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Digital In Arbeit

Weg in neue Ungleichheit?

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In der Bundesrepublik Deutschland ist seit einiger Zeit die Sonntagsarbeit in Diskussion. Die Befürworter einer Lockerung des generellen Arbeitsverbotes am Sonntag wollen in bestimmten Produktionssektoren durch eine ununterbrochene Schichtarbeit eine bessere Auslastung der Maschinen und damit günstigere Kosten erreichen. Die Kirchen hingegen hetonen den traditionellen Charakter des Sonntags in einer vom Christentum geprägten Kultur.

Nicht ohne Schadenfreude weist man die Kirchen darauf hin, daß sie unabhängig von ihren seelsorglichen Aufgaben der „größte Freizeitunternehmer“ der Bundesrepublik sind, wenn man zum Beispiel die kirchliche Erwachsenenbildung, die hauptsächlich an Wochenenden stattfindet, Wallfahrten und anderes berücksichtigt.

Die Diskussion ist letztlich auch dadurch entstanden, daß in Deutschland wie auch in Österreich doch mittelfristig die 35-Stunden-Woche eingeführt werden wird. Das hat zur Konsequenz, daß in zunehmendem Maße der Freitag als Arbeitstag sich „verdünnt“. Schon jetzt kann man ab Freitag mittag in Büros, Ämtern, Werkstätten et cetera kaum noch jemanden erreichen.

Um dieser Abfolge — vier Arbeitstage, drei freie Tage (Freitag bis Sonntag) — zu begegnen, wurde die „schwingende 36-Stunden-Woche“ in Diskussion gebracht. Sie sieht vier Neun-Stunden-Arbeitstage im Wechsel yor, allerdings unter voller Einbeziehung des Samstags. Man erwartet sich dabei nicht nur beschäftigungspolitische Impulse, sondern auch Vorteile für den Konsumenten und Bürger, wenn Büros, Ämter, Dienstleistungsbetriebe und Handel durch sechs Tage der Woche voll geöffnet haben.

Geht nämlich die Entwicklung zu einer 4:3-Tagesabfolge weiter, dann kommt es zu einer immer stärkeren beschäftigungspolitischen Ungleichheit zwischen jenen, die das Drei-Tage-Wochenende voll genießen können, und jenen Arbeitnehmern und Betrieben, die die Freizeitaktivitäten der ersteren befriedigen müssen.

Bei einer jüngst abgehaltenen Tagung der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände in Köln, Ausschuß Kirche-Wirtschaft, unter fachkundiger Leitung des Österreichers Jürgen Em, zu der Sozialethiker beider Konfessionen, Vertreter kirchlicher Verbände und Unternehmer geladen waren, wurden diese Problemfelder eingehend diskutiert.

Es wird immer deutlicher, daß für viele Berufsgruppen die 35-Stunden-Woche, ja sogar eine 40-Stunden-Woche ein ferner Traum bleiben wird. Für kleinere und mittlere Unternehmer, Wissenschaftler, Pädagogen, die ihren Beruf ernst nehmen, Freiberufler, leitende Angestellte und Beamte und nicht zuletzt für die Mütter und Hausfrauen wird die Wochenarbeitszeit auch in Hinkunft mehr als 35 oder 40 Stunden betragen. Mit Recht wird gefragt, ob das ein Weg in eine neue Ungleichheit ist.

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