6839003-1975_32_06.jpg
Digital In Arbeit

Weiter: Verhandlungskrieg

Werbung
Werbung
Werbung

Noch sind keine zwei Jahre seit dem Jom-Kippur-Krieg vergangen, die Narben des Krieges sind nicht verheilt und die Toten noch nicht alle begraben — und schon ziehen wieder am Horizont die schwarzen Wolken der Kriegsgefahr den Himmel entlang.

Ministerpräsident Itzhak Rabin sagte: „Israel will ein Zwischenabkommen erreichen, doch nicht um jeden Preis. Wir haben die ägyptischen Vorschläge erhalten und zum größten Teil abgelehnt.“

Staatspräsident Sadat von Ägypten sagte: „Auf Abu Rodeis werden wir nicht verzichten und die Bergpässe Mitla und Gidi wollen wir zur Gänze zurückerhalten. Wir müssen die eroberten arabischen Gebiete befreien und die Palästinenser in ihre Rechte einsetzen. Wenn es die Situation erfordert, werden wir verhandeln — wenn sie einen Krieg erfordert, werden wir kämpfen. Unsere Verhandlungen stellen nur die Fortführung des Krieges dar — von einem Frieden kann nicht die Rede sein.“

Viele haben geglaubt, daß sich nun, nach der Beilegung der Krise, die durch die Nichterneuerung des Mandats der UNO-Streitkräfte durch Ägypten hervorgerufen worden war, alles wieder rangieren werde — doch war dies eine Fehlkalkulation.

Weder im Jahr 1956 noch im Jahr 1967 wollte Ägypten einen Krieg mit Israel — im Gegenteil. Der Nilstaat wollte damals nur den Friedenskarren bis zum Rande des Abgrunds zerren, um soviel wie möglich von Israel zu erpressen, in der Annahme, daß die Großmächte alles tun würden, um einen bewaffneten Konflikt zu vermeiden. Diese Kalkulation ging nicht auf, weil Nasser von der von ihm selbst erzeugten Atmosphäre der Hysterie mitgerissen wurde. Sadat war da gewiß vorsichtiger, doch hat er den Israelis bewiesen, daß weder auf ihn noch auf seine Versprechungen Verlaß ist. Die Erneuerung des UNO-Mandates ist ein Teil des Entflechtungsabkommens und die Nichterneuerung des Mandates bedeutet einen Bruch dieses Abkommens. Bei Beginn der neuen Verhandlungen verpflichtete sich Sadat, die Hetze und Propaganda gegen Israel zu mäßigen, doch die ägyptische Initiative auf der Konferenz der Afrikanischen Staaten in Kampala, mit dem Vorschlag, Israel aus der UNO-Vollversammlung auszuschließen, beweist nicht gerade Zurückhaltung.

Nach den ägyptischen Vorschlägen sollte die neue Waffenstillstandslinie die Flugbasis Bir Gafgafa streifen, so daß Israel diese Basis bei Kriegsgefahr nicht mehr benützen könnte. Ägypten will ferner keine Parallelstraße zur Verbindungsstraße Suez-Abu Rodeis zulassen. Bekanntlich haben sich die Israelis bereiterklärt, die Hauptverkehrsader längs der Meerenge von Suez den Ägyptern zu überlassen. Ägypten ist auch nicht bereit, die Stationierung amerikanischer Soldaten oder Zivilisten auf den Beobachterposten in der von Israel geräumten demilitarisierten Zone zuzulassen. Israel hat das alles zurückgewiesen. Es besteht immer noch darauf, daß sechs Beobachtungsposten von Amerikanern bemannt werden sollen, einer von Ägyptern und Amerikanern, und einer von Israelis und Amerikanern gemeinsam.

Was den Führern der Opposition in Israel nicht gelungen ist, gelang Sadat und seinem Außenminister Fahami. Die gemäßigten Kabinettsmitglieder Israels verhärteten ihre Positionen, der vorübergehende Optimismus ist einem erneuten Mißtrauen gewichen.

Die Ostfront gegen Israel, bestehend aus Syrien und Jordanien, nimmt schärfere Konturen an. Die Waffenkäufe der arabischen Staaten aus europäischen Arsenalen nehmen Ausmaße an, daß man an den friedlichen Absichten insbesondere Ägyptens, Syriens und Jordaniens mehr als zweifeln muß. Deswegen fragt man sich in Israel immer wieder, ob ein Zwischenabkommen die Kriegsgefahr, und sei es auch nur für drei Jahre, denn wirklich zu bannen vermöchte.

Der Nahe Osten befindet sich in einem Teufelskreis. Es kann in jeder Minute zu einer neuen Explosion kommen. Aber ebensogut kann plötzlich ein Abkommen zustande kommen, sobald Ägypten bemerkt, daß aus der Situation nichts mehr herauszuholen ist. Die Atmosphäre ist pessimistisch und viele fragen mit Bangen, wann wohl der erste Schuß fallen könnte.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung