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Welche Mutter steht allein ?

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Um 4,1 Prozent Kinder wurden in den letzten zwölf Monaten weniger geboren als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Die Zahl der ehelichen Geburten nahm um 5,7 Prozent ab, die der unehelichen Geburten um 1,9 Prozent zu. Von allen Geburten waren 22,4 Prozent unehelich, das sind um 6,3 Prozent mehr als im Vergleichszeitraum.

Worin liegen die Gründe für den ständigen Anstieg der Zahl der unehelichen Kinder? Einer liegt sicher in den gesetzlichen Bestimmungen.

Das Karenzurlaubsgeld wurde 1961 in unterschiedlicher Höhe für Mütter, die selbst überwiegend für den Unterhalt aufkommen müssen, bzw. für alle anderen ein-

geführt. Mit 1. April 1974 wurde das Karenzurlaubsgeld neu geregelt, pauschaliert und dynamisiert.

Verheiratete Mütter erhielten monatlich 2000 Schilling (1983: 3.717,— Schilling), unverheiratete Mütter sowie verheiratete Mütter, deren Ehegatte kein oder nur ein geringes Einkommen erzielte oder für den Unterhalt des Kindes nicht sorgte, 3000 Schilling (1983: 5.560 Schilling). Außerdem erhält die Arbeitslosenversicherung bis 1982 25 Prozent, seither 50 Prozent der Aufwendungen für das Karenzurlaubsgeld aus dem Familienlastenausgleichsfondsersetzt.

Weiters wurde eine vom letzten Bruttoverdienst abhängige Sondernotstandshilfe für alleinste-

hende Mütter eingeführt, die diese bis zum dritten Lebensjahr des Kindes erhalten können, wenn sie wegen der Kindererziehung keine Beschäftigung annehmen können sowie sonst insbesondere die Befriedigung der notwendigen Lebensbedürfnisse unmöglich wäre.

Sicher ist Hilfe für jene Mütter — aber nur für jene — notwendig, die tatsächlich alleinstehend sind und auch allein für das Kind sorgen müssen. Aus der Arbeit der Aktion Leben ist auch bekannt, daß die Entscheidung für das Kind leichter fällt, wenn die materiellen Sorgen kleiner werden.

Die zitierten gesetzlichen Regelungen führten sehr bald zu Kritik. Die Frauenreferentin der Arbeiterkammer Wien, Edith Krebs, wies im Jahre 1981 darauf hin, daß zunfehmend die Zahl der Frauen bzw. der jungen Paare wächst, die aus rein finanziellen Erwägungen heraus die Eheschließung verschieben: „Daß dies später sehr häufig zu Lasten eben dieser Frauen und ihrer Kinder geht, wurde wiederholt aufgezeigt.“

In einem Brief an den Sozialminister forderte der Katholische Familienverband im Jahre 1982,

daß Gesetze und Vorschriften so beschaffen sein sollten, daß sie den Mißbrauch nicht nahezu herausfordern. Sie sollten auch nicht zwei in wirtschaftlicher Hinsicht ähnlich gelagerte Situationen, nämlich Ehe und Lebensgemeinschaft, unterschiedlich behandeln.

Im Juli 1982 wurden die Landesarbeitsämter von Sozialministerium aufgrund der massiven Kritik, daß die miteinander nicht verheirateten Eltern des Kindes in gemeinsamem Haushalt leben und die Mutter des Kindes, obwohl nicht alleinstehend, trotzdem das erhöhte Karenzurlaubsgeld bzw. die Sondernotstandshilfe erhält, angewiesen, aufgrund der amtlichen Meldebestätigung zu prüfen, ob die Kindesmutter tatsächlich alleinstehend ist.

Da dieser erste Schritt auch nicht den gewünschten Erfolg brachte und andererseits das Diktat der leeren Kassen sowohl in der Arbeitslosenversicherung als auch im Familienlastenausgleichsfonds immer stärker wurde (das Karenzurlaubsgeld wird im Jahre 1984 dem Familienlastenausgleichfonds, 1,4 Milliarden

Schilling kosten), werden per 1. Jänner 1984 die bisher im Verordnungsweg erlassenen Bestimmungen in das Arbeitslosenversicherungsgesetz aufgenommen.

Gleichzeitig wurde versucht, die Bestimmungen so zu treffen, daß der Mißbrauch, soweit möglich, ausgeschlossen wird. „Als nicht alleinstehend“ gilt nach dem neuen Gesetzestext „eine Mutter, die ledig, geschieden oder verwitwet ist und mit dem Vater des unehelichen Kindes nach den Vorschriften des Meldegesetzes an der gleichen Adresse angemeldet ist oder anzumelden wäre, oder vom Vater des unehelichen Kindes für sich Unterhalt in einem Ausmaß erhält, der den Freibetrag … der Notstandshilfe übersteigt.“

Sowohl die verheiratete Mutter, aber auch unverheiratete, nicht alleinstehende Mütter haben Anspruch auf das erhöhte Karenzurlaubsgeld, wenn der Vater des Kindes über kein oder nur ein geringes Einkommen verfügt.

Die ursprünglich vorgesehene Bestimmung, daß das erhöhte Karenzurlaubsgeld bzw. die Sondernotstandshilfe zurückzuzahlen sind, wenn die Kindesmutter den Kindesvater heiratet, ist über Anregung des Katholischen Familienverbandes und über Initiative \ des Abgeordneten Walter Schwimmer weggefallen.

Die notwendigen gesetzlichen Voraussetzungen sind nun geschaffen. Es wird an ,den ausführenden Stellen liegen, dafür Sorge zu tragen, daß die Bestimmungen nun tatsächlich eingehalten werden.

Der Autor ist Generalsekretär des Katholischen Familienverbandes Österreichs.

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