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Weihbrot, Lamm und Osterschinken
Die strenge Einhaltung der Fastengebote in der Zeit zwischen Aschermittwoch und Ostern war einstmals weitgehend selbstverständlich. Dennoch hatten manche Fastenspeisen und -gebäcke (so Brezeln, Kipferln und kreisförmige „Beugeln“) durchaus etwas „Kulinarisches“ an sich; und auch die am Gründonnerstag genossenen „Grünspeisen“ (heute überwiegend Spinat, früher unter anderem die „Sieben-“ oder „Neunkräutersuppen“ aus den ersten eßbaren Pflanzen des Frühjahrs) boten eine willkommene Abwechslung.
Die an diesem (sowie am nächsten) Tag gelegten Eier, .Antlaß- eier“ genannt (der Name bezieht sich auf den altkirchlichen Brauch der Entlassung aus der Kirchenbuße am Gründonnerstag), aß man jedoch nicht sofort — man hob sie vielmehr auf, weil man ihnen besondere Kräfte nachsagte: sie förderten die Fruchtbarkeit, schützten vor Blitzschlag und Krankheit. Für den Karfreitag, dem strengsten Fasttag neben dem Heiligen Abend, waren verschiedene Karfreitagsbrote charakteristisch.
Nach der Auferstehungsfeier am Karsamstag hat die lange Fastenzeit ein Ende, was insbesondere durch die kirchliche Speisenweihe und besondere Osterspeisen deutlich wurde und wird. 1689 schreibt der Topograph Johann Weichard Valvasor in seinem in Laibach und Nürnberg erschienenen Werk „Die Ehre des Hertzogthums Crain“ im Absatz „Speise=Weihe in den Ostern“ folgendes:
„Die Leute / sonderlich auf den Dörffern / tragen / in den Ostern / anstat deß Oster=Lämmleins / allerley Eß=Waaren / zur Kirchen / in einem Körblein; als gedörrte Schwein=Schuncken / und Schulter; imgleichen gesalt- zenes Rindfleisch / auch in Brasi- lien=:Holtz gesottene Eyer / und einen Kolatsch. Solches muß ihnen der Geistliche / nach gehaltener Messe / segnen / oder weihen.“
Der Autor gibt auch gleich das Rezept an, nach dem dieser „Kolatsch“ (dem Wiener ist das Wort
als „Golatschn“ ja durchaus geläufig) zubereitet, das heißt gebacken wird:
„Man nimt einen weissen Teig / und breitet denselben auf einer Tafel / auseinander / biß daß er gar dünn wird; streicht hernach Finger dick darauf geriebenen Käse / drein frische Eyer geschlagen / auch Milch /und Milchram gethan / und Alles durcheinander gemischt ist; bey den Edel= und Burgersleuten / thut man ein wenig Weins dazu / auch Zucker / und Weinbeerlein (oder kleine Rosinen). Alsdann wird Alles zu- sammengewalgt / und geschlossen / daß es einem runden Krantz gleichförmig bleibt. Den Edlen
und Burgern / bespickt man solches Alles / über und über / mit weissen abgezogenen Mandelkernen … Nach sothaner Ausstafi- rung und Verleckerung backe man solchen Kuchen: welcher hernach ein Kolatsch genannt wird. Man bereitet sie / in unterschiedlicher Größe; und zwar etlicher Orten zwantzig oder dreissig Pfund schwer / auch noch wol schwerer / und hingegen auch offt viel kleiner.“
Was hier der Krainer Polyhistor so anschaulich schildert, ist zum einen die österliche Speisenweihe, zum anderen das Backen eines im heutigen Slowenien „ko- lac“ genannten Rund- oder Kranzkuchens. Er gehört zu den auch in Österreich noch heute als „Ostergebäck“ bekannten Formen: zu diesen zählen—neben einfachem oder besserem Hausbrot, dem „Weihbrot“ (auch Osterlaib bzw. Osterbrot benannt) — verschiedene Kuchen von unterschiedlichem Aussehen und Geschmack (einige Namen seien hier angeführt: Osterfleck, Osterfloß, Reindling, Zopf, Striezel, Strudel, Kipfel, Schiedl) sowie tierförmiges Backwerk (Osterlämmer, Hasen, Hennen, Hirsche etc.).
Auch die im „Weihkorb“ zur Segnung gebrachten Speisen sind derzeit noch bekannt und üblich:
Geselchtes und/oder Schinken, Eier, Butter (auch in Lämmchenform), Salz, Kren. Die Weihe fand und findet zumeist am Ostersonntag im Verlaufe des Gottesdienstes statt; in ganz entlegenen Bergbauernhöfen hatten einstmals die Hausherren selbst die Segnung übernommen.
Ihren Ursprung hat die Speisenweihe im kirchlichen Brauch der Osterbenediktionen, welcher nachweislich bis ins 7. Jahrhundert zurückgeht und im Mittelalter allgemein verbreitet war. Geweiht wurden damals schon: Lämmer bzw. Lammfleisch, Schinken, Eier, Brot, Salz. Auch eine Rettichweihe ist überliefert, allerdings für Aschermittwoch oder Petri Stuhlfeier (22. Februar); unter Rettich mag man wohl auch den Meerrettich, unseren Kren, verstanden haben.
Trotz dieser kirchlich-christlichen Herkunft sind mit den Osterspeisen noch im 20. Jahrhundert durchaus auch magischabergläubische Vorstellungen verbunden gewesen: man „opferte“ davon den Elementen, warf den ersten Bissen „für die armen Seelen“ ins Herdfeuer, gab den Stalltieren und dem Geflügel ein paar Brocken, fabrizierte aus den Knochen des Osterschinkens ein heilendes Pulver. Natürlich war der Genuß der geweihten Speisen an sich schon mit Gesundheit, Heil und Segen verbunden; überdies konnte etwa im Süden der Bundesländer Steiermark und Kärnten derjenige, der nach der Speisenweihe als erster heimkam, mit einer frühen Ernte rechnen, weshalb sich regelrechte Wettläufe entwickelten. Auch das hat Valvasor schon beschrieben und kommentiert:
„Alsdann lauffen diejenigen Männer und Weiber / welche die Körblein und Torwitzen (wie mans in Crain nennet) mit dem Fleisch tragen / so geschwinde / als ihnen möglich ist / nach Hause. Dieser Brauch ist fast / im gantzen Lande / üblich. Und haben die einfältige Leute gemein- lich diesen Wahn=Glauben da- bey / daß derjenige / welcher seine geweihte Speise am ersten nach Hause bringt / in selbigem
Jahr auch am ersten seinen Hirs ausjete.“
Daß nach vielwöchigem Fasten der plötzliche österliche Überfluß auch gewisse Gefahren barg (die man an sich lediglich als für unsere Wohlstandsgesellschaft typisch ansieht), das wissen wir aus einem Bericht des steirischen Ka- meralverwalters Johann Felix Knaffl, geschrieben 1813. In seinem „Versuch einer Statistik vom kameralischen Bezirke Fohns- dorf im Judenburger Kreise“ liest man:
„Am Ostersonntage wird in der Kirchen die Fleisch, Brodt und Eyer Weihe gehalten. Ich habe nichts wieder diese Gewohnheit, aber ich wünschte, daß das Landvolk nach einer so langen Entwöhnung von dem Genüsse des Fleisches sich nicht wie gewöhnlich überässe und durch den gierigen Genuß desselben und der alten, hart gesottenen und oft halb verdorbenen Eyern nicht krank würden.“
Der Autor ist Assistent am Institut für Volkskunde der Universität Wien.
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