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Weniger verleihen

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Die Aufrechterhaltung eines funktionierenden Museumsbetriebes wurde in den letzten Jahren zusehends schwieriger - nicht nur in Wien, nicht bloß im Kxmsthi-storischen Museum mit einem Jahresbudget von sechs Millionen Schilling. Alle großen europäischen staatUchen Sammlungen, sogar der Pariser Louvre mit seinem Jahresbud-get von 190 MilUonen Schilling haben Probleme. Um diese zu dis-

kutieren, allenfalls auch gemeinsame Marschrouten abzustecken, arrangierte Hermann FiUitz, wortreicher erster Direktor des Kunsthi-storischenMusexuns, ein erstes Treffen europäischer Museimisdirekto-ren in Wien. Die Leiter so prominenter Institutionen wie des British Muse\mi, London, desRijksmusevun, Amsterdam, des Pariser Louvre, der Staatlichen Museen West- und Ostberlin, der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen, München, des neapohtanischen Museo Capodi-monte und des Puschkinmiiseum, Moekau, kamen zu dem Treffen.

Sie alle beklagten - mit Ausnahme von Michael Laclotte vom Louvre - die finanzielle Unterdotierung ihrer Häuser oder widersprachen zumindest nicht, wenn die Rede auf dieses Thema kam. Einig waren sich die Museumsleiter vor allem darin, den vielfach von Pohtikem geäußerten Wünschen nach Verkauf von Depotbeständen nicht nachzukommen. „WeU“, so Sir David WUson vom British Museum, „das bei irgendeinem künstlerisch nicht hochkarätigen Werk beginnt und bei den Marble Arches enden könnte“. Oder es führe dazu, daß, wie schon geschehen, ein echter Klimt verkauft und ein gefälschter Manet erworben würde. Verkaufsverhandl\mgen bestätigten überdies, daß sich die Veräußerung von Depotbeständen kaum lohne.

Vergrämt zeigten sich die in Wien tagenden Direktoren auch übersieh häufende B itten amerikanischer und japanischer Veranstalter nach Leihgaben, die dann in „Toiuisten-Avis-stellimgen“ ohne künstlerischen oder wissenschaftUchen Aussagewert von Stadt zu Stadt, von Groß-katifhaus zu Großkaufhaus ziehen. Sie einigten sich deshalb darauf, derartigen Ansuchen nicht mehr nachzukommen und sich auch angesichts der Inflation von Ausstellungen mehr Zurückhaltung axif-zuerlegen und einen gemeinsamen

Modus für die Einschränkung der Leihgaben auszuarbeiten. Denn der Transport der Leihstücke berge viele Risken xmd bedeute, wie einstimmig festgestellt wurde, überdies eine zusätzliche Belastung für die Fachkräfte, an denen es sowohl im Westen als auch im Osten mangle.

Richtunggebend könnte das British Museum sein, das sich entschlossen hat, ledighch der National Gallery of Art in Washington ein-, höchstens zweimal pro Jahr Kunstwerke leihweise zu überlassen, Holzbilder und Kunstwerke ab einer bestimmten Größe jedoch keinesfallsmehr nachÜbersee zu schik-ken.

Wieder mit Ausnahme des Louvre sehen die europäischen Museumsdirektoren auch auf einem wichtigen Gebiet sorgenvoll in die Zukunft: Die Bilderrestaurierung hegt da wie dort im argen, weil es nicht nur an der Quahtät der Restauratoren mangelt, sondern überhaupt an Planstellen für sie.

Und auch die Ursache ist überall gleich: Der Staat honoriert die Bewahrer der Zeugnisse der Vergangenheit schlecht, die Folgen wirken sich vor allem im HinbUck auf die bisherige Verleihpohtik katastrophal aus. Wenn nämhch Restauratoren vor und nach der Rückkehr eines Exponates Schäden beseitigen müssen, bleibt ihnen für die Instandhaltung der ständigen Schaxisammlung im eigenen Haus keine Zeit.

Die Wiener Beratungen ergaben hier einen raschen Ausweg: Die Museen, allen voran die französischen, wollen einander mit Restauratoren aushelfen xmd Experten vorübergehend auch axistaxischen.

Bemerkenswerte Anregungen, van ein Maximxmi an Effizienz trotz Mangels an Aufsichtspersonen zu erzielen,heferteSimonH.Levievom Amsterdamer Rijksmxisexmi. Er befürwortete das in seinem Haxis eingeführte Vier-Stimden-System, nach dem die Axifseher zu xmter-schiedlichen Axifgaben herangezogen werden. Axif diese Weise werde verhindert, daß das Personal bei achtstündiger Dienstzeit vorzeitig ermüde, die Axifmerksamkeit nachlasse. Diebstähle können so vermindert werden, Terroranschläge, wie etwa die Attentate axif ein Dürer-Gemälde in München xmd auf einen Rembrandt in Leningrad natürhch nicht. Abhilfe schaffen könnten Staaten„ die das staatUche Aufsichtspersonal dxirch private Über-wachxmgsfirmen ersetzen. Verbes-serxmgswürdig sei axißerdem in manchen Ländern die Zusammenarbeit zwischen Museen xmd Polizei sowie Feuerwehr.

Reformiert werden müßte auch -zxmial in Österreich - die administrative xmd konservatorische Kontrolle von an Minister- xmd Botschafter-Büros verliehenenBildem. In der derzeitigen Praxis könne nämlich, wie Hermann FiUitz mitteilte, der Fall passieren, daß ein an die österreichische diplomatische Vertretung in Bern verliehenes Gemälde durch einen Granattreffer in Beirut zerstört wiude. Wieso das Werk in den Libanon gelangt sei, axif welchen Umwegen xmd durch welche Umstände bleibe ein RätseL

Kopfzerbrechen bereitet den Gip-felteilnehmem mögliche Axis-wirkxmgen des Exiropäischen Binnenmarktes axif die Situation der Museen. Nach dem Fallen der Zollschranken im Jahr 1992 könnte es nämlich zu einer Abwanderxing zahlreicher Kxmstwerke kommen. Als Gegenmaßnahmen werden von Regierxmgen stärkere Kontrollen zur Axisfxihrbeschränkxmg wichtiger Kxmstwerke gefordert.

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