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Weg von der Selbstsucht

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Warum leisten wir Hilfe zur Entwicklung, zur Bewältigung der Notsituationen und zum menschlichen Fortschritt in dieser Welt? Mitglieder des Päpstlichen Rates „Cor Unum“ haben jüngst mit den Verantwortlichen in Rom diese Frage studiert. Für

die Tagung war das seit der Gründung des Rates 1971 durch Paul VI. im Mittelpunkt stehende Leitwort „Tut alles aus Liebe!“ gewählt worden.

Man mag am Anfang die Frage stellen (und sie wurde in den Beratungen auch gestellt): Warum rhuß man immer wieder darüber sprechen und dieses Motiv eingehend studieren? Die Antwort liegt in der Tatsache, daß die Schwachheit des Menschen sehr leicht äußere Vorteile, sein eigenes Wohlbefinden und seinen persönlichen Vorteil oder eine sozial- oder machtpolitische Zwecksetzung zu verwirklichen beabsichtigt. Gerade für die großen Aktionen der

katholischen Kirche ist eine klare Zielsetzung bedeutsam.

1. Rehabilitierung der biblischevangelischen Liebe: Alle anderen Motivationen der sozialen Verpflichtung, der mitmenschlichen Verantwortung sowie die so- zialreformerischen und sozialpolitischen Aspekte sind eher vordergründig und greifen nicht in die Tiefe des Menschen; sie bieten daher auch keine genügende Grundlage einer wesentlichen Motivation, die bleibt und hält. Jesus Christus fordert immer wieder die gelebte Gottes- und Nächstenliebe als Geisteshaltung, die den Menschen als von Gott geliebtes Geschöpf sieht und daher die unauslöschliche Grundmotivation zur ständigen und für alle gültigen Nächstenliebe ist.

Es wurde betont: Dieses Grundmotiv „Liebe“ müsse alle Aktionen der Christen bewegen. Es wird in Zukunft eine „Katechese der Liebe Christi“ notwendig sein. Alle Aktionen für Verkündigung, Caritas und Entwicklungshilfe müssen überprüft werden, ob sie vorrangig das „ Was“ und „Wieviel“ oder das „Wie“ beachten.

2. Die Kirche ist eine konkrete Gemeinschaft der Liebe. Das Va

ticanum II hat „Gnade und Liebe“ als Zeichen der Kirche herausgestellt. Unter den vielen Menschen unseres 20. Jh. stechen etwa der heilige Maximilian Kolbe oder Mutter Teresa oder Charles de Foucauld heraus. Die Institution Kirche steht nie im Gegensatz zur Inspiration, weil die Institution die Hilfe ist für das Fruchtbarwerden der Liebe.

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. Es wurde betont, daß die gegenseitige Verbundenheit von Verkündigung, Liturgie und Diakonie neu erkannt werden müsse. Es geht darum, daß alle Initiativen der Kirche, angefangen von der Basis bis zum Bischof, untereinander abgestimmt werden und unter bischöflicher Leitung geschehen. Alle Initiativen auf jeder Ebene bedürfen der Koordination.

Die Pfarre ist bedeutsam. Die Überprüfung unseres Lebensstils ist notwendig.

3. Die Kirche hat auf die Anforderungen unserer Zeit zu antworten. Fast 800 Millionen Menschen hungern ständig, an die 100 Millionen sind am Verhungern. In den industrialisierten Ländern werden sieben Achtel der Güter konsumiert. Man gibt 20 mal so viel für die Rüstung wie für die Entwicklungshilfe aus.

Es wurde betont: Papst Johannes Paul II. hat zur „Option für die Armen“ aufgerufen. Der geistige Einsatz für Gerechtigkeit und Friede ist notwendig. Die Förderung des Einsatzes der freiwilligen Entwicklungshelfer soll eine Brücke für Gerechtigkeit und Liebe werden. Inmitten der Hungernden und Unterdrückten soll die Kirche durch Wort und Tat „Anwalt der Armen und Entrechteten“ sein! Die größte Tat der Kirche ist die Freigebigkeit in

Liebe. Angesichts von Not und Ungerechtigkeit darf die Kirche /licht die „Sünde des Schweigens“ begehen. Die Kirche muß die Sünden der Ichsucht, der Habsucht, der Selbstsucht, der Lieblosigkeit und der Herrschsucht aufzeigen. Sie hat zu verkünden, daß die Güter der Erde für alle da sind.

4. Die Aufgabe der Kirche besteht im Teilen und Sorgen! Darin liegt auch die gelebte Botschaft Jesu. Es geht uns nicht um eine „Vorsorge“ oder „Fürsorge“, sondern um „Hilfe zur Selbsthilfe“.

Es wurde betont: Der Christ, der in der Welt konkret wirksam werden will, muß die Begeisterung für die Lehre Christi erfahren; wir haben Menschen, aber auch kranke Strukturen zu bekehren.

5. Schlußfrage: Was ist zu tun? Wir wissen, daß viel Geld und personelle Beratung notwendig sind, aber wir haben erkannt, daß alle Aktionen in Zukunft noch mehr von der geistigen Zielsetzung christlicher Liebe getragen sein müssen. Weltweit geht die Einladung an alle in Aktionen Verantwortlichen, an die gesamte Geberschaft, diese christliche Wesensart aufzuweisen. Darum will auch „Cor Unum“ besonders bemüht sein.

Der Verfasser ist Vizepräsident des Päpstlichen „Cor Unum“ im Vatikan.

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