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Weiter Streit um Mazedonien
Heftige politische Anklagen und Gegenklagen erheben weiterhin jugoslawische und bulgarische Politiker im Zusammenhang mit der „Mazedonischen Frage“. Belgrad und Sofia beschuldigen sich gegenseitig, territoriale Forderungen zu hegen und eine Revision der letzten Weltkriegsgrenzen anzustreben. „Mit der Nichtanerkennung der mazedonischen Minderheit in Bulgarien wird praktisch auch die Existenz einer mazedonischen Nation negiert“, behauptete unlängst auch der Parteiaußenminister der jugoslawischen Kommunisten, Alexander Grlickov, nachdem bereits in der außenpolitischen Resolution des 11. Parteitages des BdKJ die bulgarischen Kommunisten wegen der „Nichtachtung und Entziehung der Rechte der mazedonischen Minderheit“ verurteüt worden waren.
Auf lokalen Feiern in Serbien und Mazedonien nehmen jetzt verspätet auch prominente Parteifunktionäre zum Angebot des bulgarischen Partei- und Staatschefs Todor Zivkov Stellung, der Belgrad die Unterzeichnung einer feierlichen Verzichtserklärung auf territoriale Ansprüche und Bestätigung der Nachkriegsgrenzen vorgeschlagen hat. Diesen Vorschlag machte Zivkov - wie die FURCHE bereits berichtete - Mitte Juni während einer Rede in Blagoevgrad, dem Zentrum der Pirinmazedonier in Bulgarien. Er erbot sich gleichzeitig, zu diesem Zweck sofort Tito aufzusuchen. Daß Belgrad und die jugoslawische Publizistik das Angebot Živkovs ignorierten, schlachtete wiederum die bulgarische Propaganda aus, worauf sich Belgrad mit der Veröffentlichung vertraulicher Vertragsentwürfe aus Verhandlungsrunden zu dieser Frage von 1976 revanchierte.
Sofia habe damals die Verhandlungen abgebrochen - heißt es jetzt - und sei mit einem unvollständigen Gegenvorschlag an die Öffentlichkeit getreten, der die wesentlichste Forderung Belgrads ausgeklammert habe: Die Sicherung der Rechte der mazedonischen Minderheit in Bulgarien, die nach Meinung Sofias nicht existiere, da die Mazedonier ein bulgarischer Volksstamm seien. Belgrad stellt dagegen die Frage nach dem Verbleib von 160.000 Mazedoniern, die es bei Volkszählungen in den fünfziger Jahren in Bulgarien noch gegeben hat, die aber seither aus der Statistik verschwunden sind. Von der Liquidie rung des Konzeptes einer Balkanförderation, in der nach dem Willen des ersten kommunistischen Staatschefs Bulgariens, Dimitroff, und auch Titos die Mazedonier den historischen Kitt zwischen beiden kommunistischen Nachbarstaaten bilden sollten, wurden auch die Mazedonier als Minderheit in Bulgarien betroffen.
„Das Verantwortungsbewußtsein eines Staatsmannes kommt nicht durch die Negierung bestehender Probleme zum Ausdruck“, attackierte jetzt Grlickov den bulgarischen Staatsund Parteichef Živkov direkt und beschuldigte Sofia, „Großbulgarische Pläne“ zu verfolgen sowie Dritte aufzuhetzen, die Mazedonier als Nation nicht anzuerkennen.
Alle Publikationsorgane des Ostblocks spiegeln grundsätzlich nur den bulgarischen Standpunkt, zuletzt das dem sowjetischen Außenministerium nahestehende Blatt „Novoje vremja“. „Niemand glaubt an einen Verzicht Bulgariens auf territoriale Ansprüche“, meinte Grlickov und beschuldigte Bulgarien, die jugoslawische Teilrepublik Mazedonien faktisch als bulgarisch erklärt zu haben, da es auch die mazedonische Minderheit nicht anerkenne.
Diese gefährliche Eskalation der Auseinandersetzungen zwischen Jugoslawien und Bulgarien erfährt eine weitere Verschärfung durch Gegenbeschuldigungen, denenzufolge an der Wiedergeburt eines „Großmazedonischen Reiches“ gebastelt würde. Sofia kann bei solchen Argumenten mit der Unterstützung Griechenlands und Albaniens rechnen, gegenüber denen Belgrad ebenfalls die Forderung nach Anerkennung mazedonischer Minderheiten erhoben und auch prompt Abfuhren erlitten hat.
Die „Mazedonische Frage“, die seit drei Jahrzehnten kommunistischer Geschichte Historikern auf beiden Seiten unerschöpflichen Stoff geboten hat, hat somit den eher harmlosen publizistischen Boden verlassen und droht zu einem ernsten politischen Zankapfel am Balkan auszuwachsen. Wegen seiner Berührungspunkte zwischen Warschauer Pakt, NATO und Blockfreien könnte der Zwist bewirken, was zu vermeiden Belgrad bemüht ist: Eine Einmischung der Großmächte.
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