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Wenig geliebte Sieger

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Vor zehn Jahren rumpelten die kommunistischen Tanks in die Hauptstadt Südvietnams, Saigon. Damit schien der 30jährige Krieg um dieses unglückliche Land beendet. Zum Jubiläum des Kriegsendes veranstalteten die amerikanischen Fernsehanstalten einen Medienzirkus mit extra eingeflogenen Satellitenantennen; hundert amerikanische Journalisten erhielten das Visum von Hanoi, das mit Amüsement die ma-sochistische Veranstaltung verfolgte, wie die Amerikaner ihre bisher einzige Niederlage „feierten”.

Anderseits mußte der Premier des Nordens Van Dong einräumen, es sei leichter den Krieg zu organisieren als den Frieden. Es ist dem Norden nicht gelungen, die Bevölkerung des Südens für sich zu gewinnen. Der 1974 lancierte Fünf jahresplan, der die höher entwickelte Wirtschaft des Südens für den verarmten Norden mobilisieren sollte, scheiterte am historisch tief verwurzelten Ressentiment des Südens mit seiner grundverschiedenen Kultur.

Die Kommunisten enthüllen sich immer deutlicher als Erben des von ihnen bekämpften Kolonialismus der Franzosen, wenn sie den Süden zusammen mit Kambodscha und Laos unter ihre Herrschaft zwingen, denn historisch gesehen waren diese Länder unabhängige Königreiche gewesen. Für sie sind die Soldaten aus Hanoi keine Befreier.

Der fünfjährige Krieg in Kambodscha kostet Hanoi die dringend nötige Wirtschaftshilfe von den meisten westlichen Ländern (Ausnahme: Frankreich, Schweden, Dänemark). Militärisch gesehen besitzt Hanoi nicht nur die drittstärkste Armee der Welt, sondern auch die beste kampferprobte Infanterie.

Das zeigte sich in der Trockenzeitoffensive seit dem letzten November, als die an der Grenze zu Thailand angelegten befestigten Stützpunkte der drei Widerstandsorganisationen der Reihe nach niedergekämpft wurden. Auch bei den Scharmützeln an der chinesischen Grenze, an der Hanoi 600.000 Mann seiner besten Truppen stationiert hat, um eine neue „Strafexpedition” Pekings zu verhindern, bewähren sich seine Truppen nicht schlecht.

In Kambodscha aber stehen Hanois Statthalter auf schwachen Füßen. Nur die Furcht der Bevölkerung vor einer Rückkehr des mörderischen Pol Pot, der in seiner Herrschaft des integralen Kommunismus wahrscheinlich ein Viertel der Bevölkerung massakrierte, läßt sie die Fremdherrschaft der verhaßten Vietnamesen murrend ertragen.

Die Kambodschaner vergessen nicht, daß ihr Volk einst bis an die Mekong-Mündung siedelte, aber von den Vietnamesen ständig zurückgedrängt wurde. Auch gegenwärtig übernehmen eine halbe Million Vietnamesen Land im Grenzgebiet.

Solange die Besetzung andauert, kann Hanoi nicht auf Hilfe des Westens rechnen. Auch seine Bemühungen um Normalisierung der Beziehungen zu den USA machen kaum Fortschritte. Auch kann es nicht auf Anerkennung seiner Statthalter als legitime Regierung durch die UNO rechnen, wo noch letzten Oktober 110 Länder Hanoi verurteilen.

Dafür geraten die stolzen Freiheitskämpfer in Hanoi immer stärker in Abhängigkeit der Sowjetunion, die in Danang und Camh Rhan die längstersehnten Stützpunkte für eine Pazifische Flotte gewann und ständig weiter ausbaut, dafür pro Tag etwa drei Millionen Dollar an Wirtschaftshilfe leistet.

Die Inflation in Vietnam kletterte auf 50 Prozent, eines von zehn Kindern stirbt an Unterernährung. Die Wirtschaft stagniert, der Glanz der Ideologie erlosch.

Die Dominos aber, die nicht stürzten, das heißt die Nachbarstaaten der ASEAN, die von der damals machtvoll strahlenden Ideologie des Kommunismus überrannt zu werden drohten, konnten sich dank der amerikanischen Intervention behaupten. Sie weisen heute etwa sechs Prozent Wirtschaftswachstum (Ausnahme: die Philippinen) auf und entwickeln sich auf eine progressive pazifische Wirtschaftsgemeinschaft hin. Ihr Erfolg zeigt, daß der amerikanische Einsatz wenigstens zum Teil sein Ziel erreichte.

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