6967780-1985_19_15.jpg
Digital In Arbeit

Was Privatschulen attraktiv macht

19451960198020002020

Erziehung zu Werten und Leistung, verständnisvolleres Eingehen auf den einzelnen Schüler - das sind zwei der Hauptansprüche, die Eltern an eine Privatschule stellen.

19451960198020002020

Erziehung zu Werten und Leistung, verständnisvolleres Eingehen auf den einzelnen Schüler - das sind zwei der Hauptansprüche, die Eltern an eine Privatschule stellen.

Werbung
Werbung
Werbung

Was macht für viele Eltern Privatschulen attraktiver als öffentliche Schulen? Die Motive, warum Eltern ihre Kinder in katholische Privatschulen schicken (sie machen mehr als die Hälfte des Privatschulwesens aus), wurden vor einigen Jahren vom Hauptverband Katholischer Elternvereine Österreichs erhoben (siehe Kasten „Elternmotive”). Diese Studie ist wohl, wenn man die rein konfessionsbezogenen Punkte ausklammert, für das gesamte Privatschulwesen aufschlußreich.

An erster Stelle steht der „gute Ruf” der Schule. Wie kommt er zustande? Tragen dazu nicht alle im folgenden genannten Punkte mitsammen bei - das gute Lehrpersonal, die umfassende Erziehung (womöglich im Sinne einer bestimmten Weltanschauung), das intensivere Lernen, das bessere Milieu der Mittelschüler? Und warum haben es öffentliche Schulen schwerer, so einen guten Ruf zu erwerben?

Zunächst hat das Privatschulwesen dem öffentlichen Schulwesen bereits das Alter voraus. Besonders die katholischen Privatschulen, ob von Diözesen oder Orden getragen, haben oft eine jahrhundertelange Tradition. Das öffentliche Schulwesen hat bis in die Gegenwart manches von den Privatschulen übernommen oder sich an ihnen orientiert.

„Ich wage zu behaupten, daß bei uns Schulpartnerschaft viel länger und stärker gepflegt wurde als die öffentlichen Vorschriften darüber überhaupt existieren”, betont der Schulreferent der Supe-riorenkonferenz, Salesianerpater Alfons Miggisch aus Unter-Waltersdorf. Ob Schulfeste, Elternnachmittage, Heimausschuß oder Schülerparlament, die Privatschulen waren mit solchen Einrichtungen früher dran und auch mit manchen Schulversuchen (etwa Elektronischer Datenverarbeitung im letzten Jahrzehnt) Pioniere.

Sektionschef Leo Leitner vom Unterrichtsministerium anerkennt an den Privatschulen vor allem „die stärkere Zuwendung zum Erzieherischen, zur Wertorientierung”, wie sie im berühmten „Zielparagraphen” des Schulunterrichtsgesetzes, wo von Erziehung „zum Wahren, Guten und Schönen” die Rede ist, angepeilt wird.

Eine wertorientierte Erziehung, und nicht bloße Wissensvermittlung, ist vielen Eltern auf dem Bildungsweg ihrer Kinder besonders wichtig, am besten eine Erziehung aus einem Guß: „Den meisten Zulauf haben. Schulen, die unter einem Dach alle Bildungseinrichtungen vom Kindergarten bis zur Matura anbieten”, erklärt Wilhelm Mayer, Sekretär des Schulamtes der Erzdiözese Wien. Im öffentlichen Bildungswesen wird man dagegen einige Wechsel des Unterrichtsortes und des Erziehungsstils kaum vermeiden können.

Da vor allem konfessionelle Privatschulen ihr Lehrpersonal aussuchen können, ist dort zumindest eine größere Homogenität hinsichtlich der Weltanschauung vorhanden als an öffentlichen Schulen. Das sollte soweit führen, wünscht sich Herbert Emberger, Präsident des Hauptverbandes Katholischer Elternvereine Österreichs, daß etwa an Ordensschulen, wo die Zahl der unterrichtenden Ordensmitglieder zurückgeht, die Ordensidee gleichsam als „Unterrichtsprinzip” von den Laienlehrern aufgegriffen wird.

Zum guten Ruf der Schule gehört aber neben einem Erziehungskonzept zweifellos auch ein gewisses Leistungsniveau. „Eine Privatschule, die Noten schenkt”, betont Herbert Emberger, „ist bald ebenso verschrien wie eine, aus der ständig Leute hinausfliegen.”

