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WAS SCHWERPUNKTSCHULEN VERMOGEN

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Jene Schulversuche, die aus einem an konkreten Schulen einschliefilich ihrer Umfelder ge-spiirten, erlebten Bedarf entstan-den sind, erscheinen in ihren Aus-gangspunkten als deutlicher Kontrast zu zentralen Modellen, gehoren aber in eine iiberschau-ende Koordination einbezogen.

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Jene Schulversuche, die aus einem an konkreten Schulen einschliefilich ihrer Umfelder ge-spiirten, erlebten Bedarf entstan-den sind, erscheinen in ihren Aus-gangspunkten als deutlicher Kontrast zu zentralen Modellen, gehoren aber in eine iiberschau-ende Koordination einbezogen.

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Man spricht von Schwerpunktfa-chem und Sch werpunktschulen, wenn in einzelnen Schulen bestimmten Un-terrichtsbereichen eine bestimmende, zugleich verbindende Funktion zuge-messen und damit auch eine besonde-re Beriicksichtigung in den Lehrpla-nen eingeraumt wird.

Der aus Mathematik und Physik hergeleitete Terminus „Schwerpunkt” meint hier allgemein etwas, das Gewicht hat, schwerwiegend ist. Als Schwerpunktfacher sind daher jene Unterrichtsgegenstande bezeichnet, die im Bildungsprogramm einer bestimmten Schule (Schulart) besonde-res Gewicht haben und einen GroBteil des Unterrichts ausmachen.

Musik, Kunst und Sport

Berufsbildende Schulen, auf ein Berufsbild orientiert und damit unter die Aufgabe gestellt, ihre Schuler zur spateren Ausiibung dieses Berufes zu befahigen, sind in diesem Sinne ebenso „Schwerpunktschulen” wie die urspriinglich klar ausgepragten Mit-telschultypen des „humanistischen Gymnasiums” mit seinen Schwer-punkten in den klassischen Sprachen und ihrer Literatur oder der friiheren Realschule in ihrer vornehmlichen Orientierung auf die mathematisch-naturwissenschaftlich-technischen Unterrichtsbereiche.

Mit der zunehmenden Vermehrung der Zahl der Unterrichtsfacher wurde die verbindende Wirkung der ur-spriinglichen Schwerpunktfacher (typenbildenden Facher) verdiinnt; eine immer losere Aneinanderreihung von Fachern und Unterrichtsgebieten (zum Teil Spiegelbild der Aufgliede-rung in den Fachwissenschaften und ihrer Wirkung auf Lehrerbildung und Lehrplankonzepte) fiihrte zu einem „Verlust der Bildungsmitte”. Didak-tische MaBnahmen wie Querverbin-dungen zwischen den Fachern, spater mit den „Unterrichtsprinzipien” und mit dem „Projektunterricht”, sind Gegensteuerungen in bester Absicht, aber ohne wesentliche Wirkung.

In unseren allgemeinbildenden Schulen kommt die Erneuerung der Schwerpunktschule als Bildungsidee aus der Musik und der Bildenden Kunst, aus dem Sport und aus dem Handwerk. Ausgangspunkte solcher Erneuerungsbestrebungen waren haufig Bemuhungen um die Forde-rung des Individuellen, des Besonde-ren, Bemuhungen um Betreuung und Pflege von hervorragenden Talenten und Begabungen.

Damit wurde aber auch ein Weg beschritten, der die betreffende Schwerpunktschule und die Bildungs-gange ihrer Schiiler auf bestimmte Berufsbilder (Musiker, Leistungs-sportler) hinlenkte. Dem Erreichen des beruflichen Bildungszieles werden Zeitaufwand und Arbeitseinsatz in groBem MaBe gewidmet, dem jeweils gegebenen Bedarf werden schulische Arbeitszeit und auch Frei-zeit in ihrer Verteilung untergeordnet (Schisport), andere Unterrichtsfacher miissen auf Mindestanforderungen reduziert und mbglichst auf die mit dem angestrebten Ziel verbundenen Anspriiche eingestellt werden (Sprachen, Geschichte).

Als Mitte der sechziger Jahre in

Salzburg mit Bernhard Paumgartner das Konzept eines „Musischen Gymnasiums” diskutiert wurde, war eine andere Art von einer den gesamten Organismus einer Schule durchdrin-genden Bildungsidee als Grundgedan-ke der Planungsiiberlegungen vorherr-schend. „Musisch” als Sammelbegriff sollte jeden Unterrichtsgegenstand erfassen, in jedem Fachgebiet Kreati-vitat fordern, durch asthetische Erzie-hung einen gesinnungsbildenden Unterricht bewirken.

„Maturitat und Lehre”

Damit ist sehr deutlich jene gesuch-te Mitte von Bildung angesprochen, die im bloBen Fachunterricht nicht mehr zu spiiren war. Ein Vorhaben, ungleich schwerer zu verwirklichen als etwa durch die pragenden Krafte von Berufsbildern, aber ein essentiell notwendiges Vorhaben! Zahlreiche Beispiele in den elementaren wie in den weiterfiihrenden Schulbereichen weisen dies in unterschiedlich konzi-pierten und gestalteten Versuchspro-jekten nach, ob nun allgemein „mu-sisch” oder doch aus einzelnen kiinst-lerisch-werklichen Bereichen starker bestimmt.

Bereits nach relativ kurzer Ver-suchszeit wurde im Schulgesetz 1962 eine Schwerpunktschule „Werkschul-heim” grundgelegt, in welcher sich starker als in anderen Schulmodellen das padagogische H-Axiom (Hirn, Herz, Hand) ausdriickt, eine Verbin-dung von gymnasialer Bildung und handwerklicher Ausbildung ange-strebt wird. Spater folgende Schulversuche in ahnlichen Richtungen werden meist mit den Forderungen neuer oder zusatzlicher Qualifikatio-nen begriindet, sie erreichen daher auch weniger eine Integration, son-dern folgen einer Art Parallelfiihrung beider Bildungsgange mit „Maturitat und Lehre” als zweifachem Ziel; star-kere Nahe zu berufsbildenden Schulen macht die Problematik des Be-reichsdenkens virulent und schrankt so Entwicklungsmoglichkeiten ein.

Wichtige Teilaspekte von Schwer-punktbildungen zeigen sich in jenen Schulversuchen, in denen bestimmte Fachgebiete anwendungsorientiert in anderen Unterrichtsbereichen einge-setzt werden (Verwendung von Fremdsprachen in anderen Fachern, Informatik, naturwissenschaftlich-technischeLaborarbeit). Hierwieauch in regional bestimmten Schwerpunk-ten (Wirtschaft, Fremdenverkehr) wird der Weg der kleineren Schritte in Richtung eines fachverbindenden oder facheriibergreifenden Unterrichts gegangen, in den zugleich auch be-rufliche Orientierung eingebunden ist.

Im weiteren Sinn solcher Entwick-lungen sind besonders auch Schwer-punktbildungen dort angesetzt, wo schulische Arbeit und Information Grundlagen fiir berufliche Entschei-dungen schaffen sollen - in den Poly-technischen Lehrgangen und im Ver-suchskonzept der Realschule ebenso wie im System der Wahlpflichtge-genstande mit wissenschaftlicher Orientierung. Jedenfalls werden damit in den Spannungsfeldern unterschied-licher Fachgebiete Prioritaten gesetzt.

Projekt „Oko-Schulen'?

„Oko-Schulen” sind in den letzten Jahren stark in den Vordergrund ge-treten. Zweifellos sind diese Schulversuche engstens verbunden mit der starken Forderung der Umwelterzie-hung im allgemeinen sowie mit konkreten okologischen Problemstellun-gen und Aufgaben im engeren Um-feld der jeweiligen Schule im beson-deren. An vielen Schulen werden solche Anliegen als erganzende Aufgaben zum Unterricht, als „extra-curricuja-activities” verstanden und erfiillt, ohne daB ein weiterreichendes Versuchsprojekt begonnen wird. Die Schule mit okologischen Schwer-punkten ist dagegen einer durchge-henden Idee, einer in alle unterrichtli-chen und erzieherischen Bereiche wirkenden Zielvorstellung verpflich-tet, engagiert sich fiir die Realisie-rung des idealistischen Erziehungs-prinzips, durch Erwerb von Kennt-nissen und Fertigkeiten Einsichten zu gewinnen und zu verantwortlichem Handeln zu gelangen. Realutopie politischer Bildung!

Es ist unverkennbar, daB in einem tieferen Verstandnis Schwerpunkt-schulen iiber den Weg zur bildungsmitte” gerade auch den Weg zur „ethischen Mitte” ihres padagogischen Lebens gehen wollen, damit mehr und mehr zur Aufgabe einer inneren Tra-gerschaft durch die Schulgemein-schaft werden und zugleich die MaBe des Zusammenhanges und der Konti-nuitat zu beachten haben.

Mag. Leo Leitner war bis Herbst 1992 Chef der Sektion I im Unterrichtsministerium und ist Kuratorder Theresianischen Akademie in Wien.

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