6988272-1986_35_08.jpg
Digital In Arbeit

Weiber geht's nicht mehr

19451960198020002020

Die täglichen Werbeslogans versprechen uns das Blaue vom Himmel herunter. Gesundheit und Umweltbewußtsein gehören heute zum unverzichtbaren Inventar eines erfolgreichen Marketings.

19451960198020002020

Die täglichen Werbeslogans versprechen uns das Blaue vom Himmel herunter. Gesundheit und Umweltbewußtsein gehören heute zum unverzichtbaren Inventar eines erfolgreichen Marketings.

Werbung
Werbung
Werbung

Nur „der löffelliebe Kinderpudding aus den handgepflückten Freilandkirschen“ konnte gut genug fürs Baby sein. Sauber wurde der Kleine nur mit der Seife, die „porentief wäscht“. Und für die dreckigen Windeln gab es, natürlich, das Waschmittel, das „so weiß wäscht, weißer geht's nicht“.

So oder ähnlich dringen seit Jahren die Werbeslogans ins Ohr des staunenden Publikums. Die grandiosen Versprechen machen bisweilen nahezu 90 Prozent der Werbung aus.

Doch so sorgt die Branche auch für die rasche Vermehrung einer Spezies, auf die sie liebend gern verzichten würde: den „aufgeklärten Konsumenten“, der das Buhlen mit Pseudo-Vorteilen immer mehr als leere Worthülsen entlarvt, der sich nicht mehr für dumm verkaufen lassen will und sich schließlich von solcherart Werbung mehr abgestoßen als angesprochen fühlt. Zwangsläufig müssen die Kreativen in den Agenturen an anderen Formen der Kommunikation basteln, damit die potentiellen Zielgruppen nicht scharenweise davonlaufen.

Es ist ein allgemeiner Trend: Anstelle des Holzhammers bedient sich die Werbebranche der subtilen Mittel. Anregende Andeutungen, die sehr vage, aber auch eindeutig zweideutig sein können, sollen die Phantasie des einzelnen blühen lassen. Eine vielversprechende Symbolik sagt mehr als tausend überflüssige Worte.

Das gilt auch für das Thema Sex, den Klassiker der Werbegeschichte. Jedes Zuviel kann hierbei ein Zuwenig an Werbewirksamkeit bedeuten. Statt nackter Tatsachen dominiert jetzt die leichte Erotik, oft noch mit einer Prise Humor garniert. Produktorientiert und in der richtigen Dosis verabreicht, ist die Erotik in der Werbung allemal ein kommerzieller Erfolg.

Davon profitierte bislang auch Römerquelle („Belebt die Sinne“), das durch eine vielfach preisgekrönte Kampagne zum Marktieader am österreichischen Mineralwassermarkt avancierte.

Ein Faktor für die Gestaltung der Anzeigen waren Untersuchungen, die zeigten, daß viele Leute Mineralwasser mit Erotik und Vitalität („Quelle des Lebens“, „Jungbrunnen“) verbanden. Zudem wußte man, daß in Ländern mit hohem Pro-Kopf-Verbrauch von Wasser wie Italien und Frankreich die Flasche Wasser ein selbstverständlicher Teil “der Tischkultur ist. Dieses Lebensgefühl auch in Österreich transparent zu machen, und das „Notgetränk“-Image („für die, die keinen Alkohol vertragen“) durch ein jugendliches Flair zu ersetzen, war das Ziel der Anzeigen.

Das plakative Resultat: Drei adrette junge Leute, die in einem erotischen Dreiecksverhältnis zueinander stehen, lassen es sich an einem kuhnarisch verlockend gedeckten Tisch gutgehen. Im Mittelpunkt des prickelnden Geschehens: die prickelnde Wasserflasche.

Die Römerquelle-Kampagne zeigt, wie moderne Werbung gemacht werden muß: mit Demoskopie und Motivforschung, durch das Abfassen eines Problemkatalogs, einen Blick ins Ausland plus einer exakten Zielvorgabe.