Man erwartet von der Privatschule also einerseits Leistungsanforderungen, anderseits aber,

„daß wir uns mehr um die Kinder kümmern als eine öffentliche Schule”, meint Pater Direktor Bruno Schmid von den Schulbrüdern in Wien-Strebersdorf. Das große Plus praktisch aller Privatschulen ist hier das Angebot des Halbinternates mit Lernbetreuung. „Das Elternhaus ist erste Erziehungsstätte”, versichern unisono alle Betroffenen, aber als Sub-sidiärangebot stehen das Halbinternat und das Vollinternat zur Verfügung.

Schwester Emelia Grabner vom Theresianum in Eisenstadt, Schulref erentin der Frauenorden, begrüßt, daß das Vollinternat wegen der Vielzahl neuer Schulen und Verkehrsverbindungen kaum mehr notwendig ist: „Das war ein Behelf, als wir die einzige Mädchenschule im Burgenland waren und vielen sonst der Besuch einer höheren Schule nicht möglich gewesen wäre.” Das Ideal erblickt heute kaum mehr ein Erzieher im Internat, obwohl es für „manche Schüler in einer bestimmten Entwicklungsphase” (Bruno Schmid), vor allem bei Schülern, die kein echtes „Daheim” haben, von Vorteil sein könne.

Was natürlich das Halbinternat und das Internat stärker prägen als der normale Vormittagsunterricht an einer öffentlichen Schule, ist das Gemeinschaftsgefühl an der Privatschule, das auch durch viele gemeinsame Aktivitäten (Sport, Theater, Musik und dergleichen mehr) stärker als anderswo gefördert wird.

Durch Internat und Halbinternat, die natürlich Eltern und -was heute häufig ist — alleinerziehende Elternteile sehr entlasten, entsteht jene familiäre Atmosphäre an der Privatschule, die eine Schülerin von Schwester Emelia Grabner in den Satz „Es ist immer jemand daheim” kleidete, eine an einer öffentlichen Schule undenkbare Aussage. Dazu kommt, daß Privatschulen meist kleiner und überschaubarer sind als öffentliche Schulen. „Eine Schule kann dann gut sein, wenn der Direktor noch jeden Schüler kennt”, zitiert Herbert Emberger eine Grazer Privatschuldirektorin.

Noch nicht an allen Privatschulen Einzug gehalten hat die Koedukation, was manche als Vorteil, viele aber als Nachteil empfinden werden. Für das Mädchen mit einem leichten körperlichen Gebrechen, das sich in der Privatschule unter Mädchen leichter tut als in einer öffentlichen Schule, mag es positiv sein, für die Eltern, die ihren Sohn gerne in die gleiche Privatschule schicken würden wie ihre Tochter, negativ.

Tatsache ist, daß sich fast alle noch nicht koedukativ erziehenden Schulen langfristig auf die Koedukation einstellen. Der Kurator der Theresianischen Akademie in Wien, der ehemalige Diplomat Heinrich Haymerle, verweist auf das Zukunftskonzept dieser Einrichtung „Theresianum 2000” und die für alle Privatschulen in diesem Zusammenhang ähnlichen Probleme: „Wir brauchen eine einmalige größere Zuwendung für die nötigen baulichen Veränderungen”. Gleichzeitig will das Theresianum in Wien eine der modernsten Schulen Europas werden.

Finanziell nagen aber die meisten Privatschulen schon an der Substanz. Das Schulgeld - deutlichster Unterschied zur öffentlichen Schule und Ursache einer gewissen sozialen Auslese — will man nicht in die Höhe treiben, um keine „Schule der Reichen” zu werden, die man jetzt—so die Umfrage von 1980 - noch keineswegs ist. Auch Klein- und Mittelverdiener leisten sich die Privatschule — ein internationaler Trend: „Die Schullaufbahn der Kinder wird zunehmend als etwas betrachtet, in das es sich zu investieren lonnt” (Emberger).

Daß die Privatschulen über die bereits geschilderten Vorzüge hinaus meist besonders gut mit Erholungs- und Sportanlagen, Kultur- und Freizeiträumen ausgestattet sind, verleiht ihnen zusätzliche Attraktivität. Durch ihre Attraktivität und nicht durch Zwang sollen auch die religiösen Angebote an katholischen Privatschulen wirken, betont Pater Miggisch. Die Zeiten, wo Schüler täglich die Messe besuchen mußten, sind heute vorbei.

Der große Pluralismus im privaten Schulwesen (von der konfessionellen bis zur alternativen Pädagogik, vom Schwerpunkt Skilauf am Stamser Privatgymnasium bis zur dritten lebenden Fremdsprache am Wiener Theresianum) stellt jedenfalls eine überlegenswerte Palette interessanter Alternativen zum öffentlichen Schulwesen dar.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung