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Welchen Familienkurs (be)steuert Saldier ?

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„Dja kann ich noch gar ”nichts sagen. Das ist eine ungeheuer schwierige Frage.” Finanzminister Herbert Salcher gibt sich zugeknöpft, spricht man ihn darauf an, welche Konsequenzen er aus dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 18. März ziehen wird, mit dem die bisherige Steuerbegünstigung exklusive für Geschiedene als verfassungswidrig aufgehoben wurde (FURCHE 18/1982).

Eine Lösung möchte Salcher von vornherein ausschließen: jene nämlich, die unter seinem Amtsvorgänger Hannes Androsch in der Steuerreformkommission erarbeitet wurde. Diese hat, vom Grundsatz ausgehend, „daß die Unterhaltslasten bei aufrechten wie bei geschiedenen Ehen gleich zu behandeln sind”, vorgeschlagen, jedem Steuerzahler pro Unterhaltsberechtigtem einen steuerlichen Freibetrag einzuräumen.

Der Finanzminister dazu: „Das ist eine Lösung, die zu teuer ist Das ist nicht finanzierbar.”

Da diese Regelung „weit über zehn Milliarden Schilling kosten” würde, will der Steuerminister nach Lösungen fahnden lassen, „die echte Härtefälle abdecken können - ohne verfassungswidrig zu sein”.

Salchers Nachsatz: „Da sind wir noch nicht sehr weit gekommen.” Just jene Möglichkeit, der der Regierungsmann unter keinen Umständen nähertreten möchte, scheint freilich der Opposition als wünschenswert.

„Sicher geht es nicht, daß man eine Gruppe einseitig begünstigt. Der Grundsatz, daß man die Zahl der Unterhaltsberechtigten, die von einem Einkommen zu versorgen sind, im Steuerrecht berücksichtigt, ist in unserem Steueranpassungsantrag drinnen, der seit geraumer Zeit im Parlament hegt”, unterstreicht Marga Hubi-nek, Familiensprecherin der Volkspartei, die OVP-Vorstellungen, die jetzt durch die Entscheidung der Verfassungsrichter aktualisiert wurden.

Ähnlich äußert sich auch Holger Bauer, Finanzsprecher der FPÖ: „Wir sind der Meinung, daß im Steuerrecht Sorgepflichten berücksichtigt werden müssen -im Sinne der Förderung und Wertschätzung der Familie.” Eine Regelung, die wieder nur Geschiedene begünstigt, kann er sich „eigentlich nicht vorstellen”.

Im Finanzministerium in der Wiener Himmelpfortgasse denkt man freilich in die entgegengesetzte Richtung. Konkret überlegt wird eine gesetzliche Neuregelung, die jener ähnlich sein soll, wie sie bis 1974 Geltung hatte. Bis dahin konnten Unterhaltsleistungen an geschiedene Ehegatten dann als steuermindernde außergewöhnliche Belastung von der Lohn- und Einkommenssteuer abgesetzt werden, „wenn der den Unterhalt leistende Ehegatte wieder verheiratet ist”.

Doch so einfach ist der Rückgriff auf die seinerzeitige Bestimmung heute nicht mehr möglich. Denn zwischenzeitlich wurde im Zuge der Familienrechtsreform das Unterhaltsrecht der Frau wesentlich gelockert Sie hat nicht mehr (so wie früher) immer einen Unterhaltsanspruch, sondern nur dann, wenn sie über kein eigenes Einkommen verfügt. Womit die frühere Gesetzesphilosophie, daß mit der Wiederverheiratung eines Geschiedenen gleichsam automatisch eine außergewöhnliche Belastung erwächst, nicht mehr zutrifft

Eine solche Lösung wäre überdies rechtspolitisch nicht unbedenklich, weil erst recht wieder jene Differenzierung, die die Verfassungsrichter zuletzt vermißt haben, unberücksichtigt bliebe: die Unterscheidung von Geschiedenen und Verheirateten mit gemeinsamem oder getrenntem Haushalt

Daher stellt sogar der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis wörtlich fest: „Es steht dem Steuergesetzgeber sicherlich frei, Begünstigungen wie etwa die ... (ursprünglichen, d. Red.) zu schaffen, dies allerdings unter Berücksichtigung des aus dem Gleichheitsgrundsatz erfließenden Sachlichkeitsgebotes.”

Die zweite Variante, die ernsthaft in Erwägung gezogen wird, ist das Nichtstun: ein scheinbar auch sonst probates Rezept der

Lohn- und Einkommenssteuerreform.

Der Verzicht auf eine neue gesetzliche Sonderbestimmung bedeutet freilich - entgegen der weitverbreiteten Meinung — nicht, daß ab 1. Jänner 1983 Leistungen des gesetzlichen Unterhalts an die geschiedene Gattin nicht mehr als außergewöhnliche Belastung vor dem Finanzamt gelten. Diesbezüglich wird das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes überschätzt.

Diese Unterhaltszahlungen werden zwar nicht mehr automatisch als steuermindernd anerkannt, sie können aber jederzeit durch Antrag als außergewöhnliche Belastung (im Sinne des Paragraphen 34 Einkommenssteuergesetz) geltend gemacht werden.

Eine außergewöhnliche Belastung liegt dann vor, wenn Ausgaben dem Steuerzahler zwangsweise erwachsen und seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen.

Gesetzliche Unterhaltszahlungen an die geschiedene Gattin, argumentiert man im Finanzministerium, erwachsen, gleichgültig ob der Unterhaltspflichtige neuerlich verheiratet ist oder nicht, zwangsweise. Und ob eine unzumutbare Mehrbelastung vorliegt, kommt auf die Höhe des Einkommens an, wobei eine neue Ehefrau die „Zumutbarkeitsgrenze” um ein Prozent senkt.

Auch das ist eine Lösung. Eine saubere?

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