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Welche Chancen hat das Regime des Ian Smith?

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Steht in Rhodesien ein Blutbad bevor, das das seinerzeitige Massaker im ehemaligen Belgisch-Kongo an Grausamkeit erreichen, an Ausmaß aber weit übertreffen könnte? Oder wird Ian Smith, dessen seit Jahren so erfolgreiche politische Strategie an die militärische des Römers Fabius Cuc- tator erinnert, wieder einmal einen vorläufigen Sieg davontragen und damit die Überreste des prekären Kräfte-Gleichgewichts in einem immer „röter” werdenden Schwarzafrika weiter aufrecht erhalten? Wird „der Westen”, ein im Grunde weit weniger konkreter Begriff als „der Osten”, auch diesen vorletzten Stützpunkt auf dem afrikanischen Kontinent mehr oder weniger bedingungslos aufgeben, und wird demnächst mit „Zimbabwe” ein weiterer, treu mit dem Ostblock abstimmender Staat in die Vereinten Nationen aufgenommen werden? Diese Fragen dürften schon in allernächster Zeit beantwortet werden.

Selbst die Gegner von Ian Smith - hat er überhaupt noch Freunde? - können ihm keine politische Inkonsequenz vorwerfen. Seit seinen Gesprächen mit Henry Kissinger, seit seiner Erklärung vom 24. September des Vorjahres, ist seine Position unverändert geblieben. Der Kissinger-Plan, zwischen ihm und dem damaligen amerikanischen Außenminister ausgehandelt, ist und bleibt die einzige Grundlage für die Akzeptierung einer eventuellen Mehrheitsregierung in Rhodesien - andernfalls, so Smith, werde er und sein Kabinett seine eigenen Bemühungen für ein internes Übereinkommen zwischen schwarzen und weißen Rhodesiern auf eigene Weise und im eigenen Tempo weiterführen. Und für Ian Smith war und ist der Kissinger-Plan nicht Gegenstand von Verhandlungen; er war nicht nach Genf gekommen, um zu verhandeln, sondern lediglich zur Festlegung der Durchführungsbestimmungen des Kissinger-Planes. Daß Smith diese und andere Bemerkungen in Genf und auch in Rhodesien in einem Ton der zornigen Verachtung machte, wann immer er von seinen schwarzafrikanischen Mitbürgern sprach, mag zwar angesichts der Guerillasituation in seinem Lande verständlich sein, zeigte ihn aber als schlechten Diplomaten, der öl ins Feuer statt auf die wildbewegten Wogen des afrikanischen Nationalismus goß.

Was aber die Genfer Konferenz und in gewissem Sinne auch die seitherigen Kissinger-Imitationen des britischen Unterhändlers Ivor Richard tatsächlich scheitern ließ, das war wohl besagter Kissinger-Plan selbst, der noch mehr immanente Schwächen hatte als so manche andere „Friedenspakete” dieses rührigen amerikanischen Ex-Staatsmannes. Diese Entdeckung mußte zuallererst der von Kissingers starker Persönlichkeit offenbar sehr beeindruckte Ian Smith in Genf machen - eine politische und persönliche Enttäuschung, die eine nachhaltige Wirkung auf seine Einstellung in und seit Genf ausgeübt hat, nachdem er ohnehin gerade erst den Schock überwunden hatte, vom Westen und vom südafrikanischen Ministerpräsidenten nicht viel besser behandelt worden zu sein als seinerzeit Bundeskanzler Schuschnigg von Adolf Hitler.

Kissinger hatte Smith seinen Rhodesienplan als unteilbares Ganzes vorgelegt, das in seiner Gesamtheit ohne alles Wenn und Aber von beiden Seiten in dem Konflikt akzeptiert werden mußte. Aber die vorangegangene Kissinger-Diplomatie, in genialischem Tempo teilweise nur per Telegramm und Telephon durchgeführt, ganz auf Charisma und wenig auf mühevollen, aber bindenden Detailvereinbarungen beruhend, wies hinter der brillianten Fassade klaffende Lük- ken auf. Kissinger hatte nicht, wie er zu glauben schien, entscheidende Zusicherungen von den schwarzen Präsidenten der Nachbarländer Rhodesiens erhalten - und dort, wo er sie vielleicht wirklich erhalten hatte, erwiesen sie sich als untragbar. Wenn die Herren Machel, Nyerere und Kaunda

Zusagen machten, so taten sie dies auch im Namen der marxistisch inspirierten afrikanischen Nationalisten, die jedoch ihrerseits nicht einen Augenblick lang zu Konzessionen irgendeiner Art an das Smithregime bereit waren - schon gar nicht dazu, in einer eventuellen Ubergangsregierung Funktionen wie Verteidigungsund Justizministerium den weißen Rhodesiern zu überlassen. Und die Präsidenten selbst? Machel von Mocambique ist ein eindeutiger Befürworter der revolutionären Machtergreifung, wie sie ihn selbst nach oben jebracht hat, und auch sogenannte „Gemäßigte”, wie die Präsidenten von Tanzania und Sambia, stehen naturgemäß Männern wie Nkomo und Bischof Muzorewa näher als irgendwelchen westlichen Politikern, ganz zu schweigen von ihrem tiefen Mißtrauen gegenüber Großbritannien.

All das war im Grunde schon vor Beginn der Genfer Konferenz voraus zusehen, und es waren vielleicht nur Kissinger und Ian Smith gewesen, die ernstlich an einen Erfolg d ieses überhasteten und lückenhaften Planes geglaubt hatten. Aber während sich Kissinger inzwischen auf die geruhsame Stellung eines Universitätsprofessors und Memoirenschreibers zurückgezogen hat, steht Ian Smith weiterhin an der vordersten Front eines Kampfes, der allen theoretischen Erwägungen zufolge hoffnungslos ist, wenigstens auf lange Sicht Im Augenblick allerdings sieht seine Lage weniger schlecht aus, als man auf den ersten Blick meinen möchte. Militärisch ge sehen, ist die Moral der Rhodesier ungebrochen, die Guerilleros der sogenannten Patriotischen Front um Robert Mugabe haben sich trotz der für sie günstigen Jahreszeit zu keinerlei größeren Aktionen aufraffen können. Und an der politischen Front ist der starke Druck, der durch die „Achse” Kissinger-Vorster auf das Smithregime ausgeübt wurde, durch Kissingers Abgang fast verschwunden. Ministerpräsident Vorster hat eben erst wieder erklärt, er werde von Ian Smith niemals eine bedingungslose Kapitulation verlangen, und es bleibt abzuwarten, ob der neue amerikanische Außenminister Cyrus Vance die Scherben der Kissinger-Politik sehr bald wieder zusammenkitten kann und will. Und daß schließlich von der ehrenhaften, aber unglücklichen Vermittlertätigkeit Großbritanniens, der britischen Regierung sehr gegen ihren Willen aufgedrängt, in nächster Zeit auch keine zwingenden neuen Ini tiativen zu erwarten sind, scheint festzustehen.

Wenn also die marxistischen Kräfte hinter den afrikanischen Nationalisten nicht zu einer totalen Offensive übergehen, dann ist nicht einzusehen, warum Ian Smith nach elf Jahren der Herrschaft nicht noch ein 12. oder auch 13. Jahr Rhodesien auf seine Weise regieren sollte - viel weiter vorauszuplanen hat er sich wohl schon lange abgewöhnt. Und wer vermag schon zu sagen, wie sich d ie Lage der rhodesischen und der Weltpolitik inzwischen entwickeln wird?

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