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Weltuntergang: Ein theologisches Problem ?

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Viele jüngst erschienene Bücher spielen, oft unter Berufung auf biblische Prophezeiungen, mit Weltuntergangsgedanken. Was sagt der Wiener Dogmatiker Univ.-Prof. Gisbert Greshake dazu?

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Viele jüngst erschienene Bücher spielen, oft unter Berufung auf biblische Prophezeiungen, mit Weltuntergangsgedanken. Was sagt der Wiener Dogmatiker Univ.-Prof. Gisbert Greshake dazu?

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KIRCHE: Herr Prof. Gresha- e, kennt die Theologie ein fixes Programm für den Weltuntergang?

GRESHAKE: Natürlich überhaupt nicht. Schon das Problem Weltuntergang ist ja im Grunde kein theologisches Problem. Ich meine, es liegt hier eine Analogie vor zwischen der Frage der Weltentstehung und des Weltunterganges. Im vorigen Jahrhundert gab es die großen Auseinandersetzungen darüber, wie die ersten Kapitel der Heiligen Schrift zu verstehen seien, also die Aussagen über Welterschaffung, Paradiesgeschichten usw.

So wie wir heute wissen, daß die ersten Kapitel der Heiligen Schrift, die vordergründig vom Anfang sprechen, uns etwas viel Fundamentaleres sagen als eine historisierende Beschreibung „So war es damals“, genauso sagen uns auch die Aussagen des Glaubens über das Ende etwas anderes, als daß sie uns fast wahrsagerisch einen Blick in die Zukunft tun lassen.

FURCHE: Was bedeuten Bibelworte wie ,Jch sah einen neuen Himmel und eine neue Erde“?

GRESHAKE: Ich würde zunächst sagen, es sind Bilder, wie man ja überhaupt über Zukunft nur in Bildern sprechen kann. Was ist nun gemeint mit dem Bild vom neuen Himmel und der neuen Erde? Dieses Bild will uns Hoffnung machen, daß das, was wir hier und jetzt erfahren an Negativem, an Bösem, am Leid, am Mißlungenen, an Chaos, daß das nicht das letzte Wort Gottes über diese Welt, über unsere Wirklichkeit ist, sondern, daß das letzte Wort Gottes heißt: Seligkeit, Licht, Vollendung, Glück, Heil, wie immer man das zum Ausdruck bringen will.

FURCHE: Was hat es zu bedeuten, wenn vor dem Weltuntergang Zeichen an den Gestirnen angekündigt werden?

GRESHAKE: Wenn wir einmal

schauen, in welchem Zusammenhang dieses Bild von der Erschütterung des Kosmos zum erstenmal gebraucht wird, da stellen wir fest, daß es aufs Alte Testament zurückreicht. Und dort ist zunächst einmal damit gemeint, daß Babylon, das war für die alttesta- mentliche Erfahrung die Summe des Bösen, was es in der Welt gab, daß Babylon, das Sternengotthei- ten, AstralgottheitÄi verehrte, zusammenstürzt.

Also schon beim ersten Auftreten dieses Bildes, sind Sonne, Mond und Sterne überhaupt nicht kosmische Gegebenheiten, wie wir sie heute physikalisch verstehen, sondern Symbolisierungen der Götterwelt Babylons, und damit ist gesagt, die Ordnung Babylons, also die Ordnung des absolut Bösen und Ruchlosen, die stürzt zusammen.

Wenn wir uns also heute dieses Bild sachgemäß erklären wollen und nicht primitiv, dann müssen wir sagen: All das, was sich in dieser Welt aufbläht und als letzter Wert aufspielt, alle Vergötzungen, die wir in der Welt sehen, ob sie nun Reichtum oder Sex oder Macht oder wie immer heißen, diese aufgeblähten, pervertierten Ordnungen dieser Welt, die werden nicht bleiben, sondern sie werden Zusammenstürzen, sie werden zunichte werden.

Vor einiger Zeit las ich einmal in einer Zeitschrift, was die Schrift da sage, „die Sterne werden niederprasseln“, das sei ja

durchaus möglich, durch eine Atomexplosion könne die Welt aus ihrer Bahn geraten, und dann könne es so scheinen, als ob die Sterne auf die Erde herunterprasselten. Das ist total historisierende Verfälschung dieses Bildes, und man hat überhaupt nicht verstanden, was das Bild „Sonne, Mond und Sterne“ ursprünglich aussagt.

FURCHE: Ist m.an sich über die Interpretationen dieser Bilder in der Theologie weitgehend einig?

GRESHAKE: Man wird sicher heraussteilen müssen, daß die weitaus meisten Theologen sagen, daß die Bilder über das Ende ganz wesentlich personal interpretiert werden müssen. Ein konkretes Beispiel: Was ist eigentlich Himmel? Himmel ist ein Bild natürlich. Himmel ist nicht eine himmlische Landschaft, sondern etwas Personales, nämlich Gemeinschaft mit Gott und mit unseren

Brüdern und Schwestern. Es ist ja interessant, daß das einzige Bild, das Jesus gebraucht für die jenseitige Welt, das Bild vom Gastmahl ist — Zeichen von Gemeinschaft.

Das gleiche Bild auch von der Wiederkunft Christi, die in den apokalyptischen Aussagen geschildert wird auf dem weißen Roß, in den Wolken des Himmels, mit den Engeln, Posaunenklang usw. Auch hier geht es um eine personale Wirklichkeit, wo alles zu Ende ist. Damit meine ich nicht nur hier unsere Welt, die ja irgendwann sicher einmal endet, wie uns die Naturwissenschaftler belehren, sondern ich meine auch unser Leben, das ist ja auc)i ein Ende.

Wenn wir sterben, dann ist das ein Weltuntergang im kleinen, der Untergang meiner Welt, meiner ganz persönlichen Welt. Und dort, wo alles am Ende ist, dort begegne ich Christus.

FURCHE: Was sagt die Theologie zu der weitverbreiteten Meinung, für diese Welt bestehe vom Anfang bis zum Ende ein göttlicher Plan?

GRESHAKE: Ich habe Schwierigkeiten mit diesem Wort Plan. Ich kann dem dann einen guten Sinn abgewinnen, wenn ich sage, der Plan ist jene Urabsicht Gottes, daß er sich ganz dem Menschen geben will, daß er ganz beim Menschen sein will und der Mensch ganz bei ihm sein soll.

Aber manche Menschen verbinden mit „Plan Gottes“, daß das, was geschehen wird, hier auf Erden, wie ein himmlischer Film schon bei Gott ist und nur noch ablaufen muß. Das finde ich eine völlig unsinnige Vorstellung! Gott spielt mit uns nicht Marionettentheater, daß er nur seine Pläne hier durchführt mit uns Menschen, daß wir wie Schachfiguren auf dem Brett hin- und hergeschoben werden, sondern, was zwischen Gott und uns geschieht, ist ein Dialog.

Eine Aussage, die sehr häufig im Alten Testament vorkommt, ist die Aussage von der „Reue Gottes“. Da heißt es „Da reute es Gott, was er beschlossen hatte“. Das heißt also, Gottes Pläne sind beweglich, je nachdem, wie der Mensch sich entscheidet, ist auch Gottes nächster Schritt ein anderer. Nun mag man sagen, das ist alles sehr menschlich ausgedrückt, anthropomorph, aber damit ist mindestens angedeutet, wie das Verhältnis zwischen Gott und Menschen und Schöpfung zu denken ist.

Was ich also von Gottes Plan weiß, worauf ich mich als Glaubender verlasse, das ist eben dieses absolute Hoffen darauf, daß Gottes Plan Liebe und Treue ist, daß Gottes Plan heißt, daß wir alle zu ihm kommen und daß er ganz bei uns ankommen will. Und alles weitere, wie sich dieser Urplan Gottes in der konkreten Geschichte umsetzt, das weiß ich nicht, da weiß kein Theologe etwas zu sagen, und das brauchen wir auch nicht zu wissen.

Aus Splittern von Andeutungen der Heiligen Schrift womöglich etwas herausgeheimnissen, wie’s in den nächsten hundert oder tausend Jahren weitergeht, und ob’s weitergeht, ist einfach Vermessenheit des Menschen, das ist lächerliche Neugier. Jesus weist das radikal ab: „Den Tag und die Stunde kennt niemand, nicht einmal der Sohn, nur der Vater im Himmel“, sagt er.

Oat Interview führte Heiner Boberski.

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