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Weltuniversität im Schatten

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Die Tagung der UNO-Universität (UNU) in der Wiener Hofburg hätte eine Art Selbstrepräsentation sein sollen, der Versuch einer relativ unbekannten Einrichtung, mit ihren Anliegen an die Öffentlichkeit zu dringen. Ein Versuch, der leider fehlgeschlagen ist. Man tagte unter Ausschluß der Öffentlichkeit, die österreichischen Medien zeigten spürbares Desinteresse. So tagte man halt und sprach miteinander über Programme und Probleme, die man der Öffentlichkeit näher bringen wollte.

Die UNU ist eine „autonome Institution im Rahmen der Vereinten Nationen, die von der Generalversammlung errichtet wurde. Sie hat die Aufgabe, durch internationale Koordinierung von Wissenschaft und Forschung an der Lösung dringender und weltweiter Probleme des Überlebens, der Entwicklung und der Wohlfahrt der Menschheit mitzuwirken“. Soweit eine fast euphorische Selbstcharakterisierung einer Institution, die keine Institution sein will, keine traditionelle

Universität mit Lehrkörper, Studenten und einem Bildungsauftrag, sondern ein „offenes System“ von weltweit verstreuten Instituten. Eine An-tiorganisation, die sich doch den organisatorischen Zwängen einer Weltinstitution nicht entziehen kann, die zwangsläufig ihre hochgestellten Erwartungen den praktischen Voraussetzungen anpassen muß, die ihr „Realitätsbewußtsein“ erst entwickeln muß.

Gegründet wurde die Universität vor zwei Jahren, im September 1975. Hauptsitz oder Koordinationszentrum ist Tokio. An theoretischen Grundlagen hat man immerhin schon einiges geleistet. Drei Hauptprogramme sind ausformuliert und zum Teil schon in die Tat umgesetzt worden: „Kampf gegen den Hunger in der Welt“, „Entwicklung von Mensch und Gesellschaft“ und „Erhaltung und Nutzung der natürlichen Ressourcen“. Drei Mammutprogramme, die so ziemlich alle derzeit virulenten Probleme umfassen. Die Frage nach einer effizienten Energieversorgung in unterentwickelten Ländern, das Problem der Industrialisierung, der Zerstörung des ökologischen Gleichgewichtes gerade in Ländern der Dritten Welt, in denen bei Industriebauten keine Rücksicht auf etwa vorhandene architektonische Strukturen und Einheiten genommen wird. Ein Wust von Problemen, die wissenschaftstheoretisch aufgearbei-' tet werden müssen. Man hat auch schon Pläne in die

Praxis umgesetzt, etwa in Algerien oder Sri Lanka, wo neue Wohnanlagen oder Industriekomplexe die herkömmlichen, umweltbezogenen Bauformen integrieren, wo alternative Energiequellen wie Sonne oder Wind ausgenutzt werden. Bescheidene Anfänge, gewiß, trotzdem sollten sie der Öffentlichkeit präsentiert werden, sollte versucht werden, den bürokratischen Nimbus der UN-Organisationen abzubauen. So kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, als hätten die Verantwortlichen Angst vor Publizität, als wollten sie etwas verbergen.

„Machtpolitisch steht die UNU natürlich im Schatten“, drückte der Vize-Rektor Alexander Chwa-Pong das eigentliche Dilemma aus, „die Vermittlung zwischen Wissenschaftlern und den Entscheidungsträgern funktioniert nur selten. Rein ökonomische Interessen von Seiten der Industrieländer dominieren immer noch, die persönlichen Machtgelüste gewisser Diktatoren in Entwicklungsländern verhindern immer noch einen demokratischen Dialog.“ Man will es halt bequemer, reibungsloser; die Argumente der Wissenschaftler fallen dabei allzu leicht durch den Rost, versickern irgendwo in Archiven, werden dann und wann als Alternativen präsentiert und sofort wieder vergessen. Man tut sich schwer als „autonome Institution“, hat finanzielle Probleme, da die Mitgliedsländer keinerlei Beiträge zahlen müssen, da man auf Spenden, auf die Zinsen eines Stiftungsvermögens der japanischen Regierung angewiesen ist, da man „realpolitisch vor ökonomischen Interessen zurückstecken muß“.

Trotzdem arbeitet man, bemüht man sich, zeigt Fehler auf, kritisiert, bietet Alternativen an. Manchmal gelingt es auch, können Entscheidungsträger, sprich Politiker, überzeugt werden, das allein rechtfertigt schon die Existenz einer Organisation, die in zwei Jahren ihres Bestehens immerhin ganze Stöße von theoretischen Konzepten ausgearbeitet hat.

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