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Weitere Ölschocks politisch vermeiden

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Erdöl ist weiterhin der wichtigste Energieträger der meisten Länder der Welt. Daher kommt dem Funktionieren der ölmärkte auch in Zukunft enorme Bedeutung zu. Im vorliegenden Beitrag untersucht der österreichische Botschafter bei der OECD in Paris, Dr. Jankowitsch, die bisherige internationale Entwicklung und plädiert für eine breite Zusammenarbeit, die die Preisentwicklung des Erdöls besser vorhersehbar machen soll.

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Erdöl ist weiterhin der wichtigste Energieträger der meisten Länder der Welt. Daher kommt dem Funktionieren der ölmärkte auch in Zukunft enorme Bedeutung zu. Im vorliegenden Beitrag untersucht der österreichische Botschafter bei der OECD in Paris, Dr. Jankowitsch, die bisherige internationale Entwicklung und plädiert für eine breite Zusammenarbeit, die die Preisentwicklung des Erdöls besser vorhersehbar machen soll.

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Die Notwendigkeit der Entwicklung neuer Energieformen, der Zwang, Energiekonservierung immer mehr zu verfeinern und zu verbessern, läßt einen elementaren Umstand oft übersehen: Zumindest bis zum Ende dieses Jahrhunderts -wenn nicht lange darüber hinaus - wird Erdöl seine Rolle als vorherrschende Energiequelle behalten.

Angesichts dieser Tatsache liegt es auf der Hand, daß sich die internationale Gemeinschaft eine Welterdölpolitik geben muß, will sie verhindern, daß Erdöl in den kommenden Jahren im selben Maße destabilisierend auf die Weltwirtschaft wirkt, wie dies seit 1973 der Fall war.

Für eine brauchbare Welterdölpoli-tik sind heute aber kaum die ersten Ansätze vorhanden. Gewiß haben die westlichen Industriestaaten dem geglückten Versuch der wichtigsten Erdölproduzenten, sich als Kartell zu organisieren mit Gegenzügen geantwortet, etwa durch Gründung der Internationalen Energieagentur (IEA).

Aber nicht nur der IEA und der Organisation Erdöl Exportierender Staaten (OPEC), sondern auch allen anderen Institutionen der Weltwirtschaft ist darüber hinaus die Aufgabe gestellt, die Rolle des Erdöls zu stabilisieren.

Wer versucht, die Regeln des heutigen ölmarktes zu verstehen, wird sehr bald auf eine Reihe von Ungereimtheiten stoßen. So ist eine erste Quelle der Verwirrung bereits die richtige Rangordnung der Welterdölproduzenten: An erster Stelle dieser Liste stehen nämlich nicht die Produzenten des Mittleren Ostens, sondern die beiden Supermächte, wobei die Sowjetunion die USA bei weitem distanziert. Die UdSSR deckt ihren Eigenbedarf zur Gänze, den ihrer Verbündeten zum großen Teil.

Die USA, einst das in der ölförde-rung führende Land, sind heute jedoch vor Japan der größte Importeur. Das Land mit der drittgrößten Förderung, Saudi-Arabien, stellt bei weitem den größten Teil des international gehandelten Erdöls.

Der Transparenz auf den ölmärkten dient es auch nicht, daß das Verhältnis zwischen Erzeugern und Verteilern kaum durchschaubar ist. Nicht nur schaltet die Macht von den Kartellen die Gesetze von Angebot und Nachfrage auf den internationalen ölmärkten aus, auch die Gesetze der Politik vermischen sich dort immer wieder mit den Gesetzen der Wirtschaft.

So hat man heute fast vergessen, daß am Beginn der Ölkrise des Jahres 1973 das öl vor allem als politische Waffe gegen Teile der westlichen Welt eingesetzt worden war.