Werbung heute hat einen weitgehend gesättigten Markt vor sich. In den engen Marktnischen tummeln sich viele Konkurrenten. Selbst in der Kleidermode, seit jeher der augenfälligste Vertreter neuer Trends, herrscht nicht die große Werber-Freiheit.

Neue Modelle werden in Paris oder anderen Modemetropolen vorgestellt. Die Journalisten fahren allesamt dorthin und publizieren die neue Welle in ihren Hochglanz-Zeitschriften. Sie sind hier die eigentlichen Trendsetter. Die Werbung muß das Modediktat dann befolgen und kann dem Genossen Trend zwar kräftig unter die Arme greifen, nicht aber für eine eigenständige Idee, sondern lediglich für eine Marke Reklame machen. Wer die falsche Farbe für die Herbstkollektion anbietet, hat den Zug der Zeit schon verpaßt.

Auch nicht mit dabei ist die Werbung, die nicht das aktuelle Wertbewußtsein in ihrer Botschaft vertritt. Stärkster gesellschaftspolitischer Wertewandel der letzten Jahre war der Umweltschutz. Die jüngste Studie des Instituts für Gesellschaftspolitik zum Thema „Konsument und Umwelt“ belegt, daß die österreieher jetzt einen Höhepunkt ihres Umweltbewußtseins erreicht haben.

Kein Wunder also, daß sich die Werbebranche als Verein der Naturschützer präsentiert. Jedes Produkt, das in den Verdacht eines Umweltverpesters kommen kann, wird mit einem grünen Etikett versehen. Getankt wird an der Grünen BP-Tankstelle, da sie „für mehr Umweltqualität“ sorgt. Das Grüne Persil, phosphatfrei, wäscht „für eine bessere (!) Umwelt“. -Mineralöl und Waschmittel quasi als Düngemittel für den sterbenden Wald.

Mitunter kollidieren die Konsumentenwünsche nach Gesundheit und Umweltschutz mit den kleinen Sünden, von denen man sich nicht gänzlich lossagen kann. Rauchen und Autofahren sind da die Dauerbrenner. Gelingt dem Werber auch hier noch die ideale Mixtur aus Wertebewußtsein und Bedürfnisbefriedigung, so hat er die Gesetze modernen Lebens (das Zauberwort heißt „Zeitgeist“) voll erfüllt.

Das österreichische Paradebeispiel hierfür ist die Memphis-Light-Zigarette („Die Leichte für Starke“). Seit 1945 wurde in Europa keine Zigarette so schnell so erfolgreich vermarktet.

Das Zeitgeist-Konzept, das dahinter stand: Die Werbebotschaft sollte Körperbewußtsein und „InSein“ dokumentieren und Ausdruck für die Modebegriffe „easy, fit and fun“ sein. Trends zu Fitneßcenters und Solarien standen der Strategie Pate.

Das Horchen am Puls des Zeitgeistes zeichnet die moderne Werbung aus. Indem sie Trends und Tendenzen, Werte und Strömungen aufsaugt und sie in oft beeindruckender Einfachheit als gebündelte „Message“ verkündet, wird sie zu einem Schlüssel zur Zeit-Dokumentation.

Vielleicht gibt in ferner Zukunft ein erfolgreicher Werbespot mehr Auskunft über das Typische unserer Zeit als die literarischen Werke zeitgenössischer Autoren. Vielleicht läßt sich dann auch beurteilen, was gute und was schlechte Werbung ist.

Gültige Kriterien gibt es dafür auch heute noch nicht, denn trotz aller anspruchsvollen Philosophien gibt es immer noch die Werber alter Schule. Sie setzen unverdrossen auf die Werbung mit dem groben Keil. Und auch sie haben recht, denn plumpe Anbiederung und der dumme Satz können eine Eigendynamik bekommen, vor der auch der „aufgeklärte Konsument“ nicht gefeit ist. Der Autor studiert Volkswirtschaft in Wien.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung