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Weit ist der Weg zum Eurokommunismus...

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„Wir in Schweden sind auf dem Weg zum Kommunismus schon am allerweitesten“, meinte kürzlich ein kommunistischer Politiker selbstironisch. „In China und der UdSSR gibt es erst eine KP; wir haben schon drei.. Die Worte des schwedischen Kommunisten passen auch auf die Situation in Norwegen und Dänemark. Der Spaltpilz hat die Linke befallen, wodurch sie sich selbst um den Einfluß bringt, den sie bei geschlossenem Auftreten haben könnte. Doch nicht alle, die sich auf Marx berufen, marschieren gemeinsam...

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„Wir in Schweden sind auf dem Weg zum Kommunismus schon am allerweitesten“, meinte kürzlich ein kommunistischer Politiker selbstironisch. „In China und der UdSSR gibt es erst eine KP; wir haben schon drei.. Die Worte des schwedischen Kommunisten passen auch auf die Situation in Norwegen und Dänemark. Der Spaltpilz hat die Linke befallen, wodurch sie sich selbst um den Einfluß bringt, den sie bei geschlossenem Auftreten haben könnte. Doch nicht alle, die sich auf Marx berufen, marschieren gemeinsam...

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Es hat in jüngster Vergan genheit in Dänemark zwei Beispiele gegeben, die diese Zerstrittenheit aufs deutlichste demonstrierten. Zunächst scheiterte der Versuch kläglich, im Rahmen einer „Volksbewegung gegen die EG“ eine gemeinsame Plattform der Linken für die Europawahlen im kommenden Juni zu bilden. Politisch weniger bedeutsam, aber besonders charakteristisch war Vorfall Nummer zwei: Am 1. Mai hielten Kommunisten, Linkssozialisten, revolutionäre Sozialisten und „noch linkere“ Kommunisten jeweils getrennte Kundgebungen ab, manchmal nur wenige hundert Meter voneinander getrennt, weil man sich nicht auf die Spruchbandparolen für eine gemeinsame Demonstration hatte einigen können...

Da das dänische Wahlgesetz für den Einzug ins Parlament nur eine niedrige 2-Prozent-Sperrgrenze verlangt, sind nicht weniger als drei Parteien links der Sozialdemokratie im Folketing vertreten. Die derzeit kleinste von ihnen ist die bedeutungsvollste: „Linkssozialisten“ ist ihr Parteiname, sie haben sich von den Kommunisten abgespalten und sehen sich selbst links der KP. Als revolutionäre Marxisten halten sie die Vertretung im Parlament nur für ein Mittel zur Agitation; ihr Kampf gilt weniger dem Gewinn von Mandaten als von Schlüsselpositionen im öffentlichen Leben. 2,7 Prozent der Wähler stimmten im Vorjahr für die Partei, etwa 4 Prozent würden es heute tun, wenn die Meinungsumfragen recht behalten.

Auf den Universitäten und Lehrer-

Seminaren dagegen zählen sie gut ein Drittel der Studierenden als Anhänger. Kindergärten, Schulen, Sozialeinrichtungen sind ihre Hochburgen. Der „Marsch durch die Institutionen“, den einst Rudi Dutschke propagiert hat, ist ihnen bereits in großem Umfang gelungen; die Auswirkungen wird man wohl erst in einigen Jahren sehen.

Die „Linkssozialisten“ sind keine Kommunisten, sie sind ideologische Kinder des revolutionären Jahres 1968. Die Kommunistische Partei dagegen fußt auf der orthodoxen marxistischen Weltanschauung Maskauer Prägung. Ohne den „Eurokommunismus“ offiziell verurteilt zu haben, ist man in der praktischen Arbeit ganz im Fahrwasser der KPdSU. Die DKP hat im Vorjahr ihren populären Führer Knud Jes-persen durch Tod verloren und hat diesen Verlust noch nicht überwun-

den. Traditionell stimmen etwa drei bis vier Prozent der Dänen für die Kommunisten, daran wird sich wohl auch in Zukunft weder nach unten noch nach oben viel ändern.

Eine weitere linkssozialistische Gruppe, die „Sozialistische Volkspartei“, hatte nach ihrer Abspaltung von

der DKP eine Zeitlang ein gewichtiges Wort in der dänischen Politik zu reden; jetzt scheint sie ihren früheren Platz am linken Rand der Sozialdemokratie aufgegeben zu haben und gewillt zu

sein, sich mit den „Linkssozialisten“ in den Kampf um die Stimmen der Wähler der äußersten Linken zu stürzen; diesen Kampf wird die „Sozialistische Volkspartei“ verlieren. Die SF war früher der einzige Gesprächspartner auf der Linken für die Sozialdemokraten. Seit einiger Zeit ist auch sie für Anker Jörgensen unakzeptabel geworden.

Außerdem spukt noch eine „Kommunistische Arbeiterpartei“ chinesischer Prägung durch Dänemarks Po-litlandschaft. Sie ist meist dabei, wenn irgendwo ein gesetzwidriger Streik ausbricht. Ihre Mitgliederzahl hält die KAP streng geheim. Allzu groß ist sie wohl nicht...

In Norwegen hatte es vor fünf Jahren so ausgesehen, als sollte eine machtvolle „linke Plattform“ entstehen. Im Zug der Ablehnung eines EG-Beitrittes durch Norwegens Wähler, als viele Sozialdemokraten mit der EG-freundlichen Haltung der „Arbeiterpartei“ unzufrieden waren, bildete sich eine „Sozialistische Wahlallianz“, die auf Anhieb 16 Mandate gewann. Volkssozialisten, Kommunisten und linke Sozialdemokraten hatten kurzfristig zusammengefunden. Doch die Kooperation barst schon ein knappes Jahr später, als aus dem Wahl verband eine Partei werden sollte. Als die „Sozialisti-

sche Linkspartei“ gegründet wurde, war die NKP, Norwegens Kommunistpartei, nicht mehr dabei. Zwar sprang der Kommunistenführer Rei-dar Larsen zur neuen Partei über und mit ihm viele seiner Anhänger, aber die NKP blieb als selbständige Organisation weiter bestehen.

Nicht nur deswegen wurde die Wahl des vergangenen Jahres ein Debakel für die „Linkspartei“. Von 16 fiel sie auf zwei Mandate zurück. Die „Arbeiterpartei“ hatte ihre abtrünnigen Sympathisanten wieder zurückgeholt. Die starke Anti-NATO-Kampagne der „Linkspartei“ brachte nicht die erhoffte Etablierung der vier Jahre zuvor gewonnenen Position; im Gegenteil.

Das „Sammelbecken aller linken Ideen“ ist also derzeit in Norwegen recht schwach gefüllt. Doch die orthodoxen Kommunisten konnten aus dem Rückfall der „Linkspartei“ keinen Gewinn ziehen. Sie erhielten bei den Wahlen gerade ein halbes Prozent der Stimmen und wurden sogar noch von einer maoistischen „Roten Wahlallianz“ um ein paar Stimmen übertroffen. Vielleicht war das der Anlaß, ganz vorsichtig nach neuen politischen Wegen Ausschau zu halten. Bisher hatte die NKP als vollständig Moskau-treu gegolten; in Oslo herrscht die Meinung vor, daß die NKP auf Geheiß der Sowjetunion wieder aus der linken Wahlallianz ausgetreten sei, um ihre Ideen rein zu erhalten. Doch beim Parteitag der Kommunisten vor wenigen Wochen war der Ansatz zu einer Kursänderung zu spüren. Jedenfalls meinte Parteiführer Martin Gunnar Knutsen, der Klassenkampf in Norwegen bedürfe eines norwegischen Modells. Er könne nicht nach dem Muster der UdSSR oder eines anderen Landes geführt werden. Zum „Eurokommunismus“ ist der Weg noch weit, aber die bedingungslose Anbetung Moskaus scheint doch nicht mehr das ausschließliche politische Glaubensbekenntnis der norwegischen Kommunisten zu sein.

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