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Weniger Kultur

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Österreich war schon immer ein Land, in dem die Kultur etwas Wichtiges war. Das gilt auch heute noch laut Infratest für 60.000 bis 120.000 Radiohörer. 1986 wurden täglich 5,4 Prozent der Bewohner des Landes von „Österreich 1“ erreicht: absolut gesehen eine Minderheit, verglichen mit dem Ausland mit einer durchschnittlichen Hörerquote von zwei Prozent für ähnliche Sender jedoch ein beachtlicher Erfolg.

Trotzdem scheint das der Hörfunkintendanz zu wenig zu sein. Im neuen Radioschema, das mit 30. November in Kraft tritt, finden sich die meisten und tiefgreifendsten Veränderungen bei „Österreich 1“.

„Grund für das neue Schema ist die Veränderung in den Hörergewohnheiten, das Programm muß hörergerecht angeboten werden“, erklärt Hubert Gaisbauer, Stellvertreter des Hörfunkintendanten und Leiter der Abteilung „Gesellschaft, Jugend und Familie“.

In den 18 Stunden tägliche Sendezeit soll vor allem mehr Rücksicht auf Musik und Kleinelemente genommen werden. „Die große Form wird es nach wie vor geben“, schränkt Alfred Treiber, Leiter der Hauptabteilung „Literatur und Feature“, ein, „aber die kleine fungiert als Zusatzform.“

Da sich die Hauptsendezeiten des Hörfunks durch die große Konkurrenz des Fernsehens immer mehr in die Zeit von 16.05 bis 19.30 Uhr verlagern, wird es in diesem Zeitraum eine durchmoderierte Sendeleiste mit Kultur-, Spannungs- und Unterhaltungsprogramm geben. „Wir wollen weniger amtlich sein, nicht nur Musik ansagen, sondern moderieren“, erklärt Hubert Gaisbauer. Ob es allerdings einen Beethoven-Fan begeistert, wenn sein Lieblingsmusikstück durch lästiges Dazwischenreden gestört wird, ist fraglich.

Ganz im Zeichen von Musik steht das Programm von 19.30 bis 21 Uhr. Ein Abendkonzert ersetzt die lange Literaturleiste, die sowohl von der Hörfunkintendanz als auch von der Literaturredaktion als ein Schwachpunkt empfunden wurde. Genaue Hörerzahlen liegen dazu nicht vor.

Der anspruchsvolle Hörer soll in Zukunft einen Großteil der Literatur nur mehr in Bruchstücken serviert bekommen, auf ein langes Hörerlebnis wird er sich kaum mehr freuen können. Die Sendezeit für die Uterarischen Beiträge wird wohl um 28 Prozent erweitert, auch die beiden großen Hörspieltermine „Premiere“ und „Repertoire“ werden beibehalten.

Daneben beschäftigt sich die Literaturredaktion rund zwanzigmal im Jahr mit „Neuer Literatur aus Österreich“ und vierzehntägig mit „Anthologie“, Musik und Literatur zu verschiedenen Themen.

Uberhaupt wird der Musik statt bisher 49 Prozent nun 51 Prozent an Sendezeit eingeräumt. Außer den Spezialsendungen nach 23 Uhr für Musik österreichischer Komponisten, für traditionelle außereuropäische Musik und für „Piano forte“, eine Klavier-Jazz-Sendung, findet auch die Operettenmusik mehr Platz als bisher auf der klassischen Welle.Warum eigentlich? Vielleicht handelt es sich um eine der Maßnahmen, „ein bis zwei Prozent mehr Hörer an uns zu binden“. Dieses Ziel nennt jedenfalls Roman Roöek,, Leiter der Abteilung „Wissenschaft und Bildung“.

Angeblich wenig bewährt haben sich die langen Nachrichten: die Information wird von zehn auf sieben Minuten gekürzt, dafür hört man sie nicht mehr siebenmal, sondern zehnmal täglich. Die kommentierten Meldungen der „Journale“ werden allerdings auch nicht eine längere Nachrichtendauer ersetzen können.

Weiters sollen die Themen „Umwelt“ und „Gesellschaftspolitik“ besonders forciert werden. Mit „Moment - Leben heute“ soll eine wichtige Orientierungshilfe für Lebensfragen geschaffen werden. Gefragt sind dabei nicht die Experten, „sondern wir wollen zeigen, was in den Leuten vorgeht“, so Hubert Gaisbauer über die Konzeption der Sendung, die hoffentlich nicht auf Illustrierten-Niveau abgleiten wird.

Gravierende Änderungen gibt es für die Hörer des katholischen Gottesdienstes am Sonntag: sie müssen in Zukunft aufs Regionalprogramm umsteigen. Das ist prinzipiell zu bedauern. Angeblich hofft man dadurch, mehr Hörer zu gewinnen. Aber die Regionalprogramme sind nicht überall in Österreich zu empfangen.

Die Kultur wird von bisher sieben Prozent der Sendezeit auf fünf eingeschränkt. Mit Schuld, daran hat das Nachmittagsprogramm, das, so Roman Rocek, „eine Art .Auslage' mit kleinen Ele~“-“ menten wird“. .Außerdem sind wir keine Fachzeitschrift“, differenziert Hubert Gaisbauer den ORF-Bildungsauftrag, „wir können nicht ein komplettes Buch vorlesen.“

Das neue Programmschema von öl zielt also auf eine Reduzierung der länger dauernden Sendungen zugunsten kürzerer Elemente ab. Ob das wohl dem Großteil dieses anspruchsvollen Publikums mehr von dem beim Rundfunk so gefragten „Hörvergnügen“ verschaffen wird?

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