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Digital In Arbeit

Wenn die Arbeit krank macht

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„Du liebe Zeit, Büromöbel! Schränke, Tische, Stühle... Wir haben ganz andere Sorgen.“ Das denken viele Unternehmer und Firmenchefs. Verständlich - und doch nicht. Denn die Büroausstattung beeinflußt entscheidend die Mitarbeiter.

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„Du liebe Zeit, Büromöbel! Schränke, Tische, Stühle... Wir haben ganz andere Sorgen.“ Das denken viele Unternehmer und Firmenchefs. Verständlich - und doch nicht. Denn die Büroausstattung beeinflußt entscheidend die Mitarbeiter.

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Oft wird die Frage gestellt, welchen Stellenwert man der menschengerechten Gestaltung von Büroarbeit zuerkennen soll, wo doch im Produktionsbereich — denkt man nur an Hitzearbeit, Schwer- und Nachtarbeit — wesentlich vordringlichere Anliegen diskutiert werden könnten, bei Büroarbeit jedoch keine wirklich brisanten Probleme vorhan-

den seien. Es gibt recht deutliche Hinweise darauf, daß dieses vordergründige Urteil nicht stichhaltig ist.

Einschlägige Untersuchungen der letzten Jahre machen deutlich, daß gerade bei Büroangestellten die Zahl der Heilbehandlungen kontinuierlich zunimmt, im Bereich Industriearbeit hingegen eine rückläufige Tendenz vorherrscht. Zunehmend gibt es Klagen über Kopfschmerzen, Nacken-Schulter-Muskelsyndro-me, Kreuz- und Rückenschmerzen sowie asthenopische (von der Beanspruchung des Gesichtssinnes herrührend) Beschwerden. Die akuten Beschwerden liegen im Durchschnitt zwischen 20 und 40 Prozent. Besonders beunruhigend ist die Tatsache, daß unter ungünstigen Umständen, etwa in vollklimatisierten Großraumbüros mit unzureichend funktionierender Klimaanlage, bis zu 90 Prozent der Belegschaft befürchten, Schaden zu erleiden.

Geht man den Ursachen nach, so können drei Problembereiche

angesprochen werden:

• Der Sitzarbeitsplatz

• Umgebungseinflüsse (Raumklima, Beleuchtung, Lärm)

• Betriebsmittel (Gerätegestaltung und -anordnung, Bildschirmterminal ).

Es ist kein Zufall, daß der Problemkreis Sitzarbeitsplatz an erster Stelle angeführt wird. Die Annahme, daß die Sitzhaltung die beste aller Arbeitshaltungen ist, stimmt nicht. So stellt ein prominenter deutscher Ergonom etwa fest: „Das Sitzen ist die ungesündeste Ruhehaltung. Der menschliche Körper ist entwicklungsgeschichtlich für das Gehen prädestiniert, für dynamische kraftvolle Bewegung und gelegentliches Ausruhen in unterschiedlichen Körperhaltungen.“ Weiters führt

er jedoch aus: „Das Sitzen ist leider die einzige Methode, den Körper für ortsfeste Arbeiten geeignet zu unterstützen.“ Diese konträren Aussagen sind sicherlich dazu geeignet, anzudeuten, daß sich für die Gestaltung des Sitzarbeitsplatzes keineswegs eine eindeutige „Richtige Lösung“ anbieten kann. Dies hat auch in jahrelang geführten Diskussionen von Arbeitsmedizinern und Ergono-men Ausdruck gefunden.

Aus physiologischer Sicht ist dabei die zentrale Problematik, daß es sich beim Sitzarbeitsplatz, je nach Arbeitsanforderung, immer um eine mehr oder weniger weitgehende Einschränkung der Bewegungsmöglichkeiten handelt, was umso gravierendere negative Auswirkungen beim Men-

sehen hat, je mehr dies in Richtung statische Fixierung einer bestimmten Körperhaltung geht. Kommt dazu eine den Körpermaßen nicht gerecht werdende maßliche Auslegung des Arbeitsplatzes und der Betriebsmittel (Arbeitshöhe, Sesselabmessungen, Anordnung von Sehobjekten), das Fehlen der nötigen Einstellmöglichkeiten, aber auch zu gering dimensionierte Bewegungsund Freiräume (zum Beispiel Beinraum), so hat dies unmittelbar Zwangshaltungen zur Folge. Diese Einschränkungen der Bewegungsfreiräume zu vermeiden und die Gestaltung nach den menschlichen Körpermaßen und den biomechanischen Gesetzmäßigkeiten, ist eines der Grundanliegen ergonomischer Arbeitsplatz- und Betriebsmittelgestaltung (siehe Kasten).

Bei den Umgebungseinflüssen kommt im Büro den Raumklimaverhältnissen und der Beleuchtung besondere Bedeutung zu.

Besonders in vollklimatisierten Räumen, in denen meist eine größere Anzahl von Personen arbeitet, führt die Unterschiedlichkeit im Klimaempfinden immer wieder zu Problemen. Durch Reihenuntersuchungen ist nachgewiesen, daß sich von gleichartig bekleideten Menschen, die ähnliche Tätigkeiten ausführen, bei gleicher Raumtemperatur nur etwa 60 Prozent derselben wirklich wohl fühlen. Der Temperaturbereich, innerhalb dessen dies der Fall ist, erstreckt sich über beinahe zehn Grad Celsius. Bezieht man jene Personen, denen es etwas zu kühl oder etwas zu warm ist, mit ein, so kommt man maximal auf 90 bis 95 Prozent mehr oder weniger Zufriedene. Fünf Prozent der Perso-

nen eines größeren Kollektivs werden sich unter vergleichbaren Verhältnissen immer unwohl fühlen. Die einzige Möglichkeit, diese Unterschiedlichkeit im Klimaempfinden einigermaßen auszugleichen, ist das eigenverantwortliche Auswählen der entsprechenden Bekleidung.

Die Bedeutung des Gesichtssinnes und somit der Beleuchtung wird deutlich, wenn man bedenkt, daß etwa 80 bis 90 Prozent der Information aus der Umwelt und der Kontrollvorgänge über das Auge wahrgenommen werden. Außerdem wird, je nach Anforderung am Arbeitsplatz, mehr als ein Drittel der während eines Arbeitstages aufgewendeten Energie vom Sehorgan verbraucht. Uber diesen Aspekt und die Beanspruchungswirkung hinausgehend, hat das Auge eine ganze Reihe anderer Funktionen und Licht noch viele andere Auswirkungen. Hier ist in erster Linie der Einfluß auf Stoffwechsel und Kreislauf anzuführen.

Bei der Gestaltung von Betriebsmitteln steht auch im Bürobereich, im Zuge zunehmender Ausstattung mit Computerterminals, der Begriff Nutzer- oder Benutzerfreundlichkeit im Zentrum des Interesses. Darunter wird üblicherweise die mehr oder weniger komfortable „Handhabbarkeit“ von Betriebsmitteln verstanden. Gerade in diesen Bereichen treten in bestehenden Systemen Fehlbeanspruchungen auf, die durch geäußerte Klagen und Beschwerden in zahlreichen Untersuchungen eingangs aufgezeigt wurden.

Der Autor ist Universitätsassistent am Institut für Betriebs- und Arbeitswissenschaft an der Technischen Universität Wien.

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