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Weichen sind gestellt

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Die Wahrheit über die Zu-“kunft der Pensionen wurde dem Österreicher bisher verschwiegen, und es spricht alles dafür, daß die Politiker auch in Zukunft nicht den Mut dazu aufbringen werden.

Wir sind mit der Tatsache konfrontiert, daß Altersvorsorge teuer ist. Wie teuer, macht eine 1987 erschienene Studie1 bewußt: Im Jahre 2030 werden - Basis 1987 -26,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts — für die Altersvorsorge (auf heutigem Niveau inklusive Beamten) benötigt, das sind über 400 Milliarden (!).

Diesen benötigten 400 Milliarden stehen 1987 gegenüber: PV-Leistungen 170 Milliarden Pensionen der öffentlich Bediensteten 60 Milliarden Betriebspensionen 6 Milliarden Leistungen der Lebensversicherung 7 Milliarden Es fehlen also rund 150 Milliarden, die für die Altersvorsorge zusätzlich aufgebracht werden müssen. Bei der hohen Priorität, die die Österreicher einer Pension zuerkennen — die Österreicher sind geborene Frühpensionisten, wie das eine Gallupumfrage aus Juni 1988 beweist —, stehen angesichts dieser Problematik eigentlich nur zwei Lösungsmöglichkeiten zur Verfügung:

Entweder wir bringen diese zusätzlichen Mittel durch Zwang — über Beiträge und Steuern — auf, oder diese Mittel werden als Eigenvorsorge — organisiert (Betriebspensionen) oder individuell — aufgebracht.

Die weitere Möglichkeit, die Altersgrenze auf über 70 Jahre - im Durchschnitt — hinaufzusetzen, ist illusorisch, da sie durch Invaliditätspensionen unterlaufen würde — und die Österreicher gerade das am allerwenigsten wollen.

Sollen diese zusätzlichen Mittel durch Zwangsabgaben aufgebracht werden, so müßten entweder die Beiträge zur Pensionsversicherung (PV) auf über 40 Prozent vom Bruttoverdienst — bei unverändertem Staatszuschuß von zirka 30 Prozent — angehoben werden. Damit würden wir aber neben den Beiträgen zur Kranken-, Unfall-, Arbeitslosenversicherung und natürlich Steuern beim „Taschengeldstaat“ landen.

An der Größenordnung scheitern auch alle anderen Lösungsansätze, wie durch eine Maschinensteuer die Betriebe einseitig zu belasten oder diese zusätzlichen Mittel über — noch zu erfindende — Steuern aufzubringen. 1987 wurden bereits 52 Milliarden über das Budget zugeschossen und bedrohen bereits diese Zuschüsse die Finanzierbarkeit des Staatshaushalts. Darüber hinaus belastet die kommende Uberalterung nicht nur die PV, sondern auch die Gesundheitspolitik: denn selbstverständlich steigen die Kosten der Krankenversorgung einer so überalterten Bevölkerung -noch dazu bei den stark steigenden Kosten der Medizin — überproportional; eine gewaltige Last, die neben der PV auf die nächste Generation zukommt.

Eine solche Last kann nur freiwillig geleistet werden. In allen entwickelten Staaten werden über betriebliche oder individuelle Eigenvorsorge beträchtliche Mittel aufgebracht. Auch die stark steigenden Abschlüsse der österreichischen Lebensversicherung zeigen an, daß ein Teil der Österreicher die Notwendigkeit der Eigenvorsorge bereits erkannt hat. So erreichten 1987 die Prämieneinnahmen der Lebensversicherung bereits zirka 22 Milliarden.

Zwangsabgaben sind leistungsfeindlich und führen zur Leistungsverweigerung beziehungsweise zur Flucht in die Schattenwirtschaft. Die Steuerreform hat dieser psychologischen Belastungsgrenze Rechnung getragen. Der Österreicher unterscheidet nun aber nicht zwischen Steuer und Beiträgen aus Sozialversicherung: für ihn ist alles Zwangsabgabe. Alle Lösungen, die auf der Beitragsseite ansetzen, stoßen daher an diese psychologische Obergrenze der Belastung. Im Gegensatz dazu sind Prämien für eine Eigenvorsorge eher lei-stungsmotivierend: sie müssen durch er-

(Photo Begsteiger) höhte Leistungen erarbeitet werden. Die Steuerreform hat nun zweifach gesellschaftspolitische Weichen gestellt:

Sie hat den Steuerbürger entlastet. Damit ist er in verstärktem Maße zur Eigenvorsorge fähig geworden.

Sie hat — zunächst steuerlich — die Möglichkeit zur Schaffung von Pensionsfonds(kassen) geschaffen. Noch fehlen die Ausfüh-

„ Prämien für die Eigenvorsorge sind leistungsmoti-vierend“ rungsgesetze für diese Pensionsfonds, die noch heuer geschaffen werden sollen. Das entscheidende Hindernis ist aber bereits zur Seite geräumt. Es ist vielleicht ein Schönheitsfehler, daß es erst des VOEST-Debakels bedurfte, um den ideologischen Widerstand zu überwinden. Es liegt nun bei den österreichischen Arbeitnehmern und -gebern, was sie aus dieser „Zweiten Säule“ der Altersvorsorge machen.

Gehen wir wieder von der Größenordnung des Problems aus: zusätzlich müssen zirka 20 Prozent des Bruttoverdienstes für die Altersvorsorge aufgebracht werden. Die zehn Prozent, die als Obergrenze bei diesen Pensionsfonds festgelegt wurden, lösen daher nur zum Teil — selbst wenn alle Österreicher davon Gebrauch machen(!) — das Problem. Für die individuelle Eigenvorsorge bleibt daher noch ein weites Feld. Die gesellschaftspolitische Weichen-

„An der finanziellen Größenordnung scheitern manche Alternativen“

Stellung dieser Steuerreform liegt aber darin, daß mit den Pensionsfonds ein taugliches Instrument zur Lösung der Altersvorsorgeproblematik geschaffen wurde. Es wird noch einige Jahre dauern, bis ein geändertes Problembewußtsein auch in Österreich dazu führt, daß Altersvorsorge wieder in erster Linie als individuelles Problem gesehen wird. Die Ablöse vom alleinzuständigen, für alles vorsorgenden Staat wurde zumindest eingeleitet.

Findl/Holzmann/Münz: „Demographische Entwicklung und Sozialausgaben“, Boltzmann-Institut (inklusive Gesundheitsausgaben für die Pensionisten, soweit sie Leistung der PV sind).

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