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Was kostet die Budgetsanierung ?

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Das Budgetdefizit, wie wir es derzeit haben, kann noch unter erträglichen Opfern saniert werden, heißt es. Sicher ist jedenfalls der Verlust an Wachstum und Arbeitsplätzen.

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Das Budgetdefizit, wie wir es derzeit haben, kann noch unter erträglichen Opfern saniert werden, heißt es. Sicher ist jedenfalls der Verlust an Wachstum und Arbeitsplätzen.

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Die neue Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, das gegenwärtige Budgetdefizit von rund fünf Prozent des Brutto-Inlandsprodukts (BIP) beziehungsweise 80 Milliarden Schillingum jährlich etwa einen halben Prozentpunkt zu senken. Das bedeutet für 1991, dem letzten Jahr der laufenden Legislaturperiode und nächsten regulären Wahljahr, eine Defizitquote von etwa drei Prozent und ein Nettodefizit von rund 55 Milliarden Schilling.

Budgetdefizite der Größenordnung, wie wir sie. gegenwärtig in

Österreich vorfinden, können noch unter erträglichen Opfern saniert werden. Erreicht das Defizit einmal zehn und mehr Prozent des BIPs, geht es ohne drastische Einschnitte wohl nicht mehr ab.

Zu den Opfern, die eine Budgetsanierung fordert, gehört auch der vorübergehende Verlust an Wirtschaftswachstum und damit Beschäftigung. Damit stellt sich die Frage: wie groß werden diese Verluste im österreichischen Fall sein?

Das Institut für Höhere Studien (IHS) hat vor kurzem eine Studie veröffentlicht, die diese Frage zu beantworten versucht. Mit Hilfe eines ökonometrischen Computermodells wurde untersucht, welche gesamtwirtschaftlichen Konsequenzen sich aus einer Budgetkonsolidierungspolitik ergeben, die sich in einem gegenüber unserem Basisszenario um jährlich nicht ganz 14 Milliarden Schilling niedrigeren Budgetdefizit manifestiert. Das entspricht einer um einen 3/4 Prozentpunkt niedrigeren durchschnittlichen Defizitquote am BIP.

Das Ergebnis: das durchschnittliche jährliche Wirtschaftswachstum ist um einen halben Prozentpunkt geringer, ebenso die Zunahme des realen privaten Konsums. Auch die Investitionen wachsen langsamer, die Arbeitslosenrate liegt jedes Jahr um durchschnittlich einen halben Prozentpunkt, das sind rund 15.000 Personen, höher. Müssen daher diese geschätzten Folgewirkungen für das eingangs beschriebene Konsolidierungs Szenario, das eine etwa dreimal so hohe Sanierungsanstrengung ausweist, folgerichtig verdreifacht werden?

Die Nationalökonomie kann darauf keine eindeutige Antwort geben, weil die Auswirkungen einer Budgetsanierung entscheidend davon abhängen, auf welche Art und Weise konsolidiert wird und welche flankierenden Maßnahmen ergriffen werden. Die Ergebnisse der Modellberechnungen des Instituts für Höhere Studien beruhen auf folgender Grundüberlegung: wird die Nachfrage des Staates, die ebenso Teil des Brutto-Inlandsprodukts wie die private Konsumnachfrage

Flexibel muß man sein und die Investitions- und Exportnachfrage ist, gekürzt, so bedeutet dies nach Abzug des durch Importe — also nicht aus der Inlandsproduktion gedeckten Teils - auch eine entsprechende Minderung des Brutto-Inlandsprodukts. Dieser Kreislaufzusammenhang kann nicht geleugnet werden.

Allerdings besteht ein nicht unwesentlicher Teil der Budgetaus-

gaben in Aufwendungen, die nicht unmittelbar nachfragewirksam sind. Man denke zum Beispiel an die diversen Förderungen, wie Spar- und Wohnbauförderung, oder an Finanzierungsleistungen an die OIAG und so weiter. Würde etwa die Sparförderung gekürzt, könnte dies - je nach Annahme über die Reaktion der Haushalte - sogar zu einer Belebung der Nachfrage führen, falls nämlich die Haushalte als Reaktion auf eine Beschneidung der Sparförderung weniger sparen und mehr konsumieren. Eine Kürzung der Investitionsförderung wieder muß insoferne keine entsprechenden negativen Rückwirkungen auf die Investitionsnachfrage haben, als die Förderung vielfach nur „mitgenommen“ wird, also die Investition auch ohne Förderung durchgeführt würde.

(Karikatur Löffler/Die Welt)

Auch bei der Wohnbauförderung sind Umstellungen denkbar, die die Nachfrage nach Wohnbauleistungen kaum beeinträchtigen würden und doch das Budget entlasteten. Eine Kürzung der Wohnbauförderungsmittel brächte dem Bund höhere Einnahmen, könnte aber in ihren Auswirkungen auf die Wohnbautätigkeit dadurch kompensiert werden, daß die Länder nicht mehr selbst als Kreditgeber auftreten, sondern nur mehr die Annuitäten stützen. Immerhin machen die öffentlichen Wohnbaukreditgewährungen jährlich rund 14 Milliarden Schilling aus. In diesem Zusammenhang wären auch Mehrfachförderungen zu überdenken.

Auch Privatisierungen öffentlicher Unternehmen entlasten — zumindest kurzfristig — das Budget, ohne daß damit Wachstumsverluste verbunden sind; vielmehr werden traditionell veranlagte Ersparnisse in Unternehmensbeteiligungen umgeleitet. Solche Privatisierungen sind allerdings nur dann sinnvoll, wenn dadurch eine effizientere und wirtschaftlichere Unternehmensführung erreicht werden kann, weil dem Staat durch die Privatisierung langfristig Dividendeneinnahmen verlorengehen.

Zu den wünschenswerten flankierenden Maßnahmen zählt unter anderem eine stärkere Konzentration der öffentlichen Baunachfrage auf beschäftigungsintensiven Sparten, wie zum Beispiel Altstadtsanierung, Wärmedämmung und so weiter, die einen wesentlich höheren Beschäftigungseffekt aufweisen als maschinenintensive Großprojekte.

Vielfach sind Kürzungen öffentlicher Mittel auch ein Anlaß für eine Institution, die wirtschaftliche Effizienz und die Produktivität zu erhöhen. Das mag vorübergehend Arbeitsplatzverluste bedeuten, die aber auf Sicht durch die gesteigerte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wettgemacht werden. Wenn zum Beispiel ein Bundesbahnbediensteter von einer weitgehend unproduktiven Nebenbahn, die stillgelegt wird, in eine produktive Verwendung in einem profitablen Tätigkeitsfeld der Bahn transferiert wird, anstatt daß ein weiterer Bediensteter aufgenommen wird,

bedeutet das zwar gesamtwirtschaftlich im Augenblick einen Arbeitsplatz weniger, gleichzeitig stehen der Bahn aber zusätzliche Mittel zur produktiven Verwendung zur Verfügung.

Flankierende Maßnahmen zur Erhöhung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit stellen überhaupt ein wichtiges Element jeder Budgetkonsolidierung dar. Solche Maßnahmen müssen nicht notwendigerweise mit zusätzlichen öffentlichen Ausgaben verbunden sein, sondern bestehen vielfach in gesetzlichen und administrativen Erleichterungen der Wirtschaftstätigkeit, in der Förderung der Konkurrenz, also* in Maßnahmen, die unter den Schlagwörtern „Deregulierung“ , „Flexibilisierung“ und „Mobilität“ zusammengefaßt werden. Dazu gehören etwa auch eine Anpassung der Universitätsorganisation an die Anforderungen einer engeren Kooperation zwischen Wissenschaft und Wirtschaft, die Einbindung der österreichischen Wirtschaft in den in Entstehung begriffenen einheitlichen Binnenmarkt der EG (FURCHE 7 und 8/1987), die verstärkte Öffnung Österreichs für Auslandsinvestitionen, ein verbessertes System der wirtschaftsorientierten Aus- und Weiterbildung und so weiter.

Darüber hinaus stellt letztlich jede Umschichtung von Ausgaben in Richtung auf einen produktiveren Einsatz einen Beitrag zur Budgetkonsolidierung dar, da dadurch zwar nicht unmittelbar die Ausgaben reduziert, indirekt aber die Einnahmen erhöht werden. Daher sind bei jeder verzichtbaren Budgetausgabe die möglichen Alternativverwendungen zu prüfen. All das kann die mit einer Budgetkonsolidierung verbundenen, temporären, negativen Rückwirkungen auf Wachstum und Beschäftigung nicht verhindern, sie wohl aber mildern.

Der Autor ist Leiter der volkwirtschaftlichen Abteilung der CA-BV in Wien.

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