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Weder Demokratie noch Monarchie

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Wenn ein Konflikt - wie jetzt der um die Ernennung Kurt Krenns zu einem Wiener Weihbischof - Christen zu entzweien droht und damit die Kirche und ihre Glaubwürdigkeit belastet, kann es eine Hilfe sein, den Sachfragen nachzugehen, die ihm zugrunde liegen. Uber sie kann man diskutieren, ohne Personen in Frage zu stellen.

Im Weiheritus für Bischöfe ist vorgesehen, daß ein Priester der Diözese den weihenden Bischof im Namen der Kirche um die Weihe bittet. Dann wird das päpstliche Ernennungsdekret verlesen. Anschließend heißt es im Ritus: „Nach dem Verlesen desselben sagen alle .Dank sei Gott* oder stimmen auf andere Weise, entsprechend dem örtlichen Brauch, der Wahl zu.“

Die Kirche von Wien beziehungsweise die heilige katholische Kirche, von der hier die Rede ist, ist das ganze Volk Gottes der Diözese beziehungsweise der Gesamtkirche. Was hier in einem Weiheritus erhalten geblieben ist, wurde auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil wieder neu bewußt: Kirche sind nicht nur die geweihten Amtsträger, sondern alle Gläubigen. Diese können aber nur um die Weihe bitten beziehungsweise der Wahl zustimmen, wenn sie einverstanden sind. Sonst wäre der Ritus eine leere Floskel.

Daher lautet die naheliegende erste Frage: Wie kommt die Entscheidung zustande, der da zugestimmt werden soll? Wer wählt? Ist es der Papst ganz allein oder eine päpstliche Behörde, ist es das Bischofskollegium oder zumindest die betreffende Bischofskonferenz mit dem Papst, ist es der residierende Bischof mit seinem

Presbyterium im Einvernehmen mit dem Papst oder ist es das ganze Volk Gottes der betreffenden Diözese mit seinen Amtsträgern zusammen mit dem Papst?

Schon aus dieser Aufzählung ist ersichtlich, daß hier eine Form von vornherein ausgeschlossen bleibt: Es geht keinesfalls ohne oder gar gegen den Papst. Die Kirche ist keine Demokratie, in der jeder oder jede Gruppe — hier die Diözese — selbst bestimmt, was bei ihr gilt, und danach den Leiter — hier den Bischof — wählt.

Damit kommen wir zur entscheidenden Sachfrage: Ist die Kirche deshalb eine absolute Monarchie, in der einer, der allerdings auch gewählt wird, allein bestimmt, was gilt? Oder gibt es da noch ein höheres Drittes? Die Mehrheit der Bischöfe am Zweiten Vatikanischen Konzil hatte eine solche Synthese vor Augen: die Kollegialität oder — besser gesagt — die Einmütigkeit der Bischöfe zusammen mit dem Papst als Zeichen und Garanten derselben. Aber es gelang diesem Konzil noch nicht, den vom Ersten Vatikanum absolut monarchisch verstandenen Primat des Papstes mit der Kollegialität in eine harmonische Einheit zu bringen. Sie wurden einfach nebeneinandergestellt. Der Papst entscheidet allein, ob er „persönlich“ oder „kollegial“ entscheidet.

Ein solcher scheinbar „logischer Widerspruch“ (Karl Rahner) muß zu Konflikten führen. Was vom Verhältnis Papst — Bischöfe gesagt werden kann, gilt — mutatis mutandis — auf allen Ebenen kirchlicher Hierarchie. Überall entsteht die Frage, ob der Leiter letztlich doch ganz allein entscheidet, so daß die sogenannte Mitverantwortung aller (Priesterrat, Pfarrgemeinderat) keine echte Mitverantwortung ist, sondern bestenfalls in einer Beratung besteht. Daraus ergibt sich konsequent, daß es sowohl mit dem Wortlaut des Konzils als auch mit dem kirchlichen Recht vereinbar ist, wenn der Papst in der Frage einer Bischofsernennung ganz allein und gegen den Willen eventuell sogar einer Mehrheit der Betroffenen entscheidet. Auch wenn dadurch die eingangs erwähnte Bitte zu einer Formel wird.

Gibt es keine Weiterführung über diese Kompromißlösung des Konzils hinaus, die dem Anliegen der Kollegialität wirklich gerecht wird, ohne in das andere Extrem einer Demokratisierung der Kirche zu verfallen? Karl Rahner hat eine solche versucht, indem er davon ausgeht, „daß der Papst gerade dann als Haupt des Bischofskollegiums handelt, wenn er .allein* entscheidet“ . Doch was heißt das? Der Papst handelt dann als Haupt des Bischofskollegiums, wenn er sich in Einmütigkeit mit demselben weiß, ohne das in jedem Fall durch einen streng kollegialen Akt (Konzil, Synode) ausdrücklich überprüfen zu müssen. Das heißt praktisch: Das eigentliche Wesen des Papstamtes liegt in der Verantwortung für die Einmütigkeit dieses Kollegiums, die er nicht — eventuell sogar gegen die Mehrheit der Bischöfe - durch einsame Entscheidungen hersteilen kann (eine verordnete Einmütigkeit ist keine), sondern dem Kollegium und sich selbst abverlangt.

Was vom Papst gesagt wurde, gilt dann auch entsprechend vom Bischof in der Leitung der Diözese und vom Priester in der Leitung der Gemeinde. Allerdings mit einem Unterschied: Sie werden außerdem von der Gesamtkirche durch die Weihe dazu beauftragt, auch den Anspruch auf Einmütigkeit mit der gesamten Kirche und durch diese mit Jesus Christus sichtbar zu machen und zu vertreten. Das erklärt auch, warum es keine eigene Papstweihe gibt; weil eben eine solche Übertragung der Vollmacht, authentisches Verbindungsglied zur Gesamtkirche zu sein, hier keinen Sinn mehr hat.

Eine Konsequenz daraus ist, daß alle an solchen Entscheidungsprozessen Beteiligten wirklich Gläubige sind. Und hier wird die Praxis der Kindertaufe und (-firmung) der Kirche endgültig zum Verhängnis, wenn sie nicht baldigst beginnt, die Schattenseiten dieser ungenügenden Hinführung zum Glauben durch ein nachgeholtes Katechumenat in entsprechenden Gemeinden — also durch eine Erwachsenentauferneuerung — auszugleichen.

Diese Mündigkeit aller im Glauben kann weder ein Konzil dekretieren noch kann der einzelne sie sich selbst zusprechen. Weil sie noch lange nicht eingeübt und vorhanden ist, deswegen ist die Versuchung für den Papst groß, aus Angst vor Verirrungen zu einem absolut hierarchischen Leitungsstil zurückzukehren.

Wenn man den Weg der Synthese ginge, müßte die Frage einer Bischofsernennung und dahinterstehende sachliche Anliegen des Papstes offen zur Sprache kommen und ausgetragen werden, bis die Einmütigkeit erreicht ist. Das würde sicher große Mühe kosten.

Aber es könnte der Kirche von Wien viel Leid und Schaden ersparen und darüber hinaus ein Modell sein, wie Konflikte in der Kirche zu bereinigen sind und die zugrunde liegende Problematik der Autorität gelöst werden könnte, die auf dem letzten Konzil leider nochmals offenblieb.

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