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Weniger Staat

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Seit einiger Zeit ist in dar benachbar ten.Bundesrepublik eine Diskussion im Gange, die für den österreichischen Beobachter nicht uninteressant ist, da zu erwarten ist, daß ähnliche Probleme demnächst in unserem Land stark diskutiert werden dürften. Ansätze dazu haben nicht nur der Wahlkampf, sondern auch jüngste Äußerungen von Spitzenpolitikern erkennen lassen.

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Seit einiger Zeit ist in dar benachbar ten.Bundesrepublik eine Diskussion im Gange, die für den österreichischen Beobachter nicht uninteressant ist, da zu erwarten ist, daß ähnliche Probleme demnächst in unserem Land stark diskutiert werden dürften. Ansätze dazu haben nicht nur der Wahlkampf, sondern auch jüngste Äußerungen von Spitzenpolitikern erkennen lassen.

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Unter dem Motto: „Stoppt endlich den Staat“ geht es schlicht und einfach um das Problem des Ausweitens der öffentlichen Hand unter gleichzeitigem Absinken der Leistungen.

Einen ernstzunehmenden Ansatzpunkt lieferte hier der wirtschaftspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Otto Graf von Lambsdorff, der die Zeit gekommen sah, endlich einmal leidenschaftslos das Thema .^Entstaatlichung“ anzuschneiden. Daß er damit auf vehe-mehte Kritik stoßen werde, war vorauszusehen, daß aber auch ein beachtliches positives Echo zu vernehmen War, beweist, daß Lambsdorff offensichtlich ein Unbehagen artikuliert hat, das von einer Vielzahl der Bundesbürger verspürt Wird.

In das gleiche Horn stößt auch der Leiter des Instituts für Politische Wissenschaften der Universität Kiel, Werner Kaltefieiter, der spätestens seit seinem Vortrag anläßlich der Generalversammlung des österreichischen Cartellverbandes (ÖCV) in diesem Jahr auch in Österreich kein Unbekannter mehr ist. Kaltefieiter nahm das Schlagwort von der „Krise der westlichen Demokratie“ zum Anlaß, um diesen Ball zurückzuspielen. Er sieht das wachsende Unbehagen als eine Folge der negativen Nebenwirkungen wohlfahrtsstaatlicher Politik, als da sind: Inflation, wachsende Steuerlast, sinkende Privatinitiative, zunehmender staatlicher Dirigismus, sinkende Leistung öffentlicher Unternehmungen. Da das Management in der öffentlichen Hand nicht nach privätwirtschaitlichen Prinzipien erfolgt und das Beschäftigungsrisiko so gut wie nicht vorhanden ist, ist ein starkes Defizit an Le-stungsimpulsen zu beobachten: die Privatisierung dieser Bereiche sei also ein Gebot der Stunde.

Daß es sich bei derartigen Äußerungen nicht um die isolierte Meinung altliberaler Sonderlinge handelt, bestätigt indirekt die Sorge der Verantwortlichen um die Entwicklung der Budgets. Auch Österreichs Sonnenkönig Kreisky, zweifellos kein Entstaatlicher, muß sich etwas dabei gedacht haben, als er meinte, daß „wir uns in den nächsten Jahren nun keine kostspieligen Reformen leisten können. Wer derartiges will, muß auch sagen, woher das zusätzliche Geld genommen werden soll.“ Dem Kanzler kann vielleicht geholfen werden, denn die Entwicklung in der Bundesrepublik hat bereits punktuell Erfolge gezeitigt, deren Nachahmung in Österreich als durchaus realistisch erscheint. Voraussetzung dafür wäre jedoch ein Umdenken der zuständigen Herren, die sich oft verzweifelt an die überkommenen „Errungenschaften“ klammem.

Die „Wirtschaftswoche“ '-eröffent-lichte nämlich vor kurzem einen Überblick über erfolgreiche Repri-vätisierungen, die im wesentlichen in Entkommunalisierungen bestanden.

Wie es etwa im Sozialstaat Dänemark eine Selbstverständlichkeit ist, daß die private Feuerwehrfirma Falck und Zonen ausrückt, wenn es brennt, so haben inzwischen auch mehrere deutsche Gemeinden die Vorteile privater Initiative zu spüren bekommen.

In Stuttgart hat man zwei unrentable Bus- und Bahnstrecken eingestellt und mit der Stuttgarter Taxivereinigung einen fixen Taxidienst vereinbart, wobei die Taxifahrer städtische Fahrscheine verkaufen und dazu. noch von der Stadt Stuttgart fix entlohnt werden; Ersparnis: rund 50.000 DM jährlich. Analage Taxidienste wurden auch bereits in Berlin, München, Karlsruhe, Kiel und Hamburg eingerichtet. Die Stadt Neuss, die sich bei ihrer städtischen Müllabfuhr vor fast unlösbare Probleme gestellt sah, beauftragte ein privates Unternehmen mit der fachgerechten Müllablagerung. Die jährliche Einsparimg geht in die hunderttausende DM. Ein weiteres Beispiel ist der Kölner Schlachthof, der chronisch defizitär war. Als das Jahresdefizit auf über 800.000 DM angestiegen war, wurde der Betrieb privatisiert. Die interessierten Firmen schlössen sich zu einer GesmbH. zusammen und konnten durch rigorose Rationalisierungen bald einen Millionen-Gewinn erwirtschaften. Interessantes Detail am Rande: die Stadt Köln hat das Recht, zwei Vertreter in den Aufsichtsrat der Gesellschaft zu entsenden, an der die Gemeinde kapitalmäßig gar nicht beteiligt ist. Dadurch bleiben die Interessen der Stadt gewahrt, während anderseits die privatwirtschaftliche Führung bürokratischen Schlendrian verhindert. Eine durchaus diskussionswür-dige Konstruktion. Daß dieses Kölner Vorbild so schlecht nicht ist, haben in der Zwischenzeit unter anderem Minden, Lübeck und Kaiserslautern erkannt, die ihre Schlachthöfe ebenfalls in private Hände gaben.

Beim Krankenhausbau — auch in Österreich ein ständiges Ärgernis — wurde in Osnabrück ein interessanter Akzent gesetzt. Die Stadt förderte zwar aus öffentlichen Mitteln die Errichtung einer neuen Klinik, die jedoch nunmehr nach rein privatwirtschaftlichen Gesichtspunkten betrieben wird. Daß Rationalisierung in der Verwaltung nicht unbedingt ein Absinken der Betreuungsleistung mit sich ziehen muß, zeigt dieses Beispiel. Der kostendeckende Pflegesatz, der in der Bundesrepublik im Durchschnitt 200 DM beträgt, konnte in Osnabrück auf 108,40 DM gesenkt werden. Dadurch ist dieses Spital in der zweiten Klasse billiger als andere Krankenhäuser in der dritten.

Wie realistisch die Diskussion in der Bundesrepublik betrieben wird, beweist die Meinung des SPD-Mannes Hauff (Staatssekretär im Forschungsministerium), spezialisierte und in gegenseitigem Preis- und Qualitätswettbewerb stehende Privatunternehmungen seien möglicherweise viel leistungsfähiger als die meisten Klein- und Mittelstädte.

Für die Bundespost und die Bahn hat ein Unternehmensberater Ersparnisse in einer Größenordnung von etwa 120 Millionen DM errechnet, sollten sich Bahn und Post entschließen, ihre zwei Busgesellschaften in Form einer Bundesomnibus-gesellschaft mbH zu führen.

Lambsdorff, der die bessere und unbürokratischere Versorgung der Bevölkerung im Auge hat, sieht in der teilweisen Privatisierung von Betrieben auch eine demokratische Dimension: „Die Aufgabe in einer parlamentarischen Demokratie, den Staat zu kontrollieren, wird sehr viel schwieriger, wenn Wirtschaft und Verwaltung sich so untereinander verbrüdern, wie das bei der Wahrnehmung wirtschaftlicher Interessen durch die öffentliche Hand der Fall ist. Je mehr Trennung möglich ist, umso besser ist die Möglichkeit der Kontrolle. Auch in Österreich kein neuer Gedanke, aber einer, der vielleicht allzu lange verschämt verschwiegen wurde.

Nicht der Entstaatlichung soll hier das Wort geredet werden; das wäre nicht nur unrealistisch, sondern — etwa im großen Bereich der verstaatlichten Industrie —i auch politisch verantwortungslos, insbesondere in der derzeitigen wirtschaftlichen Situation. Was jedoch dringend nottut, ist ein Prozeß des Umdenkens, der vor allem im kommunalen Bereich beginnen müßte. Ein Umdenken, das von einem neuen Geist einer serviceorientierten Stadt getragen sein muß.

Der Präsident des Bundes der deutschen Steuerzahler ist jedoch skeptisch: „Politische und persönliche Motive sind vielfach dafür maßgebend, daß Kommunalpolitiker sich trotz Kosteneinsparungen gegen die Übertragung öffentlicher Aufgaben auf Privatunternehmungen sträuben. Mit der Entstaatlichung schwinden die eigenen Beförderungs-chanoen, das politische Ansehen und der ideologische Wunschtraum nach mehr Staat.“

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