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Was zählt, ist die Wohnqualität

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Als junger Mensch trägt er die Braut über die Schwelle - und er verläßt die Wohnung erst wieder in horizontaler Lage.

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Als junger Mensch trägt er die Braut über die Schwelle - und er verläßt die Wohnung erst wieder in horizontaler Lage.

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Mit der Wohnhausanlage Am Pappelweg im 22. Wiener Gemeindebezirk setzte der Adolf-Loos-Preisträger des Vorjahres, Architekt Roland Hagmüller, neue Akzente im Wohnhausbau. Er trägt zur neuen Wohnqualität der neunziger Jahre wesentlich bei.

„Das Konsumverhalten unserer Gesellschaft hat zu einem Wertewandel punkto Wohnen beigetragen. Was zählt, ist Qualität, vor allem im Wohnumfeld. Traditionell ist gerade der Österreicher jemand, der völlig immobil ist, wenn es ums Wohnen geht. Als junger Mensch trägt er seine Braut über die Schwelle und er verläßt seine eigenen vier Wände erst wieder in horizontaler Lage. Frei nach dem Motto: My home is my Castle."

So illustriert Architekt Hagmüller den Ewigkeitsanspruch des Österreichers an sein Domizil und versucht diese so typisch österreichische Einstellung zu widerlegen. Laut Hagmüller sollte eine Wohnung höchstens für eine Generation adaptiert sein und nur einen „Nullstandard" haben. Dazu gehören schallgeschützte Wände, die richtige Orientierung des Lichts, Sanitäranschlüsse und ausreichendes Grünraumangebot. Die Anordnung der Baukubatur sollte völlig dem individuellen Gutdünken der Bewohner überlassen werden.

„Das Trendwohnen nach Vorschrift kann doch nicht das Ansinnen mündiger Menschen sein. Trends sind letzten Endes meist nur für große Brieftaschen und nicht für den Normalverbraucher gedacht.

Sinnvolles Wohnen hat nicht unbedingt mit Trends zu tun", meint Roland Hagmüller.

Der Planer Hagmüller trachtet stets danach, die Dinge auf das Wesentliche zu reduzieren und sieht umweltgerechtes Wohnen als Voraussetzung für qualitatives Wohnen. Mit dem Projekt Pappelweg, das ein Mehrfamilienhaus mit zehn Wohnungen und siebenundzwanzig Reihenhäuser umfaßt, scheint ihm das gelungen zu sein.

Nicht zuletzt erhielt Hagmüller für diese Wohnanlage den begehrten Adolf-Loos-Preis 1992 verliehen.

Nicht nur durch viel Grün rund um die gesamte Anlage - der Wunsch jedes Städters wurde hiermit erfüllt -, sondern auch innenarchitektonisch setzte Hagmüller auf Helligkeit, Einfachheit und Großzügigkeit. Die Erdgeschoßzone der Reihenhäuser ist dem eigentlichen Wohnen vorbehalten und umfaßt die Küche, den Eßplatz und den Wohnraum, der sich in einer großen Terrasse fortsetzt, die dann in den Garten übergeht. Großes Plus am Rande: Von der Küche aus ist die

Haustür immer überschaubar.

Im ersten Obergeschoß befinden sich die Schlafräume und das Badezimmer. Im zweiten Obergeschoß, dem „Atelierraum" erschließen sich noch zwei zusätzliche, große Terrassen. Sicherlich sind drei Terrassen als wahrer Luxus zu bezeichnen, aber während die Terrasse des Erdgeschosses als Verlängerung des Wohnraumes ins Freie gedacht ist, sind die beiden Terrassen des zweiten Obergeschosses vor Blicken geschützt und lassen inen völlig ungestört sein.

Als weiteres Plus der Planung erweist sich ein großzügig angelegter Keller. Alltagsfunktionen, die im eigentlichen Wohnbereich nur stören, können hier ohne Mühe unterge-

bracht werden. Waschmaschine, Bügelautomaten, Vorratsecke oder ein Werkzeugschrank finden hier spielend Platz. Ökonomische und zugleich komfortable Strukturen der modernen Architekturv sind hier bestmöglich eingesetzt.

Für die Zukunft sieht Hagmüller auch die Notwendigkeit, Gebäude so zu planen, daß sie solartechnisch nutzbar gemacht werden können. Seiner Ansicht nach würden diese Faktoren noch zu wenig Beachtung finden, gesetzliche Auflagen machten dies fast unmöglich.

„Das Planen wird immer schwieriger. Wir leben heute in einer sehr widersprüchlichen Zeit. Nicht nur kulturell, politisch, sozial, sondern auch was den Wohnungsbereich be-

trifft. Ich vergleiche die Situation immer mit der der Nachkriegszeit, da gab's auch massive Wohnprobleme.

Auch heute ist ein großer Wohnungsbedarf in kürzester Zeit zu decken. Das ist natürlich nicht gut möglich. Vor allem dann nicht, wenn eine optimale Qualität geboten werden soll. Weiters wird man sich für die ständig steigende Zahl der Singlehaushalte etwas einfallen lassen und vermehrt Kleinstwöh-nungen anbieten müssen.

In einer Zeit gesellschaftlicher Umstrukturierungen muß die Architektur sich zweifelsohne an die neuen Gegebenheiten anpassen. Meines Erachtens auch - und gerade - im Wohnungsbereich!"

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