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Wenn die brechen
Dem australischen „Moralphilosophen“ Peter Singer gegenübersaß im „Club 2“ am Dienstag die junge Studentin Karen Schulz. Heiter, zuversichtlich, lebensfroh.
Nach Singers „neuer Ethik“, die nicht nur die Tötung behinderter Säuglinge duldet, sondern sie propagiert und ethisch rechtfertigt, hätte sie ein Euthanasie-Opfer sein können. Sie war bei ihrer Geburt schwer behindert
Ein dramatischer Kontrast. Augenfälligerkann der Wahnsinn, den Singer in Wissenschaftlichkeitkleidet, gar nicht manifest werden.
Erinnerungen an die „Vernichtung lebensunwerten Lebens“ durch den Nationalsozialismus müssen wach werden. Und sie müssen wach bleiben. Denn es geht darum, unseren Umgang mit angeblich Minderwertigen und Unnützen zu begreifen. In der Vergangenheit wie in der Gegenwart
Und es geht um die gesellschaftliche Achtung jeder aktiven Euthanasie, ob sie mm „menschenfreundlichem“ Mitleid oder Nützlichkeitsüberlegungen entspringt Jeder Ansatz ist sträflich: Die totbringende Spritze für den behinderten Säugling ebenso wie die tödliche „Mundspülung“ für einen betagten Patienten.
Wer die Tötung eines Menschen als „Lösung“ auch nur irgendeines Problemes akzeptiert, findet bald Gründe, sie auch in anderen Fällen anzuwenden. Willkür entscheidet über „lebenswerteB“ und „lebensunwertes“ Leben.
Die „Praktische Ethik“ Singers, die der Moraltheologe Johannes Gründel treffend als „innerweltliche Ethik“ - die das Argument der Vernünftigkeit durch das der Nützlichkeit ersetzt-charakterisiert hat, darf nicht einmal im Ansatz akzeptiert werden. Aber sie wird bereits praktiziert und ist weit mehr verbreitet, als man glaubt. Auch damit hat Gründel - leider - recht.
Darüber soll und muß man diskutieren. Weil sonst das Recht auf Leben Schritt um Schritt ausgehöhlt wird. Singer hat ja die Schizophrenie unserer Gesellschaft, ja ihre Verlogenheit, für Bich ins Treffen geführt: Wenn menschliches Leben vor der Geburt aus jedem x-beliebigen Grund - auch bei einer denkbaren Behinderung - durch Abtreibung getötet werden darf, warum soll es dann nicht auch noch nach der Geburt getötet werden dürfen?
Diesen „Dammbruch“ im Denken hat Kardinal Franz König jetzt aktuell in einem Beitrag zur Festschrift für Heinrich Schneider angesprochen. Mit der Fristen-„Lö- sung“ ist der Grundsatz gefallen, „daß kein Mensch das Recht hat, über das Leben eines anderen Menschen zu verfügen“. Um die Verhinderung dieses „Dammbruches“ - nicht aber um Strafe für verzweifelte Frauen - sei es der Kirche in der Auseinandersetzung gegangen.
Und darum muß es ihr und uns weiterhin gehen: um das unteilbare Recht auf Leben.
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