6959249-1984_42_03.jpg
Digital In Arbeit

Was sich ändert: Pension konkret

19451960198020002020

Heute wird im Nationalrat die Pensionsreform beschlossen. Was sich ändert, wo sich für den einzelnen Rechnen lohnt: Darum geht es in dieser neuen FURCHE-Serie.

19451960198020002020

Heute wird im Nationalrat die Pensionsreform beschlossen. Was sich ändert, wo sich für den einzelnen Rechnen lohnt: Darum geht es in dieser neuen FURCHE-Serie.

Werbung
Werbung
Werbung

Nach der „kleinen Pensionsreform 1984", die vor allem eine Verschärfung der Ruhensbestim-mungen gebracht hat, wird das Netz der sozialen Pensionsversicherung mit der 40. Novelle zum Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz (ASVG) nochmals neu geknüpft: Die Pensionsreform 1985 wird am Erscheinungstag dieser FURCHE-Ausgabe vom Nationalrat verabschiedet.

Warum überhaupt Pensionsreform? Rekapitulieren wir kurz die Ausgangslage:

133 Milliarden Schilling werden die Pensionsversicherungsträger heuer aufzubringen haben; dem stehen rund 99 Milliarden Schilling Beitragseinnahmen gegenüber. Das Finanzierungsloch von mehr als 34 Milliarden Schilling muß der Finanzminister aus dem Budget stopfen.

In den nächsten Jahren würde sich die Eigenfinanzierungskraft der Pensionsversicherung weiter verschlechtern, die Staatszuschüsse müßten explosionsartig ansteigen. Ohne Reform würden sich diese Pensionszuschüsse 1985 auf über 46 Milliarden, 1988 bereits auf über 68 Milliarden und 1990 letztlich auf fast 84 Milliarden Schilling erhöhen.

Nach der Reform — dies gleich zum Vergleich — ist 1985 mit Zuschüssen von etwa 39 Milliarden, 1988 von 57,5 Milliarden und 1990 von etwas über 69 Milliarden Schilling zu rechnen.

Die Ursachen dieses großen Zuschußbedarfes sind vielschichtig: # Das Leistungsrecht wurde in den letzten Jahren durch 39 Novellen ständig ausgebaut, ohne daß die Aktualität überholter Bestimmungen überprüft worden wäre.

• Die Zahl der Frühpensionisten steigt rasant an: von 52.000 im Jahr 1977 auf fast 84.000 im Jahr 1982 und geschätzte 107.000 im Jahr 1987.

• Außerdem verschlechtert sich das Verhältnis Versicherte zu Pensionisten laufend: Auf 1.000 Versicherte kamen 1977 nur 517 Pensionisten, 1982 waren es 552, bis 1987 werden es etwa 620 sein.

Dazu kamen die Auswirkungen sozialpolitischer Maßnahmen, wie zum Beispiel der Einkauf von Versicherungszeiten, der sich zu einem finanziellen Flop für die Pensionsversicherung entwickelt hat, die Einführung der Witwerpension und anderes mehr.

Heute steht ein schmerzhafter Schnitt in das System der Pensionsversicherung bevor, der alle, berufstätige Angestellte und Arbeiter ebenso wie Pensionisten, die nach dem ASVG versichert sind oder Leistungen erhalten, treffen wird und Opfer fordert.

• AktivewefdenhöhereBeiträge zahlen müssen.

• Das Niveau neuer Pensionen wird durch längere Bemessungszeiträume sinken.

• Die jährlichen Anpassungsraten der Pensionen werden geringer ausfallen.

Damit ist das Ziel der Pensionsreform schon abgesteckt: Sicherung der Finanzierung, einerseits durch Beitragserhöhungen, andererseits durch Reduzierung des Pensionsaufwandes. Die Pensionsreform enthält aber nur zum Teil Maßnahmen, die auch tatsächlich reformatorischen Charakter haben.

• Die Beitragserhöhung: Der

Beitragssatz zur Pensionsversicherung wird von 21,7 auf 22,7 um einen Prozentpunkt erhöht. Nach dem ASVG wird diese Beitragserhöhung je zur Hälfte der Dienstgeber und der Versicherte zu tragen haben.

• Die Höherversicherung: Die

Berechnung des Leistungsbestandteiles aus einer freiwilligen Höherversicherung wird künftig nach streng versicherungsmathematischen Grundsätzen erfolgen. Mit dieser Änderung und den konkreten Auswirkungen wird sich der vierte Teil der FURCHE-Serie im Detail befassen.

• Die Pensionsanpassung: Bei der Festsetzung des für die jährliche Erhöhung erforderlichen Anpassungsfaktors — Stichwort: Pensionsdynamik — wird künftig nicht nur (wie bisher) die durchschnittliche Entwicklung der Löhne und Gehälter, sondern auch — soferne sie eine Rate von 2,5 Prozent übersteigt — die Arbeitslosenrate berücksichtigt werden.

• Die Änderung der Anspruchsvoraussetzung: Die bisherigen Anrechnungs- und Deckungsbestimmungen entfallen. Das bedeutet, daß Lücken in der Versicherung nicht mehr zum Verfall von Versicherungszeiten führen können..

Voraussetzung ist nur mehr die Erfüllung einer Wartezeit: Innerhalb eines bestimmten Rahmenzeitraumes müssen 15 Versicherungsjahre für die Alterspension und fünf Versicherungsjahre für die Pension bei Invalidität und Tod (in diesem Fall zugunsten der Witwe) erworben sein. Bemerkenswert ist eine neue Bestimmung, wonach sich die „kurze" Wartezeit von fünf Jahren bis auf 15 Jahre verlängert, wenn die Invalidität beziehungsweise der Tod bei Frauen nach dem 50., bei Männern nach dem 55. Lebensjahr eintritt.

Neu ist auch, daß die Wartezeit jedenfalls als erfüllt gilt, wenn man 15 „echte Beitragsjahre" erworben hat, egal in welchem Zeitraum diese Jahre liegen. Diese Bestimmung wird jeddoch erst 1990 voll wirksam.

• Die Bemessungsgrundlage: Bei

Arbeitern und Angestellten werden derzeit die Gehälter der letzten fünf Jahre vor der Pensionierung bis zu einer Höchstgrenze für die Berechnung der Bemessungsgrundlage herangezogen. Diese Bemessungszeit wird sich in Etappen auf zehn Jahre erhöhen. Und zwar: mit 1. Jänner 1985 auf sieben, mit 1. Jänner 1986 auf neun, schließlich mit 1. Jänner 1987 auf zehn Jahre.

• DieHöhederPension:DiePension setzt sich derzeit aus einem Grundbetrag und einem progressiv gestaffelten Steigerungsbetrag zusammen. Künftig wird es nur mehr einen Steigerungsbetrag geben, der für die ersten 30

Ver sicherungsjahre je 1,9 Prozent und ab dem 31. bis zum 45. Versicherungsjahr je 1,5 Prozent der Bemessungsgrundlage beträgt.

Frauen, die weniger als 30 Versicherungsjahre erworben haben, erhalten einen Kinderzuschlag in der Höhe von drei Prozent der Bemessungsgrundlage für jedes lebend geborene Kind. Uber die Details und Folgen dieser Neuregelung informiert die FURCHE-Serie im sechsten Teil.

Als Ausgleich für fehlende Versicherungszeiten wird bei Eintritt des Versicherungsfalles vor dem 50. Lebensjahr ein Zurechnungszuschlag eingeführt. .

• Die Wahlmöglichkeit durch Ubergangsbestimmungen: Ubergangsbestimmungen des Reformpaketes sehen vor, daß bei allen Pensionsanträgen mit einem Stichtag bis 1. April 1985 die alten, derzeit gültigen Bestimmungen über die Berechnung der Pension anzuwenden sind, wenn dies günstiger für den Versicherten als die neue Regelung ist.

Auf diese und andere wichtige Ubergangsregelungen wird in den nächsten Folgen eingegangen. Die Ubergangsregelungen sind vor allem für Frauen ab dem 55. und Männer ab dem 60. Lebensjahr interessant, die jetzt schon in Pension gehen können und wollen. Da kann sich Rechnen lohnen.

Auffallend ist, daß die Pensionsreform an einer Neuordnung des Hinterbliebenenrechtes vorbeigeht. Lediglich aus finanziellen Gründen wird das Wirksamwerden der zweiten und dritten Etappe der Witwerpension auf den 1. Jänner 1989 und auf den 1. Jänner 1995 hinausgeschoben.

Aber auch die vieldiskutierte Absicht der Wiedereinführung von Ruhensbestimmungen bei Bezug von mehreren Pensionen wurde nicht verwirklicht.

Weitere Reformgedanken, die in der Diskussion der vergangenen Monate genannt wurden, wie die Partnerschaftspension, das Durchrechnungssystem, der gleitende Pensionsübergang, werden wohl in einigen Jahren wieder aufgefrischt werden. Die nächste Pensionsreform kommt bestimmt.

Der Autor dieser Einführung und Berater der FURCHE-Serie ist Direktionsrat im Geschäftsbereich Leistungsprüfung in der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten in Wien.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung