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Weg mit dem Gemäuer!

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Fährt man vom Linzer Hauptplatz kommend, über die Nibelungenbrücke in Richtung Urfahr, empfängt einen „drüben" ein unerfreulicher Anblick. Während linker Hand das neue Verwaltungsgebäude der Stadt wächst und wächst, bietet sich rechts ein Bild des Zerfalls. Verlotterte Fassaden, Einschüsse, die noch aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges stammen, und die grellviolett gef arbeite Front eines Sexshops stechen ins Auge.

Die Besitzer der Häuser für diesen Zustand verantwortlich zu machen, wäre zu einfach, denn seit 45 Jahren gibt es für sie ein Bau- und Renovierungsverbot.

Nun liegt ein Bebauungsplanentwurf für das Gebiet vor. Hinter dem Wortungeheuer steckt die Absicht, sämtliche Gebäude bis zur Urfahrer Stadtpfarrkirche abzureißen, um Platz für ein architektonisches Gegenstück zum neuen Rathaus zu schaffen. Unter den Häusern, die Bagger und Spitzhacke zum Opfer fallen sollen, befindet sich ein gewachsenes Ensemble rund um die Kirche und das Cafe Landgraf, einer der beiden letzten neugotischen Profanbauten von Linz.

Zur Rettung von Alt-Urfahr-Ost ist nun eine Bürgerinitiative angetreten. Innerhalb von vier Wochen wurden über 3000 UnterSchriften für die Erhaltung des alten Stadtteils gesammelt, Presse und Öffentlichkeit alarmiert und Politikern auf die Zehen getreten. Die Bürgerinitiative setzt sich nicht nur für Gebäude ein, sie zeigt auch die menschliche Seite des Problems auf. So wird das Schicksal eines Schuhmachermeisters angeführt, der seit achtundzwanzig Jahren in der Schulstraße als selbständiger Gewerbetreibender angesiedelt ist und für eine kranke Frau und ein Kind zu sorgen hat. Seinen Kundenstock könne er nicht mitnehmen so wie die Möbel, argumentiert der Betroffene.

Trotz zum Teil desolater Zustände handelt es sich um ein lebendes Viertel. Beliebte Gaststätten, wie das „Weinfaßl" oder das „Cafe Berlin", leben in friedlicher Nachbarschaft zur Wohnbevölkerung und zu zwei Kulturvereinigungen, die ihre Räume mit viel Idealismus adaptiert haben.

Mitten in die Diskussion, welche Häuser eigentlich erhaltungswürdig seien, und ob eine Wohnbaugenossenschaft geeignet sei, dies zu überprüfen, platzte Architekt Falkner mit einer neuen Idee. Falkner, der den Zuschlag zum Bau des Verwaltungspalastes deshalb bekommen hatte, weil er auf der gegenüberliegenden Seite ein Pendant dazubauen wollte, schlug vor, ein Opernhaus an den Brückenkopf zu setzen. Die sozialistischen Stadtväter, an ihrer Spitze der scheidende Bürgermeister Hülinger, riefen Hurra — dieselben übrigens, die heuer den Theatervertrag gekündigt haben, wonach sich Stadt und Land den Abgang der Landesbühnen bisher teilten. Vizebürgermeister Hödl von der ÖVP schüttelt zum Projekt Oper den Kopf. Industrie und Umweltschutz, so Hödl, müßten in der schwer belasteten Stadt Linz Vorrang genießen. Dieselbe Meinung vertritt Landeshauptmann Ratzenböck, der selbst seit geraumer Zeit von einem neuen Theater träumt, derzeit aber keine Finanzierungsmöglichkeit sieht.

Argumente für ein neues „Großes Haus", in dem das Musiktheater seinen angemessenen Platz fände, gibt es viele. Das Haus an der Promenade ist von Akustik und Platzangebot her unzulänglich und wird dem Bedarf der Landeshauptstadt und ihres Einzugsgebietes nicht gerecht. Es fragt sich jedoch, ob dieses ehrgeizige Projekt gerade an dem Standort entstehen soll, wo es ein Stück gewachsene Altstadt gibt.

Gefordert ist eine grundsätzliche Entscheidung: zum wenig spektakulären Erhalten und damit zum Kleinen oder zum aufwendigen, möglicherweise imposanten Großbau. Wobei die bisher begangenen Sünden nicht vergessen werden dürfen: der Betongigant „Lentia 2000" zum Beispiel, oder der halb leerstehende Glas-Protzbau einer Versicherung an der Rudolfstraße.

Die Chancen der Bürgerinitiative, eine radikale Lösung zu verhindern, stehen gut. Althaussanierung und Altstadt-Revitalisie-rung sollen auch in Urfahr keine leeren Schlagworte bleiben. Der heikelste Punkt allerdings wird dann erreicht, wenn es gilt, in entstehende Lücken behutsam Neues einzufügen.

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