt die Republik also das betriebswirtschaftliche Risiko, das daraus entsteht, daß die AUA den Konkurrenzkampf aus einer Position der Schwäche weiterführen muß?

Der Bundeskanzler müßte sich die Antwort dann sorgsam überlegen. Sagt er nämlich, Ja", dann könnte es sein, daß auch andere, negativ bilanzierende Unternehmen kommen und sagen: Wir sind typisch österreichisch, wir repräsentieren ein echt rot-weiß-rotes Anliegen, wir haben ein typisch österreichisches Produkt, eines, auf das die Österreicher stolz sein können. Nun greift uns unter die Arme, bei der AUA habt ihr das auch getan.

Noch könnte man sogar auf diesem Instrument spielen. Noch sind wettbewerbsverzerrende Subventionen nur im Bereich industrieller und gewerblicher Güterproduktion EG-widrig (aufgrund des Freihandelsabkommens von 1972). Wenn es erst den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) oder gar die EG-Mitgliedschaft gibt, dann stellt sich die Sache vielleicht schon ganz anders dar.

Dann könnte es nämlich sein, daß rot-weiß-rot gesinnte Flugpassagiere die nationalen Leitflossen selbst finanzieren müssen. Dadurch nämlich, daß sie den „nationalen Symbolwert" in Gestalt teurer Tickets aufrechterhalten, also höhere Flugpreise als bei der Konkurrenz der Austrian Airlines bezahlen müssen.

Patriotismus ist gut und bequem. Aber darf er auch was kosten?

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung