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Weiter auf der Linie General de Gaulles

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Frankreichs Außenpolitik, mit der sich die Massenmedien in Paris in den letzten Tagen und Wochen besonders intensiv auseinandergesetzt haben, galt bislang immer als das Erbe General de Gaulles. Dennoch haben aber gerade auch die Gaullisten der Regierung wie dem Staatspräsidenten immer wieder den Vorwurf gemacht, das außenpolitische Konzept des Regimebegründers nicht einzuhalten und es durch neue Elemente verändern zu wollen. Einer genauen Analyse kann diese Behauptung freilich nicht standhalten.

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Frankreichs Außenpolitik, mit der sich die Massenmedien in Paris in den letzten Tagen und Wochen besonders intensiv auseinandergesetzt haben, galt bislang immer als das Erbe General de Gaulles. Dennoch haben aber gerade auch die Gaullisten der Regierung wie dem Staatspräsidenten immer wieder den Vorwurf gemacht, das außenpolitische Konzept des Regimebegründers nicht einzuhalten und es durch neue Elemente verändern zu wollen. Einer genauen Analyse kann diese Behauptung freilich nicht standhalten.

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Auch der amtierende Staatspräsident Giscard d'Estaing hat sich immer zum Konzept des Generals bekannt und er wird von dieser Linie wohl auch in Zukunft nicht abrük-ken. Die Außenpolitik galt in der Fünften Republik immer als die ureigenste Domäne des Staatspräsidenten, der jeweilige Chef des Außenamtes war gewissermaßen nur ein ausführendes Organ.

Drei Schwerpunkte bestimmen die Außenpolitik Frankreichs, das zwar großes internationales Prestige genießt, aber ebenso wie Großbritannien mit den beiden Supermächten USA und UdSSR weltpolitisch nicht konkurrieren kann. Im Vordergrund der französischen Außenpolitik stehen deshalb auch alle jene Belange, die mit der Zusammenarbeit der westeuropäischen Staaten zu tun haben.

Während Präsident Giscärd d'Estaing die Direktwahlen zum EG-Parlament im vergangenen Jahr unterstützt hat - eine Idee, mit der übrigens schon General de Gaulle gespielt hat -, gibt es in Paris aber immer noch Vorbehalte gegenüber dieser übernationalen Institution. Dabei wurde wiederholt kritisiert, daß die Straßburger Versammlung sich Rechte aneignen könnte, die mit dem Prinzip der staatlichen Souveränität nicht in Einklang zu bringen seien.

Als Beispiel für diese angeblichen Einmischungsversuche des EG-Parlaments wird der Vorstoß einiger Abgeordneter dieser Versammlung gewertet, das Parlament möge sich doch mit den Vorfällen auf der Insel Korsika auseinandersetzen. Kritik wird auch an der derzeitigen Präsidentin des europäischen Parlaments, der früheren französischen Gesundheitsministerin Simone Veil geäußert: Sie sei niemals Parlamentarierin gewesen und mit den Spielregeln einer gewählten Volksvertretung nicht genügend vertraut.

Giscard d'Estaing, seine Berater und die Regierung Barre vertreten die Auffassung, daß es zu einer noch engeren Zusammenarbeit mit der Bundesrepublik Deutschland kommen müsse. Denn in Paris ist man sich durchaus im klaren, daß Bonn in der europäischen Politik eine entscheidende Rolle spielt, vor allem auch in der Sicherheitspolitik.

Zweiter Schwerpunkt der französischen Diplomatie ist der afrikanische Kontinent, Nord- ebenso wie Schwarzafrika. Nachdem die Beziehungen zwischen Frankreich und Algerien jahrelang hindurch unfreundlich, ja frostig waren, hat sich die Atmosphäre seit dem Besuch des neuen algerischen Außenministers Mitte Jänner in Paris wesentlich gebessert.

Was die ehemaligen französischen Kolonien in Afrika betrifft, hat Präsident Giscard d'Estaing mit Mut und Umsicht eine Politik betrieben, um den Vormarsch kommunistischer Kräfte zu stoppen. Durch militärisches Eingreifen (etwa in der Provinz Shaba in Zaire) hat Paris der kommunistischen Koalition zwischen Kubanern, Sowjets, Ostdeutschen und örtlichen Befreiungsbewegungen bewiesen, daß man Afrika nicht in die Hände Moskaus fallen lassen will.

Dennoch ist Paris auch bereit, den Wünschen einzelner afrikanischer Regierungen nachzukommen und die letzten noch verbliebenen Truppen aus diesen Ländern zurückzuziehen. So will zum Beispiel der Tschad in Zukunft ohne militärische Unterstützung aus Paris seine Grenzen schützen.

Paris hat auch versucht, bei der Entspannungspolitik aktiv mitzuwirken, damit an Stelle des Kalten Krieges eine Atmosphäre der Zusammenarbeit und Vertrauens tritt. Diese Politik ist jedoch durch das sowjetische Vorgehen in Afghanistan und die Verbannung des weltberühmten Physikers Sacharow vollkommen in Frage gestellt.

In der jüngeren Geschichte Frankreichs kam es selten zu einer solchen Protestwelle gegenüber einem anderen Staat, weil er die Menschenrechte dermaßen mit Füßen getreten hatte. Mit Ausnahme der kommunistischen Partei verurteilten sämtliche Fraktionen wie Gewerkschaften und sonstige Massenorganisationen die Handlungsweise der Sowjets.

Mit großer Sorge werden schließlich alle Hinweise aus dem Kreml analysiert, wonach die Rote Armee in Staaten eingreifen wolle, sobald die dort etablierte sozialistische „Staatsreligion" gefährdet sei. So nimmt man denn in Paris auch besonders großen Anteil an den Entwicklungen in Jugoslawien.

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