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Weltgeschehen zur Weihnachtszeit

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Weihnachten, die Zeit der Wintersonnenwende, Zeit des Schlafes in der Natur… Weihnachten, Zeit der Muße, der Einkehr, der Selbstbesinnung — und der Nächstenliebe des Menschen … Weihnachten, Zeit der Ruhe, sollte auch die Zeit des Friedens sein. Denn „Friede den Menschen auf Erden, die eines guten Willens sind!“ — Doch auch in den Weihnachtstagen stand die Zeit niemals still, haben Menschen — einem ewigen Naturgesetz zufolge — das Licht der Welt erblickt oder haben diese verlassen. Menschen, die — früher oder später erkennbar — eben dieser Welt ihren persönlichen Stempel aufdrückten, ihr — durch ihr Temperament und ihren Geist — ein eigenes Profil gaben. Und es fanden zur Weihnachtszeit Ereignisse und Begebenheiten statt, welche — teilweise oder in ihrer Gesamtheit — die Struktur der bewohnten und unbewohnten Erde mehr oder minder beeinflußten und veränderten.

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Weihnachten, die Zeit der Wintersonnenwende, Zeit des Schlafes in der Natur… Weihnachten, Zeit der Muße, der Einkehr, der Selbstbesinnung — und der Nächstenliebe des Menschen … Weihnachten, Zeit der Ruhe, sollte auch die Zeit des Friedens sein. Denn „Friede den Menschen auf Erden, die eines guten Willens sind!“ — Doch auch in den Weihnachtstagen stand die Zeit niemals still, haben Menschen — einem ewigen Naturgesetz zufolge — das Licht der Welt erblickt oder haben diese verlassen. Menschen, die — früher oder später erkennbar — eben dieser Welt ihren persönlichen Stempel aufdrückten, ihr — durch ihr Temperament und ihren Geist — ein eigenes Profil gaben. Und es fanden zur Weihnachtszeit Ereignisse und Begebenheiten statt, welche — teilweise oder in ihrer Gesamtheit — die Struktur der bewohnten und unbewohnten Erde mehr oder minder beeinflußten und veränderten.

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So wurde— um nur ganz spora- dische Beispiele zu nennen — am Weihnachtsabend 1816 im Hause des ersten Siegers über Napoleon, im Palais des Erzherzogs Karl — auf Veranlassung seiner Gemahlin, Henriette von Nassau-Weilburg, der erste Weihnachtsbaum in Wien aufgestellt und ein Jahr darauf zum erstenmal ein solcher in einem Wiener Bürgerhaus, und ztwar im Vaterhaus des berühmten österreichischen Malers Rudolf von Alt. Die schöne Sitte des Aufstellens eines Weihnachtsbaumes — mit Geschenken für die Lieben darunter, um welche sich das ganze schöne Fest gruppiert — hat von Wien aus so recht erst seinen Ausgang genommen.

Auch in der künstlerischen Laufbahn des bedeutendsten deutschen Opemkomponisten des vorigen Jahrhunderts, und zwar Richard Wagners, spielten — und da gleich vier — Weihnachtstage, eine nicht unwesentliche Rolle. Erklang doch am 24. Dezember 1830 zum erstenmal seine Ouvertüre in B-Dur, bekannt unter dem Namen „Paukenschlag- Ouvertüre“, im Leipziger Theater. Am 26. Dezember 1862 gab Wagner sein erstes großes Konzert in Anwesenheit des Hofes im Theater an der Wien. Weiter fand am Christtag des Jahres 1878 die Erstaufführung des Vorspiels — „Liebesmahl und Gralsthema“ — zu seinem „Parsifal“ in Bayreuth statt und schließlich dirigierte Richard Wagner am Weihnachtsabend 1882 eine Aufführung seiner selten gehörten Symphonie in C-Dur — zum letztenmal öffentlich.

Ein ganz anderes Ereignis, das später besonders für Österreich von Bedeutung werden sollte, spielte sich zu Weihnachten 1837 in der Nähe der Hauptstadt Bayerns ab. Wahrscheinlich von den meisten Zeitgenossen der damaligen Doppelmonarchie fast unbeachtet, brachte das einstige Wiener „Salonblatt“ eine Notiz, welche folgendes mitteilte: „Herzog Max in Bayern, dem Oberhaupt der Herzog-Vorpfalz-Zweibrücken-Bir- kenfeldschen Linie des Hauses Wittelsbach und seiner Gemahlin Ludo- vica (Louise), Tochter König Maximilians von Bayern, wurde gestern im Schlosse Possenhofen bei München eine Tochter geboren.“ Soweit die Mitteilung. — Dieses Kind nun, das am 24. Dezember 1837 zur Welt kam und von seinen Eltern dann „Sisi“ gerufen wurde, war Elisabeth, die spätere Kaiserin von Österreich und Königin von Ungarn.

In rascher Überblendung dieses historischen Reminiszenz sei nun ein Blick in das Innere der Oper von Kairo geworfen, wohin man sich im Geiste an den 24. Dezember 1871 rückversetzt denke. Ein buntes, ungemein prächtiges Bild bietet an diesem Tage der Zuschauerraum dieses Opernhauses. Das vornehmste, exquisiteste Publikum — darunter auch einige Monarchen der damaligen Zeit — füllte den Raum bis auf den letzten Platz. Und der Grund dieser festlichen Aufmachung? — Es fing ganz harmlos an: Eine „hochgestellte Persönlichkeit“, so erzählte im Jahre 1869 der italienische Opernkomponist Maestro Guiseppe Verdi seinem Verleger, habe sich an ihn gewendet und anfragen lassen, ob und unter welchen Bedingungen er bereit sei, eine Oper „für einen beson deren Anlaß und für ein sehr wei entferntes Land“ zu komponieren Dieses weit entfernte Land wa: Ägypten, die hochgestellte Person lichkeit dessen Vizekönig Ismail unc der besondere Anlaß — die Einwei hung des Suezkanals. Die Oper deren Entstehung somit unzertrenn lieh mit dem Suezkanal verbundei bleibt, wurde freilich erst zwei Jahr« nach dessen Eröffnung in Kairo, an Weihnachtsabend des Jahres 1871 uraufgeführt und wurde eine Welt Sensation; sie ist Verdis Meisterwerk, die Oper „Aida“. Seit diesen Tag ist sie nicht mehr von der Bühnen der Welt wegzudenken un hat auch bis heute an Zugkraf kaum eingebüßt.

Enrico Caruso — um gleich bei de: Oper zu bleiben — „der größt: Sänger seiner Zeit“, wie er damal: und von vielen auch heute noch ge nannt wird, trat am 23. Dezembe: 1920 in der Metropolitan-Opera zi New York in der Partie des Eleaza: in der Oper „Die Jüdin“ voi Giacomo Meyerbeer zum letztenma vor einem Theaterpublikum auf Caruso, bereits tödlich erkrankt „hatte so schön, so unvergleichlid gesungen wie in seinen bester Tagen“, meldeten damals die Reporter, Journalisten und Vertreter ausländischer Manager in alle Erdteile Am 2. August des nächsten Jahre: hatte * er ausgelitten und ein« Stimme, die die Welt eroberte, wai für immer verklungen.

Ein technischer Sieg erster Ranges, woran das Ende des vorigen Jahrhunderts bekanntlicl nicht arm war, wurde am 25. Dezember 1870 von ganz Europa gefeiert An diesem Weihnachtstag trafer nämlich die beiden Durchstiche beirr Bau des Mont-Cenis-Tunnels aufeinander, jenes Tunnels, der nocl heute die kürzeste Eisenbahnverbin dung zwischen Frankreich und Italien darstellt.

Am Weihnachtstag des Jahres 1835 wieder konnte man im Polytechnischen Institut in Wien ein Gerät bestaunen, welches das Problem des „mechanischen Nähens“ geradezu ideal gelöst hatte. Also — „die erste Nähmaschine“. Sein Erfinder, der Schneidermeister Josef Madersperger aus Wien, hatte die Maschine dem Polytechnischen Institut nur darum zum Geschenk gemacht, weil ihm das Geld für die Taxe fehlte, damit seine Erfindung — die er bereits 1814, also dreißig Jahre vor den Amerikanern, gemacht hatte — praktisch erprobt werden konnte. Dieselbe hatte seine geringen Ersparnisse aufgezehrt und er selbst war in Not. Die „Bronzene Medaille“ des „Niederösterreichischen Gewerbevereines“ war der einzige Lohn für Maderspergers rastlos entbehrungsreiches Streben Krankheit und zunehmendes Alter hinderten ihn, sein Handwerk noch weiter auszuüben und, obdachlos ge- wordeh, wurde er in das „Bürgerversorgungshaus“ in Sankt Marx eingeliefert, wo er am 2. Oktober 1850 starb. So ward dem Erfinder der ersten Nähmaschine, Josef Madersperger, ein Schicksal zuteil, das nur mit dem politischen und wirtschaftlichen Unvermögen und der Kurzsichtigkeit der damaligen Zeit zu erklären ist.

Am 26. Dezember 1898 fand in Paris eine Revolution statt, doch eine Revolution in der physikalischchemischen Wissenschaft. An diesem Weihnachtstag lag in der Sitzung der „Akademie der Wissenschaften“ ein Bericht von Pierre und Marie Curie vor, der das Vorhandensein eines zweiten chemischen Elementes in der Pechblende ankündigte, das den Namen „Radium“ erhielt. Pierre Curie, der französische Physiker, Professor an der Sorbonne zu Paris, arbeitete mit seiner Gattin und Nachfolgerin Marie Curie über Magnetismus und entdeckte bereits im Mai 1898 das Radium. 1903 erhielt Pierre Curie für Physik und 1911 seine Gattin Marie Curie den Chemienobelpreis. Radium vom lateinischen „radius“, das heißt Strahl — ist ein radioaktives Erdkalimetall und kommt als Zerfallprodukt des Urans in der Pechblende vor. Erst durch die Entdeckung des französischen Gelehrtenehepaares, samt ihrem Mitarbeiter G. Bėmont, war die Radiumtherapie — die Behandlung von Krankheiten mit Radium — möglich. Das umgebende, gesunde Gewebe wird — im Gegen satz zur Röntgenbestrahlung — weitgehend geschont. Man sieht daraus, welche Revolution in der Wissenschaft die Entdeckung des Radiums gemacht • hat, die an diesem zweiten Weihnachtstag des Jahres 1898 zu Paris der Öffentlichkeit zum erstenmal bekannt wurde. *

Am 17. Dezember 1903 erhob sich in der Nähe des King-Devil-Hügels bei Kittyhawk, Nordcarolina, in den USA bei einer Windstärke von etwa 40 Stundenkilometern ein Motorflugzeug viermal nacheinander, bis zur Höhe von 256 Metern, in die Luft. Beim vierten Flug legte es 800 Meter in einer knappen Minute zurück. Es war das erste Motorflugzeug, das nicht gleich nach dem Start abstürzte. Seine Konstrukteure und Piloten waren die Brüder Orville und Wilbur Wright, Fahrradhändler aus Ohio, die sich seit ihrer frühesten Jugend mit Flugversuchen beschäftigt hatten. Ihr Vorbild war der deutsche Segelflieger Otto von Lilienthal, der jedoch verunglückt war, weil er seine Maschine nicht mit einem stabilen Schwergewicht versehen, sondern versucht hatte, sie durch Verlagerung seines Körper-

gewichits zu steuern. Den Brüdern Wright gelang es bei ihrer Konstruktion eines Doppeldeckers, der aus Holz und Leinwand bestand und durch einen 15-PS-Motor mit zwei Luftschrauben angetrieben wurde, diesen Fehler zu beheben. Ihrer Ausdauer und Kühnheit ist die Eroberung der Luft für Verkehrszwecke durch Menschen zu verdanken.

Am 14. Dezember 1911 erreichte der Norweger Roald Amundsen als erster Mensch den Südpol. Der englische Forscher Robert F. Scott fand auf seinem Rückzug vom Südpol am 18. Jänner 1912, also einen Monat nach Amundsens Ankunft, mit seinen vier Gefährten den Tod. Monate später entdeckte man bei seinem Leichnam einen Film mit der Aufnahme seiner Mannschaft vor der norwegischen Fahne am Südpol sowie Scotts Tagebuch, aus dem hervorging, daß Amundsen und seine Mannschaft als erste den Südpol erreicht hatten.

Der stürmisohe Fortschritt der technischen Wissenschaften in unserem Jahrhundert zeigt sich vor allem in der praktischen, friedlicher Anwendung der Atomkraft und in der Entwicklung der Automation. Im Dezember 1956 wurde das Atomkraftwerk Calder Hall in England, die erste Anlage dieser Art, in der Atomkraft für industrielle Zwecke genutzt wird, in Betrieb genommen.

Zu fast gleicher Zeit, Dezember 1956, wurde in Frankfurt am Main der Betrieb von Elektronengehirnen aufgenommen. Diese „Univac“, wie sie sich nannten, können bis zu 1000 arithmetische und logische Operationen pro Sekunde bewältigen. Der exakt und zeitsparend kalkulierende Roboter besteht aus einer Unzahl von hintereinander geschalteten Röhren Magnetspulen, Transistoren, Kontakten, Sicherungen und Kabeln. Ein solches vollautomatisches Mammuthirn, jetzt Computer genannt, vermag lOO.OOOmal schneller zu rechner als der routinierteste Techniker, Komplizierteste Berechnungen, etwa bei der Konstruktion von Düsentriebwerken und Raketenmotoren oder bei Atomkraftproblemen können in wenigen Minuten durchgeführt werden. Tonbänder und Lochkarten registrieren die Resultate, wie sie ja seither zu den vielfältigsten Zwecken Verwendung finden.

Würden alle diese Erfindungen, Errungenschaften und Erkenntnisse auf den Gebieten der Wissenschaft, der Technik und Kirnst bloß zu friedlichen Zwecken, zum Segen und Heil der Menschheit genützt werden dann wäre der Gesang der Engel schon längst Wahrheit geworden: „Friede allen Menschen auf Erden, die eines guten Willens sind!“

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