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Weiter fliegen mit Niki

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Im Mozart-Jahr stürzt die „Mozart” ab, eine Boeing 767 der Lauda-Air. Länger als sonst bewegt diese Tragödie die Gemüter, denn unter den 223 Toten sind viele Österreicher und auch der Inhaber der Fluglinie ist einer.

Als diese Zeilen geschrieben wurden, war die Ursache des Absturzes noch immer unklar. Nun ist es objektiv schwierig, die Gründe eines solchen Unglücks zu erforschen, es gibt aber auch ein Interessendreieck, in dessen Spannungsfeld die Wahrheit verzerrt werden kann: Die amerikanische Flugzeugfirma Boeing möchte weiter Flugzeuge verkaufen, den Triebwerkherstellern „Pratt and Whitney” käme ein Triebwerkschaden geschäftlich höchst ungelegen -und für Niki Lauda kann dieser Absturz zu einem Existenzproblem werden.

In einer Reaktion von Verant-. wortlichen der Lauda-Air hieß es: „Wenn uns das Publikum die Treue hält, wird die Firma wachsen und weiterbestehen.” Und zumindest die Österreicher halten Niki Lauda die Treue. In deutschen Blättern, „Bild” an der Spitze, war der dreifache Weltmeister zum Teil auf perfide Weise attackiert worden, und vielleicht war das mit ein Grund, warum Österreicher mit „Trotz-Buchungen” reagierten. Es zeigte sich nämlich, daß, zumindest im Charter-Verkehr, der wirtschaftliche Aufstieg der Luftlinie nicht stagniert.

Mit ganzseitigen Zeitungsannoncen, in denen zu einer Gedenkminute für die Opfer der Flugzeugkatastrophe aufgerufen wurde, hat Nikolaus Lauda nicht nur Sinn für Pietät im harten Geschäftsleben bewiesen, sondern auch sehr subtil gezeigt, daß er mit einigen Kammerin der österreichischen Seele vertraut ist.

Es ist nicht nur schicksalsbewußter Realismus, der Österreicher veranlaßt, weiter mit der Lauda-Air zu fliegen, es spielt da noch etwas anderes mit: Die leicht trotzige Solidarität mit einem erfolgreichen Landsmann, der ganz unösterreichisch kämpferisch ist, der Niederlagen nicht zu Depressionen benützt, sondern zum Überlegen, was er jetzt Neues anfangen könnte.

Die Österreicher sehen in Niki Lauda einen der Ihren, der aber so ganz anders ist als sie selbst. Und wenn dann dieser Held auch noch vom Ausland her angegriffen wird, dann bricht sich das „Jetzt erst recht” ungestüm Bahn.

Möglicherweise finden Psychologen für dieses Phänomen der österreichischen Kollektivseele auch einmal einen Namen. „Waldheim-Syndrom” würde ich es nicht nennen. Denn da- wurde zwar eine ähnliche Solidarität wirksam, die aber in wesentlichen Nuancen anders motiviert war. Doch das ist hoffentlich eine alte Geschichte.

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