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Wen schützt Datenschutz?

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„Das Datenschutzgesetz ist der Schritt der Grundrechte in das dritte Jahrtausend." Gerhard Stadler, Leiter der Datenschutzkommission im Bundeskanzleramt, weist mit diesem Zitat auf die schwerwiegenden Veränderungen hin, die das Gesetz für uns bringt. Aus taktischen Gründen wurde bisher die Öffentlichkeit nicht über die Anwendung des Gesetzes informiert. Denn erst im April werden alle zum Datenschutz verpflichteten Organisationen im Statistischen Zentralamt erfaßt sein. Ab diesem Zeitpunkt können die Beamten auf Anfragen oder Beschwerden reagieren.

War dieses Gesetz wirklich notwendig? Welche. Vorteile bietet es uns? '

Sammlungen von Daten gibt es praktisch seit der Verwendung von Schriftzeichen. In staatlichen und kirchlichen Archiven wurden neben historischen auch persönliche Daten aufgezeichnet'. Doch diese Archivewaren zumeist nur der entsprechenden Institution zugänglich. Das Auffinden von Daten war mit Sucharbeiten verbunden, zeitintensiv und mühsam.

Seit dem Einsatz moderner Informationstechnologien ist das Sammeln und Aufbewahren großer Datenmengen sehr einfach geworden. Auf Knopfdruck gibt der Computer via Bildschirm in Sekunden bereitwillig vertrauliche Informationen her, wenn nicht rechtzeitig Maßnahmen gegen unbefugten Gebrauch oder Zugriff getroffen werden.

Durch die einfache Handhabung von Daten werden diese zu leicht verkäuflicher Handelsware.

• Eine Gemeinde meldet Geburten an eine Versicherung weiter. In einem Falle stirbt ein Neugeborenes wenige Tage nach der Meldung. Wie üblich kommt ein Vertreter für Lebensversicherungen und gratuliert ahnungslos den geschockten Eltern.

• Personalchefs größerer Unternehmen wird nachgesagt, sie bildeten „Interessengemeinschaften" zum ungehinderten Austausch persönlicher Daten und Informationen über Arbeitnehmer.

• Der Vertreter für Haushaltsversicherungen, der einen Tag nach Einzug in die neue Wohnung plötzlich vor der Tür steht, kommt sicherlich nicht zufällig vorbei. Er hat die Adresse vom Maklerbüro oder vom Meldeamt. ,

Das Datenschutzgesetz - dem einzelnen wenig bekannt, von Experten viel diskutiert - kann solche Praktiken seit Jahresbeginn verhindern.

„Der Ausdruck Datenschutz' ist mißverständlich", erklärt Gerhart J. Pawlikowsky, Datenschutzexperte von IBM und Herausgeber des Buches „Datenschutz - Leitfaden & Materialien"; „nicht Daten sollen geschützt werden, sondern Ziel des'Da-tenschütztsist vielmehr, dem einzelnen Menschen sein Recht auf Selbstbestimmung über die ihn betreffenden Informationen zu gewährleisten."

Dies war auch der rechtspolitische Grundgedanke für dieses Gesetz. Das Recht jedes Bürgers auf Schutz seiner Privatsphäre muß bei fortschreitender Demokratisierung auch bei Einsatz von Computersystemen gewährleistet sein und ist im Artikel 1 so formuliert: „Jedermann hat Anspruch auf Geheimhaltung der ihn betreffenden Daten, soweit er daran ein schutzwürdiges Interesse, insbesondere im Hinblick auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, hat." Nur gesetzliche Bestimmungen oder die „Wahrung berechtigter Interessen eines anderen" lassen eine Einschränkung dieses Grundrechtes zu. Aber auch dann hat immer die vertrauliche und zweckgebundene Behandlung der Daten Vorrang.

„Darüber hinaus", betont Pawlikowsky, „hat jedermann in öster reich bezüglich aller ihn betreffenden Angaben das Recht auf Richtigstellung unrichtiger sowie das Recht auf Löschung unzulässigerweise ermittelter Daten."

Das Datenschutzgesetz enthält einen weiteren wichtigen Vorteil für jeden von uns: Wer vermutet, daß seine Daten unzulässig verwendet oder weitergeleitet werden, kann jederzeit von der datenverarbeitenden Stelle den Nachweis über die vertrauliche und zweckgebundene Behandlung seiner Daten verlangen. Die Beweislast liegt dabei beim finanziell Stärkeren. Aber auch ohne konkreten Verdacht kann jedermann bei der Institution anfragen, welche Daten von ihm gespeichert sind und wie sie verwendet werden. Für diese Information kann die Firma oder Behörde einen „angemessenen Betrag" (nämlich die tatsächlich entstehenden Kosten) verlangen.

Kann die Institution keinen Nachweis erbringen, gibt sie die geforderten Informationen nicht her, verlangt sie einen zu hohen Geldbetrag dafür oder stimmt sie einer Löschung oder Richtigstellung der Daten nicht zu, so kann der Betroffene beim Landesgericht klagen. .

Bis zum Datenschutzgesetz, und zwar seit 1867, grenzen die vorhandenen Grundrechte lediglich die Willkür des Staates gegenüber dem einzelnen ab. Das Datenschutzgesetz verpflichtet darüber hinaus den Staat und die Privatwirtschaft, sich bei der Bedienung technischer Innovationen Schranken aufzulegen.

„Jedes Gesetz muß gelebt werden." Gerhard Stadler meint damit, daß in jedem von uns eine Art „Datenschutzbewußtsein" entstehen muß. Denn wenn dies nicht der Fall ist, nützen uns die im Gesetz neu festgelegten Rechte nichts.

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