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Wenn die Rubel rollen...
Wirtschaft und Außenhandel und bilden sich nicht unter Berücksichtigung von Nachfrageverhältnissen an den Devisenbörsen. Schon gar nicht ist mit den Ostwährungen in den jeweiligen Ländern etwas einigermaßen Konkurrenzfähiges zu kaufen. Damit kommt man zum - der Konvertibilität vorgelagerten - Problem des untauglichen Warenangebots für den Weltmarkt. Eben diese Tatsache ist die Ursache dafür, daß niemand Kronen oder Rubel zur Bezahlung von Gütern nachfragt und daher eine Integration der Ostwährungen in das internationale Währungssystem nicht erfolgen konnte.
Die Oststaaten müssen also zunächst Produkte anbieten, für die an den Weltmärkten Nachfrage herrscht. Dann gibt es auch Nachfrage nach ihren Währungen zwecks Bezahlung der Waren. In der Folge werden sich auf den Devisenbörsen allmählich brauchbare Kurse zu allen anderen Währungen der Welt einstellen. Damit wäre der wesentlichste Schritt zur Währungskonvertibilität getan, zumindest im Warenbereich. Diese Konvertibilität müßte in weiterer Folge auch über den Bereich des Dienstleistungsund Kapitalverkehrs abgesichert werden, doch sind das Aufgaben für die weitere Zukunft.
Zusammengefaßt: Konvertibilitat einer Währung liegt vor, wenn sie in das internationale Währungs-gefüge problemlos, ohne Beschränkungen und ohne administrative Eingriffe eingepaßt ist. Das ist dann möglich, wenn das entsprechende Land seinerseits an der internationalen Arbeitsteilung durch Angebot konkurrenzfähiger Produkte teilnimmt. Das ganze zu Wechselkursen, die im Idealfall auch über längere Zeit stabil zu wertbeständigen anderen Währungen gehalten werden können.
Die Konvertibilität kann also nicht ein angepeiltes Ziel sein. Sie stellt sich von selbst ein, wenn brauchbare Produkte hergestellt werden. Leider herrscht bezüglich dieses Zusammenhangs derzeit große Verwirrung, denn in einigen Ländern wird offenbar versucht, den umgekehrten Weg zu gehen. So scheint man etwa in Jugoslawien -aber auch anderswo - zu glauben, es genüge, in alter Kommandomanier irgendeine Form von Konvertibilität zu verordnen, worauf sich die Möglichkeit der vollen und unbeschränkten Teilnahme an den Weltmärkten und vor allem der Genuß, dort nach Belieben alle Produkte kaufen zu können, ganz von selbst einstellen werden.
Solche Ideen sind geradezu grotesk. Es ist aber noch viel gefährlicher, die Bevölkerung darüber im unklaren zu lassen, daß nur ein langer und mühseliger Weg zur Konvertibilität führen wird und damit zur Gelegenheit, Produkte der Weltmärkte wie die westlichen Konsumenten erstehen zu können.
Wollen die Oststaaten die Integration in die Weltmärkte wirklich - und es sieht so aus -, wird dazu nicht mehr und nicht weniger erforderlich sein, als daß sie ihre Wirtschaft an die Leistungs- und Produktivitätsstandards der westlichen Industrieländer heranführen. Welche Probleme hier warten, zeigt ein Blick auf die derzeitigen Relationen die DDR-Wirtschaft betreffend, die bei solchen Vergleichen noch relativ gut abschneidet. Eine dortige Arbeitskraft in der Landwirtschaft erwirtschaftet pro Jahr 334 Doppelzentner Getreide, in der Bundesrepublik sind es 792. Auf einen Beschäftigten in der DDR-Kraftfahrzeugindustrie entfallen pro Jahr zwei produzierte Pkw, in der Bundesrepublik sind es sechs. Entsprechend dieser mäßigen Produktivität fallen auch die Löhne in den Oststaaten aus. Hingegen benötigt die DDR-Wirtschaft je 1.000 D-Mark Produktionswert 414 Kilogramm Steinkohleneinheiten an Energie, die bundesdeutsche Wirtschaft nur 238. Damit aber nicht genug: Es wird erforderlich sein, das gesamte Preissystem, das bisher durch eine Unmenge von Subventionen und Stützungen verzerrt war, neu zu strukturieren und auch das Geldwesen neu zu ordnen.
So langweilig es klingt, es gibt keinen anderen Weg für die Wirtschaften des Ostblocks, als mit Geduld die Effizienz ihrer Produktionsapparate an die internationalen Standards anzupassen. Das kann nur langsam geschehen, weil es zunächst vor allem auch eine wesentliche Verbesserung der Qualifikation der Arbeitskräfte erfordert.
Zum Trost sei erwähnt, daß auch Österreich nach dem Zweiten Weltkrieg die - selbst da noch in mehrfacher Hinsicht eingeschränkte -Konvertibilität seiner Währung erst 1958 erreichte, die Bundesrepublik lediglich ein Jahr früher.
Der Autor ist Experte für Volkswirtschaft in der Nationalbank.
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