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Wasser im La Plata

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Peröns außenpolitische Offensive und die Energiekrise haben den vielschichtigen Wirtschaftskämpfen unter den Staaten des La-Plata-Bek-kens neuen Auftrieb gegeben. Ihre regionale Organisation entspricht einer Entwicklungszone von 3 Millionen Quadratkilometern mit einer Bevölkerung von 60 Millionen Menschen. Die derzeitigen Konflikte beziehen sich vor allem auf die Nutzung der Wasserkraft für den Bau hydroelektrischer Werke, um sie wird als Quelle und als Maßstab für die Industrialisierung Brasiliens und Argentiniens gerungen. Gleichzeitig geht es um Gas, Petroleum und Eisenerz aus Bolivien.

Die geopolitische Auseinandersetzung um die „Reichtümer des La-Plata-Beckens“ hat sich in den letzten Jahren zu einer Konfrontation zwischen Brasilia und Buenos Aires zugespitzt, weil dem Aufstieg Brasiliens die Stagnation Argentiniens gegenübersteht.

Stein des Anstoßes ist die Nutzung der Wasserkraft des Flusses Paranä, dessen Gefälle außerordentliche Energiequellen erschließt. Sein Oberlauf liegt in Brasilien. Er fließt dann an der Grenze zwischen Paraguay und Argentinien, schließlich durch Argentinien, bis zu seiner Mündung als Rio de la Plata ins Meer. Die Brasilianer haben auf 'ihrem Gebiet 22 große Wasserkraftwerke errichtet und bauen zur Zeit deren weitere 15. Die Argentinier rügen, daß sie von der Ausführung dieser Pläne nicht unterrichtet, geschweige denn ihretwegen konsultiert wurden. Den Kernpunkt der Auseinandersetzung bildet die Frage, ob ein Strom, der durch mehrere Länder fließt, von einem Staat in seinem Oberlauf genutzt werden darf, ohne daß mit den am Unterlauf liegenden Ländern die Folgen erörtert werden, die sich für die Kraft des Stromes und seine Sohiffbarkeit ergeben. Dabei geht der Konflikt vor allem um die Nutzung des Paranä in der Zone, in der auf dem westlichen Ufer Paraguay und auf dem östlichen erst Brasilien, dann Argenf lien Anrainer sind. Brasilien hat ohne Befragung und gegen den Willen Argentiniens einen Vertrag mit Paraguay über die Errichtung des Wasserkraftwerkes „Itaipü“, des größten der Welt, geschlossen. Es soll 10,7 Millionen Kilowattstunden produzieren und 2,4 Milliarden Dollar kosten. (Es ist bezeichnend für die Weltsituation, daß auch die Sowjets hiefür Finanzierung und „know how“ angeboten haben). Die argentinische Regierung hatte die paraguayische gebeten, den Vertrag erst zu unterzeichnen, wenn die strittige Konsultationsfrage entschieden sei. Über sie war am Rande der UN-Konferenz Ende 1972 in New York eine vage, für Brasilien günstige Abrede zustandegekommen, die Buenos Aires kündigte, als Perön an die Macht kam. Strössner sagte zu der argentinischen Forderung nein und es kam zu einer ernsten Spannung zwischen beiden Ländern. Perön beseitigte sie, indem er harten Forderungen Paraguays nach Errichtung eines anderen binationalen Kraftwerkes „Yacyretä-Apipe“ nachgab, das unterhalb von „Itaipü“ an der paraguayisch-argentinischen Grenze liegt. Es soll ab 1980 3,4 Millionen Kilowattstunden produzieren und 1,2 Milliarden Dollar kosten. Paraguay, dem die Hälfte der Stromerzeugung gebührt, ist schwach industrialisiert; es verkauft aus dem Kraftwerk „Itaipü“ für etwa 45 Millionen Dollar jährlich an Brasilien und aus dem von „Yacyretä-Apipe“ (was in der Guarani-Sprache „Land des Mondes“ heißt) für 27 Millionen Dollar an Argentinien und soll damit der größte Weltexporteur von elektrischem Strom werden.

Zu der Unterzeichnung dieses Vertrages ist die „Vizepräsidemtin der argentinischen Nation“, Frau Maria Estela Martinez de Perön, nach Asun-ciön gefahren. Eigentlich sollte ihr Ehemann diese Reise unternehmen, aber die Ärzte hatten sie ihm verboten, weil er nach einem fünfstündigen Besuch bei dem uruguayischen Präsidenten Juan Maria Bordaberry in Montevideo als einen Bronchitis getarnten Herzanfall erlitten hatte.

Peröns Versuch, den dritten Pufferstaat, Bolivien, auf seine Seite zu ziehen, scheint vorläufig gescheitert. Der bolivianische Präsident General Hugo Banzer kam, herzlich von Perön begrüßt, nach Buenos Aires, fuhr aber, nicht von ihm oder seiner Frau verabschiedet, kühl wieder ab. Der argentinische Versuch, das bolivianische Gas und Eisenerz nicht in Brasiliens Hände fallen zu lassen, mißlang. Perön wollte mit der Annäherung an Paraguay und Bolivien die drei „Kleinen“ auf seine Seite ziehen und auf diese Weise das politische Gleichgewicht im La-Plata-Becken gegenüber Brasilien wiederherstellen.

Argentinien hat die Streitfrage über die Konsultationspflicht bei der Ausnutzung von Naturkräften im November 1973 der UN unterbreitet. Dort sprachen sich 78 für und 6 gegen den argentinischen Antrag aus, 41 enthielten sich der Stimme. Für den argentinischen Erfolg waren die Stimmen der „Dritten Welt“, besonders Schwarz-Afrikas, ausschlaggebend. Ihre Haltung beruht darauf, daß Argentinien auf der Konferenz von Algier den „blockfreien Staaten“ beitrat und daß die afro-asiatischen Länder Brasilien die Unterstützung Portugals übelnehinen. Aber von den La-Plata-Staa-ten stimmten Bolivien und Paraguay mit Brasilien gegen den Antrag, während sich Uruguay der Stimme enthielt. Brasilien erkennt das Abstimmungsergebnis überhaupt nicht an, weil es die Zuständigkeit der UN bestreitet. Unter den Rio-de-la-Plata-Staaten ist Argentinien in der Minderheit.

Es bleibt abzuwarten, ob sich aus dem perönistischen Konzept ein Brückenschlag zwischen Argentinien und Brasilien ergibt. Zwei Tendenzen stehen sich gegenüber: auf der einen Seite ist die Rivalität zwischen den beiden Staaten das Kernproblem der „lateinamerikanischen Innenpolitik“, auf der anderen Seite ist deren Überwindung, nämlich die Integration des Subkontinentes, das unerläßliche Fernziel der „lateinamerikanischen Außenpolitik“.

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