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Jährlich werden über 200 Millionen Schilling von Österreichs privaten Krankenversicherern in Form der Beitragsrückvergütung (Prämienrückerstattung) an Kunden zurückgezahlt. Für den einzelnen Versicherten vermag sich dieser Umstand - wenn keine Leistung aus der Versicherung beansprucht wurde - in Form einer Vergütung (je nach Tarif) von bis zu vier Monatsbeiträgen auszuwirken. Skeptiker könnten nun das Argument einwerfen: Es würde (zwar nicht werbemäßig aber wirt-

schaftlich gesehen) doch der gleiche Effekt erzielt werden, wenn man die Prämie für eine -private Krankenversicherung gleich von Haus aus niedriger ansetzt und dafür auf die Beitragsrückvergütung verzichtet? Das Argument scheint im ersten Augenblick richtig zu sein, erweist sich bei näherer Betrachtung aber als Trugschluß. Die Beitragsrückvergütung übt nämlich auf das wirtschaftliche Verhalten des einzelnen positive Anreize aus, die mithelfen können, gefährliche Kostenexpansionen zu entschärfen. Um dafür eine Erklärung zu geben, bedarf es aber einer kurzen Darstellung der Kostenentwicklung im Gesundheitswesen.

Der oft zitierte Fortschritt der Medizin und das gestiegene durchschnittliche Lebensalter der Menschen sind nur ein Grund dafür, daß es zu gravierenden Kostensteigerungen im Gesundheitswesen kam und kommt. Große Schuld trug auch das ausgeuferte Anspruchsdenken in weiten Bevölkerungskreisen, das bis zu' Beginn unseres Jahrzehntes genährt wurde durch den Glauben an die Allmacht des sozialen Wohlfahrtsstaates. Jedem schien sein Anteil „am Kuchen" des „kostenlosen"

Überflusses zu gering zu sein. Die Anzahl der Kurzkrankenstände ging ebenso sprungartig in die Höhe wie die Einweisung leichter und mittelschwerer Fälle in die Krankenhäuser.

Vielfach diente die sündteure Spitalsbehandlung den Patienten dazu, die Diagnose niedergelassener Ärzte zu kontrollieren. Als unter dem Druck der auf diese Weise entstandenen Kostenlawine die staatlichen und privaten Versicherungsbeiträge stiegen, war die Enttäuschung vor allem jener, die den „Wohlfahrtsstaat zum Nulltarif" propagiert hatten, sehr groß.

Weite Bevölkerungskreise reagierten nun aber nicht mit Einschränkungen ihres „medizinischen Konsums", sondern emotionell: „Bei diesen hohen Beiträgen muß man erst recht seine Versicherung ausnützen" wurde der diesbezügliche Leitspruch. Es kann angesichts der angespannten Finanzlage, vor allem im Spitalswesen, nicht oft genug betont werden, daß die Krankenhausrechnungen von heute die Versicherungsprämien von morgen sind. Das heißt mit anderen Worten, wenn einzelne hohe Kosten im Spital verursachen - womöglich noch häufig und nicht immer notwendig - dann schädigen sie damit nicht die Versicherungsgesellschaft, sondern die Gemeinschaft aller Versicherten und damit auch sich selbst. Nimmt hingegen der Versicherte die Mittel nur dann in Anspruch, wenn er in einer bedrohlichen Situation ist (dafür werden Versicherungen eigentlich abgeschlossen), dann hält sich der Beitrag für alle in geringen Grenzen. Die Beitragsrückvergütung

ist nun ein Mittel, ein solches wirtschaftliches Verhalten des Versicherten zu forcieren. Zu der beliebtesten Art der privaten Krankenversicherung in Österreich zählt die Spitalszusatzversicherung. Rund 1,2 Millionen Österreicher besitzen diese Zusatzversicherung, obwohl 99,5 Prozent der Bevölkerung unter dem Schutz der Sozialversicherung stehen. Bei einem erforderlichen Krankenhausaufenthalt des Versicherten übernimmt die

Spitalszusatzversicherung die Kosten für den Komfort in der Sonderklasse.

Auch diese Variante der privaten Krankenversicherung wird mit Beitragsrückvergütung angeboten. Bisher wurden in Fällen, in welchen es zu keinem Spitalsaufenthalt des Versicherten kam, bis zu zwei Monatsbeiträge (das sind je nach Lebensalter und Geschlecht bis zu 3.000 Schilling) retourniert.

Welches Verhalten des Versicherten läßt sich diesbezüglich beobachten bzw. ableiten? Bei schweren Krankheiten wird der Versicherte selbstverständlich seine Versicherung zur Dek-kung der Spitalskosten verwenden. Anders ist dies jedoch bei jenen leichten Krankheiten, die -bei gleicher medizinischer Qualität - ambulant oder stationär behandelt werden können. So läßt sich etwa eine Nebenhöhlenentzündung durch zwei- oder dreimalige Pinselung bei einem niedergelassenen Arzt auskurieren. Im Spital würde dazu ein einwöchiger Aufenthalt erforderlich sein. Der Patient wird - vor allem wenn er noch jünger und rüstig ist - zur Rettung seiner Beitragsrückvergütung die ambulante Behandlung auf Krankenkassenscheck vorziehen. Mit dieser Entscheidung hat er aber gleichzeitig entscheidend zur Senkung der gesamten Gesundheitskosten beigetragen. Beim Auspinseln auf ambulanter Basis laufen nämlich Kosten von nur etwa 800 Schilling auf, während die gleiche Prozedur im Spital wegen der hohen Pflegegebühren ca. 16.000 Schilling kostet.

Dieses Beispiel ist kein Einzelfall.

Es gibt eine ganze Reihe von Krankheiten, die eine gleichwertige ambulante Behandlung gegenüber dem Krankenhausaufenthalt zweckmäßig erscheinen lassen. Wenn diese vielen tau-senden Fälle, die alljährlich Unsummen verschlingen und bisher auch ständig zunahmen, ambulant behandelt würden, könnten künftige Prämiensteigerungen der privaten Krankenversicherung zumindest geringer ausfallen.

Da ein Versicherter, der einen Tarif mit Beitragsrückvergütung gewählt hat, interessiert ist, solange wie möglich in den Genuß derselben (Beitragsrückvergütung) zu kommen, wird er sich auch mehr um seine Gesundheit kümmern; er wird also mehr Gesundheitsvorsorge als Krankenbehandlung betreiben.

Zur Bewältigung der großen Finanzierungsprobleme im Gesundheitswesen wird es in Zukunft besonders wichtig sein, die Ursachen gesundheitlicher Störungen zu beseitigen anstatt die Folgen zu behandeln.

Jeder einzelne Staatsbürger muß endlich wieder begreifen lernen, daß Gesundheit etwas ist, was ihn in erster Linie selbst angeht. Ärzte, Pflegepersonal und Medikamente können nur unterstützend wirken. So können z. B. die besten Hustentropfen nur wenig helfen, wenn der Kranke das Rauchen nicht reduziert oder einstellt.

Die private Krankenversicherung kann auf dem Gebiet der Gesundheitsvorsorge durch Kampagnen mithelfen, die Kosten zu senken.

Die Drehscheibe des gesamten Gesundheitswesens - der Patient - muß aber einen augenscheinlichen Vorteil für sich sehen, damit er bei kostendämpfenden Maßnahmen mitspielt. Die Beitragsrückvergütung ist ein solcher Vorteil für ihn.

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