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Welcher Doktor ist der beste Installateur?

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Lassen sich Masse und Klasse, Quantität und Qualität, an der Universität von morgen vereinbaren? In welche Richtung fahren die Züge in der obersten Region des Bildungssystems - hierzulande und anderswo?

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Lassen sich Masse und Klasse, Quantität und Qualität, an der Universität von morgen vereinbaren? In welche Richtung fahren die Züge in der obersten Region des Bildungssystems - hierzulande und anderswo?

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FURCHE: Herr Minister, früher studierte eine Minderheit, nun gibt es das Schlagwort von der "Massenuniversität". Soll die Universität allen offen stehen oder nur einer kleinen atiserlesenen Schar die nötige Bildung vermitteln?

BUISTDESMINISTER ERHARD BUSEK: Ich glaube, daß wir im Bereich des Bildimgswesens in diesem Jahrhundert eine fundamentale Veränderung mitgemacht haben. Die Dynamik des Geschehens hat sich auch darin ausgedrückt, daß man früher damit rechnen konnte, mit einem Studium, mit einer Ausbildung an einer höheren Schule, bis zum Ende seinesLebens’auszu-kommen. Heute muß man sicher innerhalb des Lebens sein Wissen erneuern, es gibt sogar Maßzahlen dafür, wie oft das der Fall ist.

Ich glaube, daß eine generelle Richtlinie: Die Universität verschreibt sich einer breiten Ausbildung, ist eine Masseneinrichtung, ist eine Verlängerung der höheren Schule - genauso falsch ist wie der Wunsch: Gehen wir wieder zurück auf Universitäten, die relativ schmale Zugänge bieten.

Ich trete dafür ein, daß jeder studieren können soU, aber daß von ihm etwas verlangt wird. Das ist ja auch zu einem großen Teü an den österreichischen Universitäten der Fall, denn von den Erstinskribierenden vers chwindenjaim Laufe des Studiums 5 5 Prozent. Daß damit ein Verlust für die Volkswirtschaft und den Staat verbunden ist, steht außer Frage. Vielleicht kann man durch ein verbessertes Informationssystem vor der Inskription eine bessere Vorüberlegung des Studenten erreichen.

FURCHE: Das heißt: Zugang für alle, aber während des Studiums Schauen auf die Qualität, sorgfältigere Auslese. Brechen denn nicht manche auch das Studium ab, weil sie merken, daß sie auch ohne den mühsamen WegzumDiplom attrak-tiveArbeitsplätzefinden können und ein Studienabschluß ihre Chancen gar nicht wesentlich verbessert?

BUSEK: Eine große Rolle spielen falsche WertvorsteUungen, die oft bei den Eltern und bei jenen, die zur Universität drängen, vorhanden sind. Zum Teil sind es materielle Vorstellungen - man liest, was man alles verdienen könne, aber nur.

wenn man Akademiker sei -, zum zweiten ist es die in den letzten Jahren vorhandene Abwertung des Facharbeiters. Das Schicksal will es, daß wir auf eine Situation zugehen, in der mit Sicherheit Gruppen von Akademikern viel weniger als etwa Gruppen von Facharbeitern verdienen werden.

Ich habe hier immer noch ein ironisches Wort von Stephan Koren im Ohr, der einmal gesagt hat: "Es wird sich so entwickeln, daß alle Doktoren werden, und dann schauen wir, wer der bessere Installateur unter ihnen ist." Das kann sicher nicht der Idealfall sein.

Mir schwebt eine große Informationskampagne vor, in der wir auf den eigenständigen Wert des Facharbeiters verweisen. Wir haben einen akuten Facharbeitermangel, der sich auch in den Verdienstchancen niederschlägt. Und auch daraufwäre zu verweisen, daß zwar jeder an die Universität gehen kann, aber das Risiko mit sich trägt, nach einem abgeschlossenen Studium keine Berufschance vorzufinden.

FURCHE: Wie bewerten Sie den oft sehr engen Zusammenhang zwischen Studium einerseits und späterem Beruf anderseits?

BUSEK: Die Universität geht von der Grundidee aus, daß sie eigentlich nicht zu einem bestimmten Beruf direkt befähigt, sondern sie soU den Zugang zur Wissenschaft bieten. Das ist der Gedanke der Allgemeinbildung, den das Hochschulstudiengesetz sehr stark trägt. Praktisch ist es allerdings so, daß bestimmte Studienrichtungen sehr direkt zu einem Beruf hinführen. Gerade bei diesen Studienrichtungen muß man wohl darauf sehen, daß die allgemeine Seite nicht zu kurz kommt.

Um es an einer aktuellen Situation, an den Geschehnissen im Krankenhaus Lainz, zu sagen: Ich stelle mir vor, daß zum Beispiel das Medizinstudium stärkere Schwerpunkte des Ethischen erhält, weil ja der Mediziner zunehmend nicht nur ein bestimmtes Übel heilen soll, sondern mit Wertvorstellungen, mit Vorstellungen zum Leben umzugehen hat, wo auch psychologische Komponenten, die Uberalterung eines Landes, eine Rolle spielen. Das sind Aspekte, die über eine konkrete wissenschaftlich-handwerkliche Beirufsausbildung hinauBfjibrpn,

FURCHE: Sehen Sie durch die Annäherung Österreichs an die EG neue AufgtÄen im Bereich der Studienreform?

BUSEK: Ich sehe auch ohne EG ganz entschiedene Notwendigkeiten, weil wir eine Intematio-nalisierung des Wissenschaftsbetriebes längst haben und einfach mehr Mobilität verlangt ist. Ich stelle mir vor, daß die Qualifikation eines Lehrenden nach einem ent-sprechendenAuslandsaufenthaltim internationalen Wissen-

schaftsprozeß mehr zählt. Wir werden uns ansehen müssen, welche Studien in Österreich begonnen werden können und wo es Ausbildungen im Ausland gibt, die eine derartige Marke darstellen, daß wir sie in Österreich gar nicht erreichen können.

FURCHE: Das heißt, es kommt vergleichsweise viel billiger, jemanden dort hinztischicken alshier ein eigenes Institut zu errichten?

BUSEK: Wir haben manchmal gar keine Chance, so etwas zu machen, weil - zum Beispiel für Arktisforschung, aber das ist nur ein Beispiel - nur an wenigen Punkten der Welt die Einrichtungen dafür existieren.

FURCHE: Wie steht es mit der Anrechsnbarkeit von Auslandsstudien?

BUSEK Die internationale Entwicklung erzwingt diese Frage der Anerkennung. Wir stellen gerade Überlegungen hinsichtlich einer Intemationalisierung des Wirtschaftsstudiums an. Ein Modell sieht so aus, daß man einen Teil des Studiums an einer österreichischen Universität absolvieren kann, einen zweiten Teil an einer ausländischen.

FURCHE: Sie haben bisher weniger Sympathien als Ihr Vorgänger für die Einführung von Kurzstudien gezeigt…

BUSEK: Ich bin sehr skeptisch, die Matiura auf Hochschulebene zu verlagern.

FURCHE: Sind Sie mit Ihrer Idee, den Bildungsbereich in einem Ressort und den Kunst- und Kulturbereich in einem anderen Ressort zu bündeln, auf Gegenliebe gestoßen?

BUSEK: Ich weiß, daß Bundeskanzler Vranitzky diesem Gedanken an sich sehr positiv gegenübersteht. Ich halte die derzeitige Trennung für nicht sehr sinnvoll, noch schlimmer ist es im Kunstbereich, weü hier zwischen lebender und toter Kunst und solcher, die im Ausland stattfindet, unterschieden wird, und das Ganze zerteilt sich dann auf drei, vier Ressorts.

FURCHE: Aber eine Realisierung dieses Planes…

BUSEK: …ist am Ende einer Legislaturperiode nicht sinnvoll Weim man daran denkt, Verantwortlichkeiten neuzu verteilen, wird man sich auch dieser Frage nähern müssen.

FURCHE: Immer wieder ist heute vom lebenslangen Lernen die Rede. Waskanndie Universität dazu beitragen?

BUSEK: Eine Seniorenuniversität ist eine reizvoUe Facette. Ich glaube, daß ein anderes Problem existiert, das wahrscheirdich bei Interesse an einer Verkürzung des Studiums auch aktueller wird. Ich habe darauf hingewiesen, daß man früher mit dem, was man an der Universität gehört hat, sein Leben lang ausgekommenist. Das ist heute nicht der Fall, man wird nachlemen müssen.

Ich glaube daß hier der Weiterbildung eine ungeheure Bedeutung zukommt. Der Bildungsurlaub, der rechtlich existiert, ist de facto nie ausgeschöpft worden. Zum Teil wird es heute in Firmen besorgt, aber viele Österreicher sind in Klein- und Mittelbetrieben, die dazu gar nicht die Chance haben. Wenn wir als ganzes nicht hinten bleiben wollen, werden wir hier sicher weiterführende Lehrgänge anzubieten haben.

FURCHE: Eine Art Blockseminarefür 40- oder 50jährige…

BUSEK Ich würde schon mit 35 anfangen.

FURCHE: Und das ist sehr konkret in Planung?

BUSEK Nein, das ist eine Überlegung, die ich sicher in der nächsten Legislaturperiode angehen werde.

Mitdem Bundesminister für Wiaaenschaftuad Forachung sprach Heiner Bobeisld.

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