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Die EG-Umweltpolitik ist besser als ihr Ruf. Durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) und vor allem durch die Einführung der neuen Umweltkompetenzen der EG durch die Einheitliche Europäische Akte ist eine Neubewertung des Verhältnisses zwischen den wirtschaftlichen Grundfreiheiten der EG und dem Umweltschutz erfolgt; Umweltschutz steht heute gleichberechtigt neben den - im engeren Sinne - wirtschaftlichen Zielen der Gemeinschaft.

Ohne die Umweltschutzmaßnahmen der EG in der Vergangenheit wären die Umweltschutzstandards in weiten Teilen Europas heute bedeutend niedriger. Wirksamer Umweltschutz muß grenzüberschreitend sein. Dabei hat Osterreich die Wahl, im Rahmen einer EG-Mitgliedschaft zu versuchen, seine Umweltschutzinteressen in die Politik und den Rechtsetzungsprozeß der EG einzubringen, oder aber wie bisher seine Prioritäten und Umweltschutzstrategien auf bilateraler und multilateraler Ebene zu vertreten. Angesichts des nunmehr überwiegend vorgesehenen Mehrstimmigkeitsprinzips bei Rechtsanglei-chungsmaßnahmen der Gemeinschaft und seinen eigenen geringen Stimmgewichten sollte Österreich aber nicht allzugroße Hoffnungen hegen, die Umweltpolitik der EG wesentlich beeinflussen zu können. Es ist allerdings nicht ausgeschlossen, daß sich „Sperrminoritäten“ derStaatenmit hohen Umweltschutzinteressen zusammenfinden, im Rahmen derer Österreich doch wirksam „Druck nach oben“ ausüben könnte. Darüber hinaus sind in jüngster

Zeit die Möglichkeiten für EG-Mitgliedstaaten, trotz grundsätzlicher Rechtsvereinheitlichung höhere nationale Umweltschutzstandards beizubehalten, bedeutend größer geworden. Dabei muß aber im Falle einer EG-Mitgliedschaft ein Souveränitätsverzicht in Kauf genommen werden. Nicht mehr Österreich, sondern letztlich der EuGH hätte zu entscheiden, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang Österreich bei der Verfolgung seiner Umweltschutzinteressen vom Gemeinschaftsstandard abweichen darf.

Sollte es zu einem Beitritt Österreichs zur EG und später allenfalls zu Verfahren vor dem EuGH kommen, im Rahmen derer Österreich die Zulässigkeit strengerer nationaler Umweltschutzstandards durchsetzen möchte, wird es nicht zuletzt auf die Glaubwürdigkeit der österreichischen Umweltschutzpolitik ankommen. Die österreichischen Umweltschutzstandards liegen keineswegs in allen Bereichen über denen der EG. In weiten Bereichen der österreichischen Umweltpolitik gibt es Vollzugsdefizite oder gar „weiße Flecken“ auf der umweltschutzrechtlichen Landkarte. Um glaubwürdig gegenüber der EG höhereUmweltschutzmaßnah-men oder vom Gemeinschaftsrecht abweichende nationale Umweltschutzstandards fordern zu können, sollte gerade jetzt noch vor einem allfälligen Beitritt zur EG der innerstaatlichen Umweltpolitik vermehrtes Augenmerk geschenkt werden.

Beide Beiträge auf dieser Seite sind Auszüge aus der Studie „Umwelt-EG-Österreich“ der Österreichischen Gesellschaft für Ökologie von Reinhold Christian (Hrsg.)

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