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Welche Zahlen stimmen nun? Amtliche Unterlagen fehlen

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Die Verwirrung um die Fristenlösung wächst! Immer mehr meiden sich auch Befürworter der legalisierten Abtreibung zu Wort, die sich bitter über die derzeitigen Praktiken in den Beratungsstellen und Abtreibungskliniken beklagen. Die „Fristenlöser“ indes versteifen sich auf Statistiken, aus denen sich nichts Negatives herauslesen läßt. Ein im Zusammenhang mit der Fristenlösung immer wieder zitierter Arzt, Univ.-Doz. Al fred Rockenschaub, Chef der Semmelweisklinik in Wien, gilt seit Beginn der Diskussion als „härtester Kämpfer“ für die Fristenlösung. Die Öffentlichkeit überrascht er immer wieder mit Zahlen, die Auswirkungen der Legalisierung der Abtreibung dokumentieren sollen. Grit Ebner von der Aktion Leben sieht die Untersuchungen von Dozent Rok- kenschaub skeptisch: „Der Primarius jongliert mit ungewissen Zahlen.“

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Die Verwirrung um die Fristenlösung wächst! Immer mehr meiden sich auch Befürworter der legalisierten Abtreibung zu Wort, die sich bitter über die derzeitigen Praktiken in den Beratungsstellen und Abtreibungskliniken beklagen. Die „Fristenlöser“ indes versteifen sich auf Statistiken, aus denen sich nichts Negatives herauslesen läßt. Ein im Zusammenhang mit der Fristenlösung immer wieder zitierter Arzt, Univ.-Doz. Al fred Rockenschaub, Chef der Semmelweisklinik in Wien, gilt seit Beginn der Diskussion als „härtester Kämpfer“ für die Fristenlösung. Die Öffentlichkeit überrascht er immer wieder mit Zahlen, die Auswirkungen der Legalisierung der Abtreibung dokumentieren sollen. Grit Ebner von der Aktion Leben sieht die Untersuchungen von Dozent Rok- kenschaub skeptisch: „Der Primarius jongliert mit ungewissen Zahlen.“

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Dozent Rockenschaub behauptet, die Geburtenrate habe sich seit der Einführung der Fristenlösung nicht verändert. Die Statistik gibt aber andere Hinweise und zeigt einen deutlichen Geburtenrückgang auf: Die Zahl der Lebendgeburten in Österreich betrug 1971 noch 108.000 und ging in fünf Jahrgängen auf 93.000 (1975) zurück. 1976 aber-in einem einzigen Jahr also - betrug der Rückgang 6000, nur noch 87.000 Kinder wurden lebend geboren. Der Primarius, darauf angesprochen: „Ich habe in meinen Untersuchungen keine Veränderung feststellen können, die nicht schon dagewesen wäre.“ Um diese Aussage zu untermauern, hat er eine Fülle von Vergleichszahlen bereit, etwa die Abweichung von der durchschnittlichen Geburtenrate 1937. Nur sind inzwischen 40 Jahre vergangen, und seit 1975 darf legal abgetrieben werden. Rockenschaub dazu: „Was die derzeitige Abweichung von der durchschnittlichen Geburtenrate betrifft, war die Fristenlösung halt unglücklich terminisiert.“

Spekulation?

Grit Ebner hält den Untersuchungen des Dozenten noch eine andere Statistik entgegen: Aus den Relativzahlen der natürlichen Bevölkerungsbewegung ergibt sich bei der „Nettoproduktionsrate“ (das ist die Gesamtfruchtbarkeitsrate abzüglich des Anteils der Knäbengeburten sowie der Sterblichkeit der Mädchen bis zur Erreichung des gebärfahigen Alters) ein Rückgang um ein Fünftel. Betrug die Nettoreproduktionsrate 1972 noch 1,00 — also gerade genug, um den Bevölkerungsstand konstant zu halten —, ging sie bis 1976 auf 0,80 zurück.

Wie kommt Dozent Rockenschaub zu seinen Zahlen, weigert sich das Gesundheitsministerium doch, die Abtreibungen statistisch festzuhalten? „Auf Grund der Zusammensetzung der weiblichen Bevölkerung zwischen 15 und 50 habe ich errechnet, wie viele Schwangerschaften es bei ungeschütztem Verkehr gibt. Die Geburten davon abgezählt, ergibt die Zahl der Abtreibungen.“ Ist das keine Milch-, mädchenrechnung, die auf bloßer Spekulation beruht? Der Primarius glaubt nicht, denn seine Schätzungen hätten mit ähnlichen Untersuchungen (Husslein, Breitenecker, Brücke) im wesentlichen übereingestimmt. Prof. Husslein hat sich allerdings distanziert: Seine Untersuchungen hätten mit denen von Rockenschaub nichts gemeinsam.

Beraten wird nicht

Wenig glaubhaft scheinen auch die Vergleichszahlen, die Rockenschaub über die Abtreibungen in Wien und in den Bundesländern bekanntgegeben hat: Auf eine Abtreibung entfielen in Wien zwei Geburten, in den Bundesländern kämen auf zwei Abtreibungen drei Geburten. Außerhalb des großstädtischen Raumes, in den meist konservativen ländlichen Gegenden? „Schwanger werden sie alle“, weiß darauf Rockenschaub eine Antwort Dabei müsse man festhalten, daß die Schwangerschaftsaufklärung im konservativen Raum weit geringer sei, genauso wie weniger Verhütungsmittel angewendet würden. Und mit einem Blick auf die westlichen Bundesländer erklärt der Primarius: „Abgetrieben wurde dort schon immer, reichlich und gut. Nur will man dort die Kulisse aufrechterhalten und die Tatsachen verschleiern.“

7000 Wienerinnen, so eine weitere Zahl von Rockenschaub, lassen in den Kliniken der Bundeshauptstadt abtreiben. 58.000 Frauen seien es in den Bundesländern, die die Schwangerschaft frühzeitig abbrechen. Wo diese abtreiben lassen, weiß er nicht Er schätzt aber, daß etwa 8000 bis 10.000 zu diesem Zweck nach Wien kommen. Auch das sind persönliche Berechnungen des Dozenten. Die Zahlen von Wien wisse er selber oder habe er sich „ertelefoniert“.

Was die Erfahrungen in seiner Klinik angeht, zieht der Primarius ein Resümee: „Die Situation ist seit der Legalisierung des Schwangerschaftsabbruches besser geworden. Die Mütter- und Säuglingssterblichkeit ist geringer geworden, die Abortuszahl nicht angestiegen. Außerdem zählt jetzt auch die Beratung mehr.“ Gerade dieser Punkt bringt aber immer mehr Menschen auf die Barrikaden, denn die Beratung erweist sich meist als Farce. Grit Ebner faßt zusammen: „Beraten wird nicht, sondern lediglich ein Abtreibungstermin gegeben.“ Und das - so ein Augenzeuge - geschieht in der Semmelweisklinik wie am Fließband!

Das göttliche Gebot gilt weiter

Nack der Zurückweisung des Volksbegehrens durch die Mehrheit des Nationalrats wenden sich die österreichischen Bischöfe in einem Hirtenbrief an die Gläubigen, aus dem wir Auszüge veröffentlichen.

Wenn auch nach dem Gesetz die Abtreibung in den ersten drei Monaten freigegeben wird, so halten wir nachdrücklich fest, daß trotz der geänderten Gesetzeslage die moralische Ordnung unverändert bleibt Wenn auch das staatliche Gesetz Tötung menschlichen Lebens erlaubt, so gelten nach wie vor das göttliche Gebot und die christliche Sittenordnung. Sie verpflichten weiterhin das Gewissen. Die bewußt vorgenommene oder geforderte Abtreibung, also jeder, der abtreibt und abtreiben läßt wer dazu rät oder drängt, lädt Schuld auf sich, wie immer das staatliche Gesetz lauten mag.

Die gläubigen Katholiken müssen heute mehr denn je den Mut haben, sich in ihrer Lebensauffassung, wo immer das notwendig ist von anderen zu unterscheiden. Schon immer war in der Geschichte der Glaube die Kraftquelle für solchen Mut. Das war letzten Endes Ursache der weltweiten Ausbreitung der Kirche.

Wir sind uns der Tatsache bewußt, daß viele äußere Umstände die positive Einstellung zum Kind erschweren: Jungen Menschen fehlen oft die Mittel zum Erwerb einer eigenen Wohnung; kinderlose Ehepaare werden bei der Vergabe von Wohnungen aus privater Hand bevorzugt; Frauen fallt es schwer, ihre Berufstätigkeit aufzugeben; mit öffentlichen Mitteln geförderter Wohnbau berücksichtigt nicht in genügendem Maße den familiengerechten Lebensraum; es mangelt immer noch an entsprechenden Kindergärten und vor allem an Kinderkrippen und an Spielplätzen in den Städten. Was Familienplanung in unserem Land vor allem erschwert, ist aber das Unverständnis einer überwiegend kon- sum- und genußfreundlichen Gesellschaft. Jeder Christ ist daher aufgefordert, seine Einstellung zum Kind zu überprüfen und zu überdenken, was er in Wort und Tat in seiner Umgebung und seiner Gemeinde zur Besserung dieser Situation beitragen kann.

Das Ja zum Kind bringt für die Eltern den zeitweiligen Verzicht auf manche Annehmlichkeiten und die Zurückstellung persönlicher Wünsche und Pläne mit sich.Aber verantwortungsbewußte Elternschaft bedeutet nicht nur Opfer, sondern auch Freude und existentielle Erfüllung; dies gilt vor allem für die Frau.

Besonders Frauen in seelischer oder finanzieller Bedrängnis brauchen bei ihrer Entscheidung für das Kind unser aller Ermutigung. Wir erwarten mit Recht von unseren Katholiken, daß sie ihnen Verständnis, nachbarliche Hilfe und materielle Unterstützung zuteil werden lassen.

Eindringlich ermuntern wir jeden einzelnen Christen in unserem Land, ein offenes Auge für schützende und fördernde Maßnahmen in allen Bereichen zu haben, in denen menschliches Leben bedroht ist

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