Aussicht auf höheren Gewinn allein wird daher, besonders im Nahen Osten, die Ölquellen nicht zum Fließen bringen. Dazu kommt noch, daß die dünn besiedelten und die mit geringen ölre-serven ausgestatteten OPEC-Länder ihren natürlichen Reichtum möglichst lange für zukünftige Generationen erhalten wollen.

Selbst wenn aber alle politischen Motive für die Gestaltung der Preis-und Versorgungspolitik der ölprodu-zenten ausgeschaltet werden könnten, ließe sich diesem Problem mit den gewöhnlichen Zahlungsmitteln des Weltmarktes nicht beikommen.

Mehr als andere Staaten waren ja gerade die OPEC-Länder mit ihrer hohen Abhängigkeit vom heutigen Welternährungssystem von der Schwäche des Dollars hart betroffen. Ihre Forderungen sind daher neuerdings darauf gerichtet, Rohstofflieferungen nicht mit monetären Transfers, sondern mit dem Transfer von Technologie abzugelten.

Die Aufzählung dieser wenigen Fakten genügt, um das Maß an Unsicherheit und Instabilität zu charakterisieren, das in den letzten Jahren vom Rohstoff Erdöl ausgegangen ist.

Dennoch bleibt fraglich, ob die Krise der ölmärkte von 1979 wirklich unausweichlich war. Viele Beobachter neigen zu der Ansicht, daß die Krise des Jahres 1979 zu einem guten Teil von einer falschen Politik der Lagerhaltung und allzu einer nervösen Reaktion auf die Ereignisse im Iran ausgelöst wurde.

Und tatsächlich: während des ganzen Jahres 1979 hat es einen echten Versorgungsengpaß bei Erdöl nicht gegeben, die gewaltigen Bewegungen auf den Rohölmärkten - besonders den sogenannten Spot-Märkten in Rotterdam, Singapur oder Port of Spain - kamen lediglich durch die taktische Aufstockung der Lager zustande.

Erst diese Sicherungs- und Spekulationskäufe haben letztlich dazu geführt, daß zwischen dem Ende des Jahres 1978 und dem Beginn des Jahres 1980 der Preis für Erdöl um etwa 140 Prozent gestiegen ist.

Der Ruf nach einer langfristigen Strategie auf den ölmärkten ist daher heute unüberhörbar und findet auch im Lager der ölproduzenten zunehmende Anhängerschaft. Ziel einer solchen Strategie müßte es sein, auf dem internationalen ölmarkt ein Minimum allgemein anerkannter Regeln einzuführen und damit die wesentlichsten Unsi-cherheitsfaktoren auszuschalten.

Die Bindung des Erdölpreises an Indikatoren, wie Wirtschaftswachstum oder Inflationsraten wichtiger Industriestaaten, würde künftigen Preisbewegungen auf dem ölmarkt ein Element der Berechenbarkeit geben, das in hohem Maße zur Stabilität der Weltwirtschaft beitragen könnte.

Gewiß wäre - rückblickend auf die Preisentwicklung seit 1973 - ein stetes, aber berechenbares Ansteigen der Preiskurve dem zweimaligen explosionsartigen Preisanstieg vorzuziehen gewesen. So aber hat der tatsächliche Rückgang der realen ölpreise zwischen 1975 und 1978 falsche Signale an die Wirtschaften der OECD-Staaten ausgesendet.

Damit wurde aber auch die Entwicklung energiesparender Verfahren, sowie alternativer Energiequellen verzögert.

Nach einer Neuordnung der Weltöl-märkte verlangt jedoch besonders gebieterisch das Schicksal der nicht Erdöl produzierenden Entwicklungsländer, denen in den letzten Jahren immer wieder schwere Opfer abverlangt wurden.

Hinter den erschreckenden Zahlen betreffend die außenwirtschaftlichen Defizite dieser Länder, verbirgt sich eine Summe menschlichen Elends, von Armut und Hoffnungslosigkeit, die weiteres Zögern nicht erlaubt.

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