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Weniger Staat, aber mehr Wagemut

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Kulturbetrieb ohne Subventionen? Erfolgreich verliefen Versuche, private Geldgeber für die Förderung von Kleinbühnen zu gewinnen, private Museenfinanzierung wie in den USA steht noch aus.

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Kulturbetrieb ohne Subventionen? Erfolgreich verliefen Versuche, private Geldgeber für die Förderung von Kleinbühnen zu gewinnen, private Museenfinanzierung wie in den USA steht noch aus.

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Weißer Marmor, schwarze Wände, Spiegelplafond — kühle Eleganz umgibt den Besucher des einzigen Wiener Theaters, dessen Direktor nicht vom ehemaligen Unterrichtsminister Helmut Zilk ernannt wurde.

Der Kabarettist Hans-Peter Heinzl hat sich den Traum vom eigenen Theater erfüllt. Nach eigenen Angaben allerdings nicht deshalb, weil er sich künstlerisch verwirklichen, sondern einfach, weil er Geld verdienen will. Heinzl wurde Pächter des im Frühjahr geschlossenen Wienzeile-Kinos, das zu den gemeindeeigenen KIBA-Betrieben gehört.

Vorerst soll das Theater ohne Subventionen geführt werden. Heinzls Berechnung nach muß das Theater, ausgenommen in den Wochen, in denen Heinzl selbst spielt, nur zur Hälfte ausgelastet sein, um die Kosten zu decken. Bereits 10 Prozent mehr Besucher bedeuten einen Gewinn.

Zu den Eigenmitteln, die Heinzl in die Renovierung des Theaters steckte, kamen noch private Geldgeber. Getränkefirmen, Banken und die Austria Tabakwerke werben im Foyer des Theaters mit großen, kunstvoll gestalteten Bildern. Zusätzlich hat Heinzl noch 156 Premierensitze zu 10.000 Schilling verkauft, die den Käufern Premierenkarten für die nächsten fünf Jahre sichern.

Erfolg verspricht sich Heinzl auch durch das häufig wechselnde Programm. Nach einem Kabarettprogramm wird Helmut Qualtinger einen Monat lang Nestroy lesen, anschließend kommt eine Komödie mit klingenden Namen wie David Cameron und Robert Hof fmann, im Frühjahr gibt es ein Dreipersonenstück, vor dem Sommer kommt eine Satire mit Georg Kreisler.

Neben Heinzl versuchen nun auch viele andere Klein- und Mittelbühnen nicht nur von Subventionen zu leben, sondern auch Eigeninitiative zu entwickeln.

Das Wiener Ensemble-Theater am Petersplatz hat an den Modeschöpfer Daniel Hechter ein gewisses Kartenkontingent verkauft, das dieser teilweise als Kundengeschenk weitergegeben hat. Das Schauspielhaus hat auf Vermittlung von Helmut Zilk Sponsorengeld von der Firma Pronto-Promotion bekommen, als Gegenleistung wurde das Programm in eine Werbemappe mit Foto von Michael Erb, dem Firmenchef, gesteckt.

Eines der sicherlich bemerkenswerten Unternehmungen hat das Serapionstheater gestartet. Es verkauft Beteiligungen an Produktionen. Kunstinteressierte können sich als stille Gesellschafter an Produktionen des Theaters beteiligen. Der Vorteil bei dieser Beteiligung ist, daß der eingesetzte Betrag steuerlich geltend gemacht werden kann.

Diese Beispiele zeigen, daß auch subventionierte Klein- und Mittelbühnen versuchen, durch eigene Ideen aus dem starren ka-meralistischen Subventionssystem auszubrechen. Ohne Subventionen werden diese Bühnen allerdings nie auskommen. Fragt man Verantwortliche, warum die Bühnen nie kostendeckend arbeiten können, so ist die stereotype Antwort: „Es liegt am System."

Sollte ein Theater kostendek-kend geführt werden, müßten die Eintrittspreise viermal so hoch sein und die soziale Absicherung für die Schauspieler müßte zugleich wegfallen.

In England werden Schauspieler nur für einzelne Produktionen engagiert; meistens werden sie nicht einmal für die Proben bezahlt. Fällt das Stück durch, so wird es nach drei Tagen abgesetzt und der Schauspieler steht arbeitslos auf der Straße. Die Fixkosten sind dadurch um einiges niedriger als in Österreich.

Das zweite Problem der Klein-und Mittelbühnen liegt in der geringen Zahl an Besuchern. Ein Großteil dieser Bühnen bietet experimentelles Theater, das höchstens 10 Prozent des Theaterpublikums anspricht. Der Rest bevorzugt „Kulinarisches".

„Die Leute gehen halt lieber in ein Theater, in dem sie zweieinhalb Stunden von ihren Problemen abgelenkt werden und sich unterhalten können", sagt Renate Heinzl. Vizebürgermeister Erhard Busek wiederum meint: „Wir haben in Österreich die falsche Theatereinstellung. Nur pro-blembeladene Stücke, die defizitär sind, gelten als gutes Theater. Wir sollten mehr Mut zu den reinen Konfektionsstücken haben. In England laufen die Stücke oft einige Spielzeiten hindurch mit größtem Erfolg. Wir sollten mehr Theater für das Publikum machen, auch aus reinen kommerziellen Erwägungen."

Das Problem der Finanzierung stellt sich in ähnlicher Weise auch bei den österreichischen Museen, sie müssen — so scheint es — ruhige, weihevolle Atmosphäre ausstrahlen und sollen möglichst wenig kosten. Ganz anders stellt sich da die Museenlandschaft in Amerika dar.

Das Geld für Museen kommt in den USA ausschließlich aus privaten Händen, der Staat zahlt überhaupt nichts. Geldgeber sind nicht nur Millionäre, die ihren Namen im Museum verewigt sehen wollen, sondern auch unzählige Bürger, die dem Museum — im Rahmen ihrer Möglichkeiten — immer wieder Spenden zukommen lassen.

Das amerikanische System zwingt die Museumsleute zu kommerziellem Denken. Je mehr sie einnehmen, desto mehr können sie für die Sammlungen ihres Museums kaufen. So kommen sie auch auf unkonventionelle Ideen, Geld zu beschaffen. Es gibt in manchen Museen zum Beispiel ganze Buch- und Kunstdruckhandlungen, die jährlich bis zu 60 Millionen Dollar (1,2 Milliarden Schilling) einbringen. Das Metropolitan Museum in New York veranstaltete unlängst eine Ausstellung zum 25. Jahrestag der Gründung der Modefirma Yves Saint Laurent. Der finanzielle Erfolg war beachtlich.

Ähnliche Aktivitäten müßten in Österreich erst einen mühsamen bürokratischen Bewilligungsweg gehen, außerdem widerstrebt solche Hinwendung zum Kommerz unserem traditionellen Kunstverständnis. Kunst ist für die Österreicher etwas „Höheres", das mit finanziellen Überlegungen nicht in Zusammenhang gebracht werden darf.

Die gegenwärtige Verschuldung des Staates fordert allerdings neue Methoden der Finanzierung kultureller Bestrebungen. Darin liegt eine Chance. Durch Entlastung der öffentlichen Hand wächst der Freiraum für den einzelnen und für die kleine Gemeinschaft. Voraussetzung einer radikalen Wende wäre allerdings die steuerliche Entlastung der Kunstförderung.

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