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Was können Basisgruppen:

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FURCHE: Pater Bühlmann, was ist eine Basisgemeinde?

PATER WALBERT BUHLMANN: Es gibt viele konkrete Formen von Basisgemeinden, die einen verschiedenen geschichtlichen und geographischen Ursprung haben, verschiedene Akzente setzen, aber im Grunde alle das gleiche Ziel anstreben, nämlich echte Christen heranzubilden. Das Zentrum ist dabei Jesus, der Heilige Geist, also die evangelische Spiritualität. Evangelium und Gemeinde sind die beiden Grundelemente aller Basisgruppen. Auftrag dieser Bewegung ist es, nicht nur innerhalb der Gruppe „Halleluja“ zu singen und zu beten, sondern auch ihre Mission sowohl in der Kirche wie auch in der Welt zu erfüllen.

FURCHE: Worin besteht der Unterschied der Basisgemeinden zu den „normalen“ Pfarrgemeinden?

BUHLMANN: Pfarrkirchen sind meistens Großkirchen mit fünf- bis zehntausend Christen, die oft anonym nebeneinander leben. Das ist keine erfahrbare Gemeinschaft. Zu dieser Tatsache kommen noch die Spannungen hinzu, die in jeder Großpfarre existieren. Eine Basisgemeinschaft hingegen ist eine kleine homogene, gleichgewichtige Gemeinschaft von Menschen, die sich erneuern und evangeliumsgemäß leben wollen. Das inspiriert natürlich viel mehr als das schwere Sich-Vorwärtsbewegen einer Großpfarre.

FURCHE: Wo und wie können Basisgemeinden entstehen?

BUHLMANN: Basisgemeinden können schwer organisiert werden. Man kann bestenfalls Impulse geben. Meistens sind es drei, vier Ehepaare, die auf der Suche nach einem Rahmen sind, in dem sie ihre eigenen Probleme besprechen können. Wenn dann einer dabei ist, der sagt, wir wollen nicht nur Probleme wälzen, sondern miteinander beten, dann ist der Anfang einer Basisgruppe gemacht.

FURCHE: Besteht, und wenn ja, worin, eine Kritik der Kirche an diesen Bewegungen?

BUHLMANN: In Rom, das weiß ich aus persönlicher Erfahrung, hat man eine panische Angst vor den Tausenden von Freikirchen, die früher als „Sekten“ bezeichnet wurden und eigentlich eine Art von Basisgemeinden darstellen. Diese Freikirchen suchen allerdings keinen Kontakt mit der katholischen Kirche oder dem ökumenischen Rat der Kirchen und sind daher nicht christlich.

Ein weiterer Grund für die Kritik der Kirche an den Basisgemeinden ist eine falsche Information über die Basisgemeinden aus Lateinamerika an Rom. Ich könnte Namen nennen, will es aber nicht tun. Diese Kritiker besuchen selbst keine Basisgemeinschaften, sondern betrachten und beanstanden deren Tun nur aus der Entfernung.

Ich kenne jedoch auch Bischöfe in Lateinamerika - Brasilien und anderen Ländern —, die die halbe Zeit ihrer Möglichkeiten in Basisgemeinschaften verbringen. Diese Bischöfe sagen allgemein, es seien die schönsten Seiten ihres Amtes.

FURCHE: Kennen Sie auch in Österreich Basisgemeinden?

BUHLMANN: Da gibt es zum Beispiel eine in Schwechat in Niederösterreich. Und auch in Wien habe ich einige kennengelernt, nämlich in der Herbststraße und in Atzgersdorf.

FURCHE: Wieso glauben Sie, daß die Basisgemeinden die Zukunft der Kirche sind?

BUHLMANN: Weü die herkömmliche „Volkskirche“, ob wir es wollen oder nicht, ihrem Ende entgegengeht. Teilweise ist sie bereits dort angekommen. Viele junge Menschen wandern aus ihren Heimatpfarren aus, und weil dadurch keine Nachwuchskirche entstehen kann, bleibt lediglich eine Generation zurück, die aus Pflichtgefühl handelt (nicht mit Gewissensfreiheit) und in die Kirche geht. Diese Art von Kirche spricht jedoch die meisten Menschen nicht an, sodaß sie immer kleiner werden wird. Darüber bin ich absolut nicht traurig, denn je kleiner diese Minderheit wird, umso mehr Menschen werden von der großen Sendung der Basisgemeinschaften überzeugt.

FURCHE: Seit wann gibt es Basisgemeinden?

BUHLMANN: In Spanien und Italien sind zum Teü schon vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil derartige Bewegungen entstanden, die bis heute überlebt haben. Die meisten Gruppen sind allerdings erst nach dem Konzil entstanden, weil man darin das „Volk Gottes“ und die „Ortskir-che“ mehr betont hat. Und es heißt in der Kirchenkonstitution „Lumen Gentium“ ausdrücklich, daß auch die Basisgruppen - sogar die Familie — „Ortskirche“ sind. Wo immer also Gläubige beisammen sind, da ist Jesus und sein Geist unter ihnen, da ist Kirche. Die Großkirche, die Universalkirche, setzt sich aus solchen Ortskirchen zusammen.

FURCHE: Haben Sie ein besonderes Anliegen, das Sie FUR-CHE-Lesern weitergeben wollen?

BUHLMANN: Ja. Die Menschen sollten Freude daran haben, daß solche Gemeinschaften existieren — auch in Wien und ganz Österreich. Jeder sollte zumindest eine „Schnupperlehre“ in einer Basisgemeinde machen. Wer noch eine gewisse Substanz von Glauben hat, wird dann wahrscheinlich dabeibleiben.

Dieses Gespräch mit dem Schweizer Kapuzinerpater am Rande der Schwechater Ge-meindetage 1986 „Basiseemeinden - Zukunft der Kirche - Hoffnung für die Welt?!“ führte Marianne Waldhäusl.

